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GLOBAL/075: Rio+20 - Kein "Schritt vorwärts" - aber mehrere zurück (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 26 vom 29. Juni 2012
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Rio+20 - Kein "Schritt vorwärts" - aber mehrere zurück
Ein Gipfel der unverbindlichen Ankündigungen

von Hans-Peter Brenner



Die internationale Beobachterwelt ist sich einig: Der jüngste UNO-Umweltgipfel "Rio 20+" hätte in dieser Form am besten überhaupt nicht stattgefunden.

Gemessen am Ergebnis war der erneute internationale Auftrieb der Delegationen aus 193 Staaten und von 100 Staats- bzw. Regierungschefs unnötig wie ein Kropf.

Schon vor Beginn des 2-tägigen Treffens war ein windelweiches Konferenzergebnis veröffentlicht worden. Es stieß bei nahezu allen relevanten Umwelt- und Sozialorganisationen auf schroffe Ablehnung. Als "Gipfel der Unverbindlichkeit" - so ein noch relativ moderates Urteil (taz vom 23./24. 6.) - wird dieser UNO-Gipfel ein wieder einmal völlig unbefriedigendes Zeugnis der Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft beim Bemühen um einen effektiven Kampf gegen den Klimawandels sein.

"Die Zukunft die wir wollen" - so lautete der Titel der etwas über 40 Seiten langen Abschlusserklärung von Rio. Es ist nicht mehr als ein Plädoyer für einen etwas weicher gespülten, mit grüner Tünche übermalten Kapitalismus, der an den wahren Ursachen der bedrohlichen Klimaentwicklung nichts ändert und der verbindliche Zielsetzungen in einem Schwall von Unverbindlichkeiten untergehen lässt.

Wohl am besten hat der Vertreter von Greenpeace, Martin Kaiser, das Dilemma zum Ausdruck gebracht: "Wäre die Welt eine Bank, sie wäre längst gerettet." Und zu dem unverbindlichen vagen Absichtserklärungen meinte er nur weiter: "... die Seifenblase der Green Economy ist geplatzt, übrig bleibt ein Greenwashing."

Zu hart geurteilt? Nein. "Die Erklärung ist nicht mal das Papier wert." Dieses Urteil des SPD-Umweltpolitikers Mathias Miersch macht deutlich, dass selbst die nun keinesfalls "utopischen" Umweltforderungen moderater bürgerlicher Politiker durch diesen Gipfel enttäuscht wurden.


Der kubanische Ministerpräsident Raùl Castro konnte dann auch in seiner Rede angesichts der Bedrohung für sein eigenes Land und den ganzen karibischen Raum nur von einem völlig unzureichend verlaufenen Umweltgipfel sprechen. Die Bedrohung durch den Klimawandel für diese Region ist schon angesichts der Serie der verheerenden Wirbelstürme längst keine ferne Zukunftsdrohung mehr. Doch es kommt noch schlimmer.

"Eine tiefgründige und detaillierte Studie, die unsere wissenschaftlichen Einrichtungen in den letzten fünf Jahren durchgeführt haben, stimmt im Wesentlichen mit den Berichten des zwischenstaatlichen Panels über den Klimawandel überein und bestätigt, dass im gegenwärtigen Jahrhundert, wenn die aktuellen Tendenzen bestehen bleiben, ein allmähliches und bedeutendes Ansteigen des mittleren Meeresspiegels im kubanischen Archipel vor sich gehen wird. Besagte Voraussicht schließt das Ansteigen des Salzgehaltes des Grundwassers ein. All das wird ernste Folgen haben, besonders an unseren Küsten, weshalb wir mit der Ergreifung entsprechender Maßnahmen begonnen haben. Diese Erscheinung hätte ebenso starke geografische, demografische und wirtschaftliche Auswirkungen für die Inseln der Karibik, die außerdem die Ungerechtigkeiten eines internationalen Wirtschaftssystems konfrontieren müssen, das die Kleineren und Verletzlichen ausschließt."

Verurteilt wurde deshalb besonders, dass es keinerlei konkrete Vorgaben für einen Stopp des weltweiten Temperaturanstieges auf Grund der ständig steigenden CO²-Emissionen gibt.

Konkrete Vorgaben fehlen auch für das propagierte angeblich "Ressourcen schonendere nachhaltige Wachstum". Dazu sollen erst in den Jahren bis 2014 nähere Details formuliert werden; erst dann soll auch ein "Nachhaltigkeitsfonds" für die Länder des Südens gebildet werden. 2015 sollen dann endlich auch Ziele für die Armutsbekämpfung, den Technologietransfer, die Geschlechtergleichstellung und die Nutzung von erneuerbaren Energieträgern formuliert sein. Die Forderung nach einem Stopp der zunehmenden Entwaldung der letzten in sich geschlossenen tropischen Regenwaldsysteme spätestens bis zum Jahre 2010 wurde völlig ignoriert. Schutzmaßnahmen für die küstennahen Meeresregionen ebenfalls. Hier kam es zu einem merkwürdigen Bündnis zwischen den Regierungen der USA, Chinas und Venezuelas, die die weitere Erschließung von großen Erdölvorkommen in ihren Küsten-Shelfs nicht behindert sehen wollen durch Schutzvorschriften. Aus der großen Ölkatastrophe im Golf von Mexiko werden keine wirklichen Schlussfolgerungen gezogen. Auch der weiteren Verbreitung der Gentechnik in der Agrarproduktion werden keine Grenzen gesetzt. Was "nachhaltige Landwirtschaft" bedeuten soll, blieb offen.

2015 wollen sich die Staaten auf ein System der Berichterstattung für diesen bunten Strauß der Einzelmaßnahmen geeinigt haben. Und dann soll es erst 2030 (!!) eine große Zwischenbilanz geben.

Lediglich die UNO-Kommission für nachhaltige Entwicklung soll auf noch unklare Art und Weise aufgewertet werden und ein kleines Bonbon erhält das UNO-Programm UNEP, das künftig den Status einer "permanenten" Organisation erhält, wodurch seine Finanzierungsgrundlage verbessert wird.

Ein "Gipfel der (weitgehend unverbindlichen) Ankündigungen" - ohne wirkliche präzise Vorgaben, wo doch längst weitaus drastischere Sofortmaßnahmen gegen den immer mehr entgleitenden weltweiten Temperaturanstieg nicht nur nötig, sondern längst überfällig waren. Noch einmal sei Raúl Castros Konferenzbilanz erwähnt: "Der Stillstand der Verhandlungen und das Fehlen einer Übereinkunft, die es ermöglicht, den Klimawandel aufzuhalten, sind ein klarer Widerschein des Mangels an politischem Willen und der Unfähigkeit der entwickelten Länder, um entsprechend der Pflichten zu handeln, die sich aus ihrer historischen Verantwortung und gegenwärtigen Position ergeben.

Dies hat sich auf dieser Zusammenkunft offenbart, trotz der enormen Anstrengung, die Brasilien unternommen hat, und für die wir ihm danken."


Was folgt für die Umweltschutz- und Ökologiebewegung daraus? Und welche Anforderungen stellen sich besonders für die Kommunistinnen und Kommunisten?

Fragen, an denen auch die DKP nicht vorbei kann.

Die Marx-Engels-Stiftung wird am 10. November in München ein Seminar in München durchführen, auf dem der aus meiner Sicht keinesfalls zufriedenstellende Beitrag der Kommunisten und anderer Linker ein Thema der Diskussion sein muss und wird. Hoffentlich geht ein Signal für eine bewusstere Beteiligung von Marxisten und Kommunisten am Kampf gegen die Gefahren des Klimawandels und der Umweltzerstörung davon aus.

Raúl Castro gab - wie auch Fidel in vielen seiner "Reflexionen" - dafür eine internationale Marschroute aus. "Wir benötigen dringend einen transzendentalen Wandel. Die einzige Alternative ist, gerechtere Gesellschaften zu errichten, eine gerechtere internationale Ordnung aufzustellen, die auf dem Respekt der Rechte aller beruht; die nachhaltige Entwicklung der Länder, besonders der des Südens, abzusichern, und die Errungenschaften der Wissenschaft und der Technologie in den Dienst der Rettung des Planeten und der Menschenwürde zu stellen."


Übersicht über wichtige UNO-Klima- und Umweltkonferenzen
Übersicht über wichtige UNO-Klima- und Umweltkonferenzen

Übersicht über wichtige UNO-Klima- und Umweltkonferenzen

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 44. Jahrgang, Nr. 25 vom 22. Juni
2012, Seite 9
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2012