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LANDWIRTSCHAFT/041: Gegen eine weitere Privatisierung von Saatgut im südlichen Afrika (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2013 Ziele(n) für nachhaltige Entwicklung - Wer hat noch Pfeile im Köcher?

Gegen eine weitere Privatisierung von Saatgut im südlichen Afrika
Kleinbauern und Zivilgesellschaft kritisieren Entwurf der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft zu neuem Sortenschutzrecht in der Region

von Andreas Bohne




Im November 2012 hat die Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft (Southern African Development Community Region - SADC) ihr Draft Protocol zum Sortenschutzrecht vorgestellt. In einer Reaktion wehrt sich die Zivilgesellschaft im südlichen Afrika gegen eine Verschärfung des Sortenschutzrechtes und befürchtet negative Auswirkungen für regionale Kleinbauern und Ernährungssicherheit.


Das internationale Sortenschutzrecht bestimmt den Erwerb, die Verwendung und Regelung der Patent- und Lizenzgebühren von Pflanzensorten und Saatgut. 1961 wurde in Paris das Internationale Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) beschlossen. Als Form des geistigen Eigentums sollte es die Züchtung neuer, ertragreicher und angepasster Pflanzensorten unterstützen. Zuletzt wurde das Übereinkommen 1991 überarbeitet.


Züchter gehen vor Landwirte
In den letzten Jahren wurde der Schutz der Züchter (Plant Breeders' Right - PBR) zunehmend ausgebaut und das geistige Eigentum auf Pflanzensorten verschärft. Die zunehmende Ökonomisierung und Monopolisierung im Saatgutmarkt wurde damit forciert, so dass Unternehmen wie Monsanto oder Bayer als Gewinner dastehen. Im Gegenzug wurde das Landwirteprivileg (Farmers Right) eingeschränkt, welches die Nutzung eines Teils der Ernte für neues Saatgut oder den Austausch von Saatgut umfasst. Landwirte sehen sich mit Nachbaugebühren konfrontiert.

Ende 2012 legte die SADC einen Protokollentwurf für den Schutz neuer Pflanzenvarietäten vor (Draft Protocol for the Protection of new varieties of plants (Plants Breeders' Rights) in the Southern African Development Community Region). Dieser rechtliche Entwurf nimmt dabei starken Bezug auf UPOV 1991.

Von Seiten der afrikanischen und internationalen Zivilgesellschaft, die (klein)bäuerliche und agrarökologische Interessen vertreten, und von Kleinbauernorganisationen wurde der Vorschlag kürzlich sehr heftig kritisiert, als unpraktikabel zurückgewiesen und eine Umsetzung auf Basis von UPOV 1991 grundsätzlich in Frage gestellt.


Unflexibler »One-Size-Fits-All-«Ansatz
In ihrer Reaktion kritisieren die KleinbauernvertreterInnen und die zivilgesellschaftlichen Gruppen, dass das Protokoll nicht geeignet ist, weder auf die Bedürfnisse der einzelnen SADC-Staaten noch deren FarmerInnen zu reagieren. Insbesondere der als unflexibel und restriktiv angesehene »One-Size-Fits-All«-Ansatz, der hier zugrundeliegt, verhindert national angepasste Regelungen. Die landwirtschaftlichen Systeme der 15 SADC-Mitglieder besitzen unterschiedliche Ausprägungen, denen im Entwurf keine Rechnung getragen wird. Während Länder wie Südafrika und Namibia von einer dualen kommunalen und kommerziellen Landwirtschaft gekennzeichnet sind, sind in anderen Ländern unterschiedliche kleinbäuerliche Systeme vorherrschend. Auch das Ausmaß von Unterernährung und die Instrumente der Hungerbekämpfung sind zum Teil sehr unterschiedlich. Daher ist es aus Sicht der Kritiker unverständlich, dass die SADC nicht die Möglichkeit berücksichtigt, national angepasste Plant Variety Protection (PVP)-Systeme zu etablieren. Als besonders fahrlässig wird angesehen, dass dem regionalen PBR-Büro die volle Autorität über die Vergabe von Rechten gegeben werden soll.

Kritisiert wird, dass nach dem Draft Protocol das Landwirteprinzip deutlich eingeschränkt würde. Dabei werden zwischen 80 Prozent bis zu 100 Prozent des genutzten und gezüchteten Saatgutes durch informelle und bäuerliche Systeme und Netzwerke - eben das Landwirteprinzip - gehandelt und getauscht. Eine Umsetzung des Protokolls würde gelebte Praktiken verbieten. Formulierte Ängste umfassen den Missbrauch genetischer Ressourcen und traditionellem Wissen.

Ein weiterer vorgebrachter Kritikpunkt ist die mangelhafte zivilgesellschaftliche Einbeziehung in den Erarbeitungs- und Entscheidungsprozess des Draft Protocols. Es herrscht Unwissen, wie das Protokoll entstanden ist, unter welchen Bedingungen, welche Daten und Wirkungseinschätzungen vorgenommen wurden Nach Meinung der Zivilgesellschaft wird das vorliegende Draft Protocol kleinbäuerliche FarmerInnen und Haushalte, die die Mehrheit in der SADC-Region darstellen, negativ beeinflussen, Ernährungssicherheit bedrohen und Agrarbiodiversität reduzieren. Da das Draft Protocol nach dem UPOV 1991 ausgerichtet ist, welches von den Industrienationen diktiert und beeinflusst ist, werden Bedürfnisse und Bedingungen der afrikanischen Staaten nicht berücksichtigt.


Forderungen
Aufgrund der Kritikpunkte fordern die zivilgesellschaftlichen Gruppen, dass das Protokoll fallengelassen wird. Dagegen soll regional reguliert werden, eben nach den Besonderheiten jedes Landes, unter der Berücksichtigung der Farmers' Rights. Wirkungsstudien sollen die Auswirkungen von Gesetzen auf KleinbäuerInnen untersuchen. Es müssen Konsultationen mit den betroffenen FarmerInnen, Farmbewegungen und der Zivilgesellschaft stattfinden.

In einer ersten Reaktion der SADC wird Verhandlungsbereitschaft signalisiert und es wird deutlich, dass der Prozess noch offen ist. Obwohl die öffentlich geäußerte Kritik nicht auf Wohlwollen gestoßen ist, will man sich dem Dialog mit der Zivilgesellschaft öffnen. In der Hoffnung, dass ein besseres Ergebnis für alle Beteiligten entsteht.


Autor Andreas Bohne ist Projektmanager Afrika bei Solidaritätsdienst-international e.V. (SODI).


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2013, S. 23-24
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. August 2013