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GLOBAL/088: Finanzierung eines Rettungsschirms für die Biologische Vielfalt gefordert (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2012
Biodiversität - Mehr Kröten für den Artenschutz

Too big to be failed
Finanzierung eines weltweiten Rettungsschirms für die Biologische Vielfalt gefordert

von Claudia Kabel



Mit seiner Fachtagung »Ohne Moos nichts los! - Wege zur Finanzierung des Strategischen Plans der CBD bis 2020« setzte das Forum Umwelt und Entwicklung den Rahmen für einen Austausch der Experten aus den Verbänden sowie aus Politik und Wissenschaft, sich in der letzten Vorbereitungsphase vor der 11. Vertragsstaatenkonferenz zur UN-Konvention über die Biologische Vielfalt über den Stand der Dinge auszutauschen. Etwa 50 TeilnehmerInnen machten sich ein Bild über die Ausgangslage der UN-Verhandlungen, sowie über die Knackpunkte für den Erfolg der UN-Konferenz.

Der Rettungsschirm für Banken zur Rettung des bisherigen Wirtschaftssystems, prägt derzeit die politische Debatte. Im Mittelpunkt der Diskussionen der Fachtagung am 14. September stand die Frage, wie es zu schaffen ist, dass in Hyderabad ein weltweiter finanzieller Rettungsschirm zum Schutz der Biologischen Vielfalt aufgespannt wird - der sowohl den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen als auch die Sicherung unserer wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten gewährleistet

Was nehmen Deutschland und die EU mit nach Hyderabad?

Den Stand des Vorbereitungsprozesses der UN-Verhandlungen aus Sicht der Bundesregierung erläuterte Frau Nicola Breier, BMU, zum Auftakt der Fachtagung: Derzeit gebe es insbesondere zu Fragen der Finanzierung zwischen den EU-Mitgliedsstaaten noch viel Diskussionsbedarf. Die Bundesregierung setze vor allem darauf, dass von Hyderabad ein positives Signal ausgehe, für ein starkes Engagement Deutschlands. Beim Thema Stand der Umsetzung des Strategischen Plans sei man bei den geforderten Kriterien auf einem guten Weg. Große Probleme gäbe vor allem es bei der Feststellung der Summe der derzeit tatsächlich geleisteten Zahlungen im Bundes- sowie in den Landeshaushalten zum Schutz der Biologischen Vielfalt (»baseline«, siehe Kasten). Der erforderliche Aufwand hierfür sei nicht nur für Deutschland kaum zu leisten. Hier sei ein besser umsetzbares System notwendig.

Der Vortrag von Johanna Schmidt, Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, ging auf den Ansatz der EU ein, die Finanzierung des Strategischen Plans zu gewährleisten: Die EU-Biodiversitätsstrategie und der Haushalt für Europa bis 2020. Dabei stehe vor allem die Aufstockung bereits vorhandener Finanzquellen im Mittelpunkt. Zusätzlich wurden unter anderem Gelder des privaten Sektors, Zahlungen für Ökosystemdienstleistungen (Payments for Ecosystem Services, PES) oder die Einbindung der biologischen Vielfalt in den gesamten EU-Haushalt genannt. Auf CBD-Zertifikate als Möglichkeit Gelder aus dem privaten Sektor zu mobilisieren ging auch Dr. Etti Winter, von der Leibniz-Universität Hannover, ein.

Die Finanzierung des Strategischen Plans 2011 - 2020 von Nagoya
Auf der 10. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD COP 10) in Nagoya/Japan wurden mit dem Strategischen Plan 2011 - 2020 mit seinen zwanzig Einzelzielen wichtige Entscheidungen getroffen, um den dramatischen Verlust an biologischer Vielfalt zu stoppen. Diese Ergebnisse konnten nur erreicht werden, weil die Europäische Union und andere Industriestaaten auf Druck der Entwicklungsländer zugesagt hatten, bei dem Folgegipfel 2012 konkrete Beschlüsse zur Finanzierung des Strategischen Plans zu fassen. Auf dem im Oktober anstehenden Biodiversitätsgipfel (CBD COP 11) in Hyderabad/Indien muss dies nun geschehen, da ansonsten die Gefahr besteht, dass die Entwicklungsländer die Konferenz oder gar den Strategischen Plan scheitern lassen.

Die Vorstellungen der NGO zu der Frage, wie viele Finanzmittel notwendig seien, um den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen (»needs«, siehe Kasten), zeigte Günter Mitlacher, WWF, am Beispiel des Hauptfinanzierungsinstruments, der Global Environment Facility (GEF) auf. Wie viele Gelder für Projekte in Entwicklungsländern, die dem globalen Umweltschutz zugute-kommen, bräuchte man weltweit, um die im Strategischen Plan gesteckten Ziele, die über GEF-Mittel finanziert werden können, zu erreichen? Das Ergebnis liegt in der Größenordnung von Milliarden, die die Dimension der Aufgabe verdeutlichen.

Die Strategie zur Mobilisierung zusätzlicher Ressourcen
Erstmals seit Verabschiedung der CBD im Jahre 1992 gibt es damit seit der COP 10 einen konkreten Verfahrensvorschlag zur Finanzierung der Konvention. Zentral dabei ist, bis zur COP 11 die tatsächlich bereits geleisteten Zahlungen für den Erhalt der biologischen Vielfalt festzustellen (»baseline«) sowie sich über den Finanzbedarf zu verständigen (»needs«). Daraus leitet sich dann der zusätzliche Bedarf ab (»gap«), der dann aus verschiedenen Quellen zu decken sein wird: aus nationalen Haushaltsmitteln, internationaler Entwicklungszusammenarbeit sowie dem Privatsektor.
Ohne den Abbau umweltschädlicher Subventionen keine politische Glaubwürdigkeit

In der Diskussion des Plenums wurde dringend gefordert, dass zumindest die »Hausaufgaben« gemacht würden: Statt des fortdauernden Mittel- und Personalabbau in den Naturschutzverwaltungen der Länder, sollten zumindest die Zahlen genutzt werden, die es bereits gibt. Wenn keine weiteren Mittel aus den Haushalten zur Verfügung ständen, müssten eben die bisher »heiligen Kühe« Agrarsubventionen gestrichen werden. Es ginge nicht an, dass die EU-Kommission »relativ« fortschrittliche Vorschläge etwa zum Abbau umweltschädlicher Agrarsubventionen mache, die dann insbesondere von der Bundesregierung untergraben würden. Mit einer solchen »offenen Flanke« beschädige man die Glaubwürdigkeit der Europäer für die Verhandlungen in Hyderabad.

Insbesondere Zahlungen für Ökosystemdienstleistungen und Gelder des privaten Sektors waren während des gesamten Tages Gegenstand der Diskussion. Es gab viele Befürchtungen, die durch den Vortrag von Frau Dr. Winter bestätigt wurden: Bei prinzipiell auf Profit ausgerichteten Unternehmen, seien Zahlungen »nur für einen guten Zweck« nicht zu erwarten. Wer etwas anderes behaupte, mache sich etwas vor (»Ausweichdebatte«). Für öffentliche Güter müssten öffentliche Gelder mobilisiert werden. Zahlungen für Ökosystemleistungen seien oftmals sehr selektiv und deckten nicht das gesamte erforderliche Spektrum ab.

Öffentliches Geld für öffentliche Güter

Die politische Dimension des Themas wurde in einer Diskussionsrunde beleuchtet, an der auch Dr. Christian Glass, BMZ, und Undine Kurth MdB, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mitwirkten. Ohne die Einsicht weiterer Akteure ginge es dabei nicht. Das Ausspielen von Wirtschaft gegen Umwelt und die Diskussion darüber, ob nun Arten- und Naturschutz wichtiger seien als Klimaschutz verkennen die wechselseitigen Beziehungen der Probleme. So gebe es zwar eine gesamtwirtschaftliche Notwendigkeit die Biologische Vielfalt zu schützen, aber kein direktes unternehmerisches Interesse daran. Auch bei Zahlungen für Ökosystemdienstleistungen überwog die Kritik: Ein so grundsätzliches Gut wie intakte Ökosysteme ließen sich nicht erwerben und versteigern wie Zertifikate oder »Schokoriegel«.

Der Nachmittag stand im Zeichen der benötigten Finanzmittel für die Umsetzung der nationalen Biodiversitätsstrategie. Eine eindrucksvolle Studie der TU Berlin, vorgestellt durch Dr. Henry Wüstemann, stellte detailliert die Kosten von Erhaltungs-, und Wiederherstellungsmaßnahmen für die kommenden Jahre dar. Das Fazit der Studie: Die Gesamtstrategie ist nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll. Wenn man die Kosten mit dem Nutzen der Strategie verrechnet, übertreffe der Nutzen die Kosten mehrfach. Nur dass insbesondere der ökonomische Nutzen der Strategie nicht öffentlich wahrgenommen werde. Hier sei die Bilanzierung von Ökosystemleistungen als Gegenüberstellung zu Kostenaufstellungen dringend erforderlich!

Auch im Vortrag von Dr. Helmut Röscheisen, DNR, zu den bereits geleisteten Ausgaben der öffentlichen Haushalte in Bund und Ländern zur Umsetzung der nationalen Biodiversitätsstrategie wurde die Komplexität der Materie deutlich. So ist Naturschutz vor allem Aufgabe der Länder, woraus sich Unterschiede je nach finanzieller und ökologischer Ausgangslage der Bundesländer in ihren Ausgaben ergeben. Insgesamt lasse sich eine Steigerung feststellen, wenn auch von einem niedrigen Ausgangsniveau. Die Forderungen sind dagegen klar: Die Länder müssen ihre Ausgaben für Naturschutz absolut und relativ erhöhen.

In der Abschlussdiskussion an der auch Dr. Michael Gödde, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt in Berlin teilnahm, stand vor allem die Kommunikation der Themen nach außen im Mittelpunkt. Wie ist es zu schaffen, ein Bewusstsein für die anstehenden Aufgaben zu schaffen ohne dass bisher erreichte kleinzureden? Wie können Akteure, etwa aus dem privaten Sektor, eingebunden werden, ohne dass die politische Verantwortung abgegeben wird?

Ähnlich wie bei den Verhandlungen zur UNCSD in Rio im Juni wird über den Erfolg von Hyderabad auch das Verhältnis zwischen »alten« Industrienationen und Schwellenländern entscheidend sein. Bloße Verweise darauf, dass sich die Welt gewandelt habe (gemeint ist etwa die Einordnung Chinas als Entwicklungsland) beziehungsweise auf das Prinzip der gemeinsamen, aber geteilten Verantwortung (CBDR) wird zu keinem guten Ergebnis führen - jedenfalls nicht im Sinne eines ernstgemeinten Schutzes unserer Lebensgrundlagen.

Die Autorin koordinierte das Projekt »Auf dem Weg nach Rio+20: eine zivilgesellschaftliche Begleitung mit besonderem Schwerpunkt auf Green Development, Low Carbon Development und biologische Vielfalt« beim Forum Umwelt und Entwicklung.


Weitere Informationen:

Hintergrundpapier des Forum Umwelt und Entwicklung zur Finanzierung des Strategischen Plans und weitere Informationen (Hier wird in Kürze auch die ausführliche Dokumentation der Tagung zum Herunterladen bereitgestellt werden.)
http://www.forumue.de/themen/biologische-vielfalt/ag-biologische-vielfalttermine/fachtagungcop11/

EU Biodiversity Strategy to 2020
http://ec.europa.eu/environment/nature/biodiversity/policy/

Nationale Biodiversitätsstrategie
http://www.bmu.de/naturschutz_biologische_vielfalt/nationale_strategie/doc/40332.php


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2012, S. 10-11
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
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Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2012