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LATEINAMERIKA/022: Kuba - Genmais-Anbau erstmals öffentlich kritisiert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Oktober 2010

Kuba:
Genmais-Anbau erstmals öffentlich kritisiert - Forscher fürchten Verlust der Biodiversität

Von Patricia Grogg(*)


Havanna, 6. Oktober (IPS) - Seit zwei Jahren wird in mehreren Provinzen Kubas Genmais angebaut. Agrarexperten warnen nun erstmals öffentlich davor, dass transgene Kulturen die Artenvielfalt erheblich gefährden. Die Anwendung von Gentechnik stehe zudem im klaren Widerspruch zu den bisher von der Regierung vorangetriebenen Modellen zur landwirtschaftlichen Entwicklung, sagte der Agrarökologe Fernando Funes-Monzote im Interview mit IPS.

Funes-Monzote hatte im September ein Treffen koordiniert, auf dem Gentechnik-Gegner mit Vertretern von Behörden sprachen, die Lizenzen für den Anbau genetisch modifizierter Nahrungsmittel vergeben. Die skeptischen Wissenschaftler forderten, den Gen-Anbau solange auszusetzen, bis umfassende Informationen über die Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit vorlägen.

Beobachtern zufolge hat die Regierung des Karibikstaates damit zum ersten Mal Forschern Gelegenheit dazu gegeben, ihre Skepsis gegenüber Gentechnik in einem offiziellen Rahmen vorzubringen.

Wie Funes-Monzote erklärte, gab es bereits vor Beginn des Genmais-Anbaus 2008 größere Bedenken. Das Thema sei jedoch totgeschwiegen worden, kritisierte er. Nach einem Feldversuch wurde die genmodifizierte Mais-Varietät FR-Bt1 zunächst auf einer Fläche von 50 Hektar angepflanzt. Ein Jahr später erstreckten sich die Kulturen bereits auf rund 6.000 Hektar. Dieser Mais ist resistent gegen die Mottenart 'Spodoptera frugiperda' und Herbizide.


Nachweise für Unbedenklichkeit fehlen

"Bis dahin dachte man, dass an gentechnisch veränderten Organismen so lange in Labors gearbeitet wird, bis es Beweise dafür gibt, dass sie für Mensch und Umwelt unschädlich sind", erklärte der Experte. Diese Fakten lägen aber noch nicht vor. "Ein Moratorium würde uns daher nötige Zeit geben, um bessere Entscheidungen zu treffen und die gesamte Gesellschaft an der Entwicklung teilhaben zu lassen. Wer meint, dies sei nur ein Problem für die Wissenschaft, täuscht sich."

Die Genmais-Landwirtschaft in Kuba beinhalte auch politische Risiken, gab er zu bedenken. Das Land werde nun weltweit als Förderer von Gentechnik betrachtet, die von fortschrittlichen Kräften abgelehnt werde. Funes-Monzote wies darauf hin, dass die staatliche Lizenz für den Genmais-Anbau in Kürze auslaufe. Dies sei ein günstiger Moment, um kritisch über den Erhalt und die weitere Expansion der Kulturen nachzudenken.

In welchem Maß die Anbauflächen in diesem Jahr vergrößert werden sollten, sei bislang nicht offiziell bekannt gegeben worden, sagte er. Die Lizenz sehe vor, dass FR-Bt1 von der Hauptstadt Havanna bis nach Camagüey, also über eine Distanz von mehr [als] 500 Kilometern, gezüchtet werden könne.

Der Forscher kritisierte, dass man zurzeit aber nicht einmal wisse, wie groß die tatsächlichen Kulturen seien. "In diesem Prozess fehlt es zweifellos an Transparenz. Das geht die gesamte Gesellschaft etwas an."

Aus eigener Beobachtung konnte Funes-Monzote bestätigen, dass bei Genmais-Pflanzungen in der zentralkubanischen Provinz Sancti Spiritus biologische Sicherheitsmaßstäbe nicht eingehalten wurden. "Die Technologie wird nicht so angewendet, wie ursprünglich geplant", berichtete er. "Damit wird der Anbau traditioneller Maissorten gefährdet."


Bauern mit Gen-Anbau überfordert

Viele Bauern seien außerdem nicht ausreichend auf den Genmais-Anbau vorbereitet worden, bemängelte Funes-Monzote. Die vom Nationalen Zentrum für Biologische Sicherheit aufgestellten Regeln würden vielfach außer Acht gelassen. Dadurch bestehe das große Risiko, dass die Artenvielfalt abnehme und sich die traditionellen Kulturen nicht richtig an die Auswirkungen des Klimawandels anpassen könnten. (Ende/IPS/ck/2010)


Anmerkung:
(*) Dieser Beitrag ist Teil einer Serie von IPS und der 'International Federation of Environmental Journalists' (IFEJ) zum Thema nachhaltige Entwicklung.
http://www.ifej.org


Links:
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=96574

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2010