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LANDWIRTSCHAFT/075: Peru - Klimawandel gefährdet Kartoffelvielfalt und Ernährung der Quechua (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. Dezember 2014

Peru: Klimawandel gefährdet Kartoffelvielfalt und Ernährung der Quechua

von Fabíola Ortiz


Bild: © Fabíola Ortiz/IPS

Eine Gruppe indigener 'Hüter der Kartoffel' in einem 9.200 Hektar großen Gebiet, das im peruanischen Tal Sagrado de las Incas liegt und als 'Kartoffelpark' bekannt ist
Bild: © Fabíola Ortiz/IPS

Pisac, Peru, 29. Dezember 2014 (IPS) - Im peruanischen Andengebirgstal Sagrado de los Incas, gut 3.000 Meter über dem Meeresspiegel, bauen die Quechua-Indianer seit jeher Kartoffeln an. Doch die seit Tausenden von Jahren kultivierten Knollengewächse werden durch den Klimawandel in ihrer Existenz bedroht, und die Indigenen fürchten um ihre Ernährungssicherheit.

"Im September hat die Regenzeit begonnen. Die Wiesen müssten eigentlich grün sein. Doch leider hat es erst zwei bis drei Mal gegossen. Hinzu kommt die große Hitze. Sie macht uns Sorgen", berichtet der Agraringenieur Lino Loayza. "Sollte die Trockenheit anhalten, wird die Ernte im kommenden Jahr mager ausfallen."

Loayza koordiniert ein 9.200 Hektar großes und bis zu 4.500 Meter über dem Meeresspiegel gelegenes Gebiet, das in der Provinz Calca im südöstlichen Departement Cusco als 'Kartoffelpark' bekannt ist. Hier leben 6.000 Indigene der Volksgruppen der Amaru, Chawaytire, Pampallaqta, Paru Paru und Sacaca zusammen, ziehen Kartoffeln, pflegen ihre Traditionen und Riten und versuchen, die örtliche Vielfalt zu schützen.

In dem 2002 mit Unterstützung der Andenvereinigung entstandenen Mosaik aus Feldern wachsen 1.460 Kartoffelsorten. Nirgendwo sonst auf der Welt sind so viele Varietäten an einem Ort anzutreffen. Das Schutzgebiet im Sagrado-de-los-Incas-Tal ist von imposanten Bergen umgeben, die die Indigenen als 'Apus' (Berggottheiten) verehren.

Bild: © Fabíola Ortiz/IPS

Der untere Teil des Kartoffelparks in Parte im Gemeindebezirk Pisac im peruanischen Departement Cusco
Bild: © Fabíola Ortiz/IPS

"Inzwischen wissen die Menschen um die Gefahren, die vom Klimawandel ausgehen. Sie machen sich Gedanken über ihr künftiges Leben, über die Zukunft der Familien. Wie wird das Wetter sein? Wird es genug Nahrungsmittel geben?", berichtet der Dorfvorsteher Lino Mamani, ein 'papa arariwa', wie die Hüter der Kartoffeln in der Sprache der Quechua genannt werden.


Anbau in immer höheren Lagen

Denjenigen, die an der Existenz des Klimawandels zweifeln, empfiehlt der 50-Jährige, in die peruanischen Anden zu kommen, um sich selbst ein Bild von den Veränderungen zu machen. "Die Pachamama ('Mutter Erde') beunruhigt das, was sie ertragen muss. Für uns heißt es, den Anbau unserer Feldfrüchte in immer höhere Regionen zu verlagern, bis es irgendwann einmal nicht mehr geht."

Mit dem Anstieg der Temperaturen nehmen auch die Pflanzenschädlinge und -krankheiten zu. Um die Kartoffeln vor solchen Plagen zu schützen, hatten die Indigenen sie vor 30 Jahren in einer Mindesthöhe von 1.000 Metern angepflanzt.

Die Quechua bekommen die Folgen des Klimawandels bereits seit 15 Jahren zu spüren. "Einst zeigte uns die Natur, welche landwirtschaftlichen Maßnahmen wann zu ergreifen waren", erläutert Mamani. "Doch inzwischen ist Pachamama verwirrt. Wir können die Zeichen, die uns die Pflanzen und Tiere geben, nicht mehr richtig deuten." Zudem werden die Böden immer trockener und die Reifezeit der Kartoffeln hat sich von fünf bis sechs Monaten auf vier verkürzt.

"Die Kartoffeln beeinflussen unseren Lebensstil, unsere Ernährung, Kultur und Spiritualität. Kartoffeln sind heilige Pflanzen, es ist wichtig, dass wir wissen, wie wir mit ihnen umzugehen haben. Sie ernähren uns und verbinden sich und uns mit dem Leben", fügt der papa arariwa hinzu. Mamani lebt in der Ortschaft Pampallaqta. Allein auf seiner knapp einen Hektar großen Farm wachsen 280 Kartoffelsorten, von denen die meisten in großer Höhe angebaut werden.

Doch die Klimaveränderungen setzen nicht nur den Kartoffeln zu. Auch andere traditionelle Feldfrüchte wie Bohnen, Gerste, Quinoa und Mais sind betroffen. "Wir brauchen Hilfe bei der Klimaanpassung", betont Mamani.


Mit Innovation Verluste kompensieren

Der Kurator der Genbank des Internationalen Kartoffelzentrums (CIP) mit Sitz in Lima, Rene Gómez, sieht für die Andenkartoffeln angesichts der sich immer mehr in die Länge ziehenden Dürren und hohen Temperaturen, denen sich heftige Kälteeinbrüche anschließen, düstere Zeiten aufziehen.

"Ich gehe davon aus, dass es bald keine Stellen mehr geben wird, die sich zum Anbau von Kartoffeln eignen", befürchtet er. Da sich der Klimawandel nicht aufhalten lasse, sei es an der Zeit, über alternative Anbauprodukte nachzudenken. Schon jetzt ist es so, dass sich der Kartoffelanbau 3.800 Meter über dem Meeresspiegel nicht mehr rentiert. Er sieht allerdings Auswege aus der Krise und berichtet von mindestens elf weiterentwickelten Sorten, die Dürren und Kälteeinbrüchen standhalten können.

Darüber hinaus ist ein wissenschaftliches Experiment zum Verhalten von Kartoffeln in 4.450 Metern Höhe über dem Meeresspiegel angelaufen, die jährlichen Niederschlägen von 200 Millimeter ausgesetzt sind.

Die einheimischen Kartoffelsorten können Temperaturschwankungen von minus 2,8 Grad bis plus 40 Grad Celsius verkraften. Allerdings ist es ihnen angesichts derartig extremer Unterschiede nicht mehr möglich, ihre Eigenschaften beizubehalten. Damit die Tuberkel ihre Wirkstoffe nicht verlieren, sollten sich die Temperaturschwankungen auf vier bis zwölf Grad Celsius beschränken.

Zur Rettung der Andenkartoffeln formiert sich derzeit eine Allianz aus Wissenschaftlern und Indigenen, die Innovation und traditionelles Wissen zusammenbringen wollen. Bündnispartner sind die Andenvereinigung, das CIP und das Programm zur Erforschung von Klimawandel, Landwirtschaft und Ernährungssicherheit des Konsortiums der internationalen Zentren für landwirtschaftliche Forschung.

Während man derzeit in größeren Höhen nach einem neuen Habitat für die Kartoffeln sucht, erhalten die Bauern Hilfestellung bei der Klimaanpassung. Die indigenen Familien wiederum versuchen mit unterschiedlichen traditionellen Techniken Agrarerzeugnisse wie Speisestärke herzustellen und bitteren Knollensorten nach alter Inka-Art das Wasser zu entziehen, damit sie zehn Jahre lang konserviert werden können.

Die Indigenen beklagen, dass viele ihrer jungen Männer auf der Suche nach Arbeit die Dörfer verlassen müssen. Ihre einstigen Pflichten und die landwirtschaftlichen Arbeiten gehen auf die Frauen über. "Doch unsere größte Sorge gilt der Frage, ob wir in der Zukunft genug zu essen haben", meint der Indigene Elisban Tacuri.

Wie die Quechua Ancelma Apaza gegenüber IPS erläutert, wird es immer schwieriger zu entscheiden, welche Agrarprodukte in welchen Mengen gespeichert werden, damit die Familien das ganze Jahr über versorgt sind. "Wir Frauen beteiligen uns an der Produktion und der Lagerung unserer Nahrungsmittel. Doch inzwischen fällt es uns immer schwerer zu entscheiden, wie viel wir für den Fall zurückbehalten, sollten die Ernten mager ausfallen."

Im Kartoffelpark kämpft man darum, die überlieferten Ernährungsgewohnheiten beizubehalten. Doch den Indigenen bleibt nichts anderes übrig, als ihren Speiseplan mit Industrieprodukten zu erweitern.

Um den Reichtum an heiligen Knollen nicht zu gefährden, haben die Indigenen Speicher in ihren Gemeinden angelegt, in denen sie die Kartoffeln und das Saatgut lagern. Seit 2011 verfügen sie über einen Raum, der 8.000 Kilo Kartoffeln fasst. Er wird 'Papa Takena Wasi' genannt - in der Sprache der Quechua bedeutet 'papa' Kartoffel, 'takena' aufbewahren und 'wasi' Ort.

"Hier lagern wir die kulturell hochwertigen Kartoffeln und das Saatgut, das wir an diejenigen Gemeinschaften weitergeben, die es brauchen", erläutert Mariano Apukusi, ein weiterer Hüter der Kartoffeln. (Ende/IPS/kb 2014)


Link:

http://www.ipsnoticias.net/2014/12/el-clima-amenaza-a-la-papa-y-a-los-quechuas-en-andes-peruanos/

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IPS-Tagesdienst vom 29. Dezember 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Dezember 2014


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