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KATASTROPHEN/101: Sri Lanka - Armut hemmt Katastrophenprävention (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. November 2014

Sri Lanka: Armut hemmt Katastrophenprävention - Frühwarnsysteme sollen mit staatlicher Hilfe ausgebaut werden

von Amantha Pereira


Bild: © Contributor/IPS

Soldaten nach einem Erdrutsch im Zentrum Sri Lankas im Einsatz
Bild: © Contributor/IPS

Colombo, 20. November (IPS) - Keribathgala ist das einzige von tausenden erdrutschgefährdeten Dörfern Sri Lankas, das die Niederschläge misst, die hier, 120 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Colombo, fallen. Dabei hat das Ministerium für Katastrophenschutz genügend Messgeräte verteilt, wie R. M. S. Bandara von der Nationalen Organisation für Wohnungsbauressourcen (NBRO) berichtet.

Auch sei die Ortschaft die einzige, die sich Rat hole, um gegebenenfalls richtig zu reagieren, sagt der Beamte. Das verbreitete Desinteresse der anderen Dörfer erklärt er sich damit, dass ein lebensgefährlicher Erdrutsch vielleicht alle zehn Jahre eintritt. Doch die Nachlässigkeit kann aber tödliche Folgen haben.

Am Morgen des 29. Oktober sackte ein großer Teil der Hügelkette nahe dem Weiler Meeriyabedda im Distrikt Badulla etwa 220 Kilometer von Colombo ab. Zwei Wochen später stellten Rettungsmannschaften die Suche nach Überlebenden ein. Zwölf Leichen waren bis dahin geborgen worden, 25 Menschen wurden als vermisst gemeldet.

Experten wie Bandara sind der Ansicht, dass eine solche Tragödie zu verhindern gewesen wäre. Die Ortschaft hatte 2005 und 2011 bereits zwei kleinere Erdrutsche erlebt. In beiden Fällen hatte NBRO Untersuchungen vorgenommen und 2005 eine Umsiedlung der Dorfbewohner empfohlen. 2009 und 2013 führte die Behörde dann groß angelegte Informationskampagnen für die Bevölkerung durch, die Notfallübungen beinhalteten. Der Ortschaft wurde außerdem ein Niederschlagsmessgerät übergeben.


Erste Anzeichen ignoriert

Alle Zeichen deuteten in Meeriyabedda auf eine Katastrophe hin. In der Nacht vor dem Erdrutsch wurden die Dorfbewohner besonders gewarnt, doch nur wenige verließen ihre Häuser. Das Niederschlagsmessgerät, das an einer nahegelegenen Schule installiert worden war, zeigte an, dass über Nacht mindestens 125 Millimeter Regen gefallen waren. Diese Information kam im Dorf jedoch nicht an.

"Die Leute achten nicht auf die Vorboten einer möglichen Katastrophe", erklärt Bandara. Dabei sei es wichtig, täglich achtsam zu sein. Die Bewohner von Meeriyabedda hätten bestätigt, die Niederschlagsanzeigen oder andere Warnzeichen ignoriert zu haben. "Die Menschen hier machen sich mehr Sorgen darüber, wie sie an Nahrungsmittel kommen können."

Viele sind täglich 60 Kilometer zur Arbeit unterwegs und verdienen dafür umgerechnet drei US-Dollar. In dieser Region, in der sich große Plantagen befinden, sind solche prekären Existenzbedingungen nicht ungewöhnlich. Nach offiziellen Angaben ist der Anteil der Armen dort mehr als doppelt so hoch wie der landesweite Durchschnitt von 6,7 Prozent.

Die Analphabetenrate liegt bei etwa 70 Prozent, ungefähr 20 Prozent über dem nationalen Schnitt. Nach Erkenntnissen der Vereinten Nationen verlassen zehn Prozent der Kinder, die auf Plantagen leben, die Schule vor der fünften Klasse. Im nationalen Durchschnitt beträgt die Abbrecherquote nur zwei Prozent. Die meisten Opfer des jüngsten Erdrutsches arbeiteten auf einer Zuckerrohrpflanzung, die etwa 30 Kilometer von dem Dorf entfernt ist. Wie Dorfbewohner erzählen, hatten sie ihre Jobs auf nähergelegenen Teeplantagen verloren.

"Armut ist hier eine Generationenfrage", sagt Arumugan Selvarani, die als Beamtin seit 2004 für die Gesundheitsversorgung von Kinder in Meeriyabedda zuständig ist. "Das Eingreifen der Regierung und anderer Stellen ist notwendig, um die Auswirkungen der Armut abzuschwächen", sagt sie. In dieser Beziehung müsse mehr getan werden. Selvarani hat mehr als zehn Jahre lang daran gearbeitet, die Ernährung von Kindern zu verbessern. Solche Bemühungen hätten jedoch nur Erfolg, wenn sie nachhaltig seien.

Experten halten diese Erkenntnis vor allem im Bereich der Katastrophenprävention für relevant. Die Unterstützung der Behörden sei nötig, um die Frühwarnsysteme das gesamte Jahr über genau abgestimmt in Gang zu halten, insbesondere in Gebieten mit einer hohen Armutsrate. Die Folgen von Naturkatastrophen würden sich dort durch sozio-ökonomische Faktoren wie den schlechten Zustand der Wohneinheiten und Nahrungsunsicherheit weiter verschlimmern.

Sri Lanka hatte nach dem verheerenden Tsunami in Südasien Ende 2004 auf diese Herausforderungen reagiert. Die Regierung richtete damals das Katastrophenschutzzentrum DMC ein, das die Präventionsvorkehrungen in dem gesamten Inselstaat überprüft. Die 25 DMC-Bezirksbüros koordinieren mit Hilfe der Polizei, der Armee und des Srilankischen Roten Kreuzes Sicherheitsalarmsysteme und Evakuierungen.


Katastrophenschutz muss vereinheitlicht werden

In einem Dorf im selben Distrikt, in dem auch Meeriyabedda liegt, wurde nur sechs Tage vor dem Erdrutsch eine Katastrophenschutzübung durchgeführt. DMC-Beamte räumen jedoch ein, dass landesweit einheitliche Katastrophenvorsorgemaßnahmen erforderlich seien. "In den Küstenregionen sind wir dank unserer Arbeit seit 2005 gut gewappnet", sagt DMC-Sprecher Sarath Lal Kumara. "Soweit müssen wir nun auch in allen anderen Landesteilen kommen."

NBRO hat Landkarten von zehn Gebieten erstellt, in denen die Katastrophengefahr besonders groß ist. Im Distrikt Badulla ist Meeriyabedda deutlich als Hochrisikozone zu erkennen. Doch niemand hat sich bisher diese wichtige Information zunutze gemacht. Bandara zufolge wird es höchste Zeit, die Karten bei Bau- und Evakuierungsmaßnahmen hinzuzuziehen. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/11/building-disaster-resilience-amidst-rampant-poverty/

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IPS-Tagesdienst vom 20. November 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. November 2014