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GLOBAL/078: Biodiversitätsfinanzierung - Harte Verhandlungen auf Gipfel in Indien erwartet (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2012

Themen & AGs

Globale Biodiversitätsfinanzierung
Harte Verhandlungen auf dem Biodiversitätsgipfel in Indien zu erwarten.

von Günter Mitlacher



Der Mangel an ausreichenden finanziellen Mitteln ist eines der Haupthindernisse, den Biodiversitätsverlust weltweit zu stoppen. Eine neue Strategie der CBD soll mehr Geld, mehr Effizienz und mehr Kapazitäten in der Umsetzung bringen. Auf dem diesjährigen Biodiversitätsgipfel in Hyderabad/Indien steht die globale Biodiversitätsfinanzierung ganz oben auf der Agenda und lässt angesichts knapper Kassen und hoher Dringlichkeit harte Verhandlungen erwarten.

Die mangelhafte Finanzierung

Auf der 10. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD COP 10) in Nagoya/Japan wurde mit der Verabschiedung des Strategischen Plans 2011 bis 2020 mit seinen 20 Zielen eine wichtige Entscheidung getroffen, um den weltweiten Verlust an biologischer Vielfalt bis zum Jahr 2020 zu stoppen. Die ambitionierten Biodiversitätsziele können aber nur erreicht werden, wenn dafür neben gesetzlichen Verbesserungen und nachhaltiger Wirtschaftsweise auch ausreichende finanzielle Mittel in allen Ländern, insbesondere den Entwicklungs- und Schwellenländern mit der größten biologischen Vielfalt zur Verfügung stehen.

Ein Beschluss über den Finanzbedarf wurde auf Druck der Europäischen Union vertagt und lediglich ein Fahrplan beschlossen, bis zur 11. Konferenz die erforderlichen Grundlagen zu schaffen, um dann über die notwendigen Geldmittel zu entscheiden. Auf dem Biodiversitätsgipfel in Hyderabad/Indien im Oktober diesen Jahres steht die globale Biodiversitätsfinanzierung deshalb ganz oben auf der Agenda.

Mehr Geld für Biodiversität - eine neue Strategie

Auf dem Bonner Biodiversitätsgipfel 2008 wurde sehr deutlich herausgestellt, dass der Mangel an ausreichenden finanziellen Mitteln eines der Haupthindernisse ist, die drei Ziele der CBD zu erreichen und auch den Biodiversitätsverlust zu stoppen. Alle wissenschaftlichen Ergebnisse zeigten, dass der Verlust an biologischer Vielfalt und der Niedergang an Ökosystemdienstleistungen auf einem beispiellos hohen Niveau sind und die Ursachen auch in nächster Zeit nicht abnehmen, sondern eher stärker werden. Deshalb war dringendes Handeln geboten, das zum Beschluss der Strategie zur Mobilisierung von Ressourcen führte (Entscheidung IX/11). Die Umsetzung der Strategie wurde in Nagoya mit Indikatoren unterfüttert, die Auskunft über die bereitgestellten Geldströme geben sollen, zum Beispiel Mittel der Entwicklungshilfe (ODA), Höhe nationaler Budgets, Gelder des Privatsektors, von NGOs und Stiftungen. Alle Staaten sollten bis 30. Juni 2011 solche Informationen liefern, jedoch stellt sich die Datenbeschaffung als großes Problem heraus. Diese Referenzgrößen werden aber benötigt, um die derzeitigen Ausgaben zu beziffern (sog. baseline). Denn in Hyderabad soll nur dann ein Finanzierungsziel beschlossen werden, wenn eine »baseline« akzeptiert und ein Berichtskonzept (sog. reporting framework) beschlossen wird. Bislang konnte man sich zwar auf ein vorläufiges Berichtskonzept einigen, jedoch ist der vorgeschlagene Zeitraum 2006 bis 2010 für die Bestimmung der baseline nach wie vor strittig; die EU ist uneinig und präferiert, nur ein Referenzjahr aus dem Zeitraum zu nehmen und blockierte damit bislang eine Einigung.

EU-Biodiversitätsfinanzierung für die Jahre 2007-2009, EU-Gesamtzahlen und aufgeschlüsselt nach Mitgliedstaaten -Quelle: OECD DAC/CRS

Quelle: OECD DAC/CRS

Was wir haben, was wir brauchen!

Wir wissen also nicht, wie viel Geld derzeit für Biodiversität weltweit ausgegeben wird und selbst in Deutschland gibt es keine Übersicht, was Bund, Länder, Kreise und Gemeinden für den Erhalt der biologischen Vielfalt einsetzen. Eine Analyse der globalen Ausgaben beziffert das Little Biodiversity Finance Book auf etwa 50 Milliarden US Dollar pro Jahr (2010). Die EU und ihre Mitgliedsstaaten haben von 2007 bis 2009 im Durchschnitt 1,3 Milliarden EURO pro Jahr an bilateraler Biodiversitätsfinanzierung bereit gestellt (European Commission SEC(2011) 500 final v. 19.4.2011).

Wir wissen auch nicht, wie viel Geld benötigt wird, um die ambitionierten Ziele des neuen Strategischen Plans bis 2020 zu erreichen. Eigentlich sollen alle CBD-Staaten nationale Bedarfsanalysen erarbeiten, was jedoch nur wenige getan haben, so dass eine globale Zusammenschau fehlt.

Großbritannien und Indien wollen jetzt bis Hyderabad eine Globale Analyse des Finanzierungsbedarfs erstellen. Parallel arbeitet eine Expertengruppe an dem Finanzierungsbedarf für die nächste Periode 2014 bis 2018 der Global Environment Facility (GEF). Auch die NGOs tragen Fallbeispiele zusammen, um ihre Forderungen zu untermauern. Es ist von zusätzlich mind. 20 bis 30 Milliarden US Dollar im Jahr auszugehen.

Wo soll mehr Geld herkommen?

Wegen der Finanzkrise wollen die EU und andere Geber keine neuen Zusagen machen, so dass harte Auseinandersetzungen mit den Entwicklungsländern und den NGOs zu erwarten sind. Geld ist zum Beispiel bei umweltschädlichen Subventionen vorhanden, und diese sollten zuerst beseitigt werden.

Darüber hinaus sollen alle Regierungen mehr Geld bereitstellen und auch private Unternehmen sind gefordert. Öffentliche Mittel werden dennoch den Löwenanteil der Finanzierung von biologischer Vielfalt als öffentlichem Gemeingut abdecken müssen. Wenn Rettungsschirme für Banken gespannt werden, sind sie auch für unsere natürlichen Existenzgrundlagen dringender denn je notwendig.

Der Autor ist Leiter Biologische Vielfalt bei WWF Deutschland.


Sperrung deutscher Gelder für die GEF im FY 2012 wieder aufgehoben
In den letzten 3 Monaten haben sich das GEF NGO Network und WWF erfolgreich dafür eingesetzt, dass die von Deutschland im April verhängte Sperre der Gelder für 2012 an den GEF Trust Fund wieder aufgehoben wird. Anlass war, dass die USA lediglich 70% ihrer jährlichen Tranche an die GEF gezahlt hatten. Dies hatte nach dem Bundeshaushaltsrecht zur Folge, dass Deutschland die fällige Zahlung sperren musste. Durch Gespräche mit dem BMZ und dem Haushaltsausschuss sowie durch ein Schreiben an den Staatssekretär im Bundesfinanzministerium konnte die Aufhebung der Sperre initiiert werden. Am 13. Juni 2012 beschloss der Haushaltsausschuss die Aufhebung der Sperre, so dass die von Deutschland zugesagten 86,75 Mio. EURO jetzt für Projekte in Entwicklungsländern eingesetzt werden können.
Günter Mitlacher
Leiter Biologische Vielfalt
International Biodiversity Policy
CBD Focal Point WWF Germany


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2012, S. 36-37
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2012