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LATEINAMERIKA/116: Honduras - 24 Stunden Strom aus Wasserkraft, Fischerdorf wird zum Umweltpionier (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. Oktober 2015

Honduras: 24 Stunden Strom aus Wasserkraft - Fischerdorf wird zum Umweltpionier

von Thelma Mejía


Bild: © Thelma Mejía/IPS

Das Fischerdorf Plan Grande im nordhonduranischen Departement Colón
Bild: © Thelma Mejía/IPS

PLAN GRANDE, HONDURAS (IPS) - Ein kleiner Fischerort an der Karibikküste von Honduras ist zum Vorreiter im Umgang mit sauberem Strom geworden. Ein von der Dorfgemeinschaft selbst entwickeltes Wasserkraftprojekt macht nicht nur teure und umweltbelastende Energieträger verzichtbar, sondern ermöglicht darüber hinaus auch eine Versorgung rund um die Uhr.

Plan Grande im Verwaltungsbezirk Santa Fe im nördlich gelegenen Departement Colón erreicht man nur über das Meer. Vorher muss man von der Hauptstadt Tegucigalpa aus mit dem Auto eine etwa 400 Kilometer lange Wegstrecke bewältigen, um Río Coco zu erreichen, von wo aus man schließlich per Boot ans Ziel gelangt. Die Überfahrt dauert etwa 20 Minuten.

Das Dorf Plan Grande, in dem etwa 500 Menschen leben, liegt auf einer großen Klippe über dem Karibischen Meer. Die Bewohner leben ausschließlich von Fischfang und der Landwirtschaft. Sie benötigen eine geregelte Stromversorgung, um den Fisch zu kühlen und zu einem angemessenen Preis verkaufen zu können. "Früher war es schwierig, gute Preise zu erzielen", sagt Oscar Padilla, einer der treibenden Kräfte hinter der Elektrifizierungsinitiative.


Thermische Energie schmutzig und teuer

Im Jahr 2004 gingen in Plan Grande dank Unterstützung aus Spanien zum ersten Mal die Lichter an. Die Wärmekraft, die das Dorf bezog, war allerdings ziemlich teuer. Für drei Stunden pro Woche, in denen der Gemeinschaft Elektrizität zur Verfügung stand, zahlte jeder Haushalt im Durchschnitt umgerechnet zwischen 13 und 17 US-Dollar. "Für Fernseher oder private Kühlschränke reichte es damals nicht", erinnert sich der 65-jährige Padilla.


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Oscar Padilla, der sich an vorderster Front für Strom in Plan Grande einsetzt
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Vor vier Jahren entschieden sich die Bewohner von Plan Grande für Wasserkraft, nachdem sie Besuch von Technikern des 'Small Grants Program' (SGP) bekommen hatten. PPD wird von der Globalen Umweltfazilität (GEF) und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) gefördert. Die Experten schlugen ein kommunales Wasserkraftwerk vor.

Auf diese Weise entwickelte Plan Grande ein eigenes nachhaltiges Projekt für erneuerbare Energien. Mit den vom SGP bereitgestellten 30.000 Dollar und dank der Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sowie der Honduranischen Stiftung für Agrarforschung wird eine dauerhafte Stromversorgung sichergestellt. Kerzen und thermische Energien sind in Plan Grande seither passé.


Sparsamer Umgang mit Strom

"Jetzt haben wir 24 Stunden am Tag Strom für Kühlschränke, Gefriertruhen, Ventilatoren und Fernseher. Allerdings rationieren wir unseren Strom nach einem Schema, das wir selbst erarbeitet haben", sagt Edgardo Padilla, ein 33-jähriger Fischer, der die Funktionsweise des Mini-Kraftwerks überwacht. "Ansonsten würde die Nachfrage rasch ins Uferlose steigen, und wie hätten bald wieder Probleme."


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Edgardo Padilla, der den Betrieb des kleinen Wasserkraftwerks in Plan Grande überwacht
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Die Bewohner von Plan Grande haben genau festgelegt, wie lange sie etwa vor dem Fernsehen sitzen und ihre Ventilatoren anstellen dürfen. Der Betrieb der Kühlgeräte beschränkt sich auf die Zeit zwischen 22 Uhr bis sechs Uhr, weil dann die Stromnachfrage niedrig ist. "In dieser Zeitspanne dürfen keine energieintensiven Klimaanlagen betrieben werden. Licht und Gefriertruhen müssen in den Energiesparmodus versetzt werden", berichtet Padilla.

Über das Finanzielle gibt der Fischer gern Auskunft. "Der Ökostrom kostet uns bestenfalls nur noch vier Dollar." Wer viele Geräte - wie Kühlschrank, Ventilator, Computer und Gefriertruhe - in Betrieb hat, zahlt elf Dollar. Den Familien, die nur einen Ventilator und einen Fernseher haben, werden sechs Dollar berechnet. Am günstigsten kommen mit vier Dollar die Haushalte weg, die Strom nur zur Beleuchtung nutzen.

Das kleine Wasserkraftwerk ist etwa 2,5 Kilometer von dem Dorf entfernt. Der Fußweg dorthin verläuft durch einen 300 Hektar großen Wald, der sich entlang der Ufer des Matías-Flusses erstreckt. In dem Kraftwerk werden 16,5 Kilowattstunden Strom erzeugt.

Die Einwohner von Plan Grande haben außerdem ein Projekt zum Schutz der lokalen Gewässer entwickelt und Überwachungskameras installiert. Auf diese Weise können sie illegale Holzfäller aufspüren und gewinnen einen Überblick über die Tiere in dem Gebiet.


Baumschule soll Überleben des Waldes sichern

Belkys García kümmert sich um einen Baumschule, die vor einem Jahr angelegt wurde. Die dort wachsenden Pinien und andere Bäume sichern den Erhalt des Waldes und decken zugleich den lokalen Bedarf an Nutzholz. García koordiniert den Einsatz von Teams aus Dorfbewohnern, die sich an der Wiederaufforstung beteiligen.


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Belkys García ist verantwortlich für die Baumschule von Plan Grande
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Drückeberger haben bei ihr keine Chance. "Wer an den Tagen, an denen er für Arbeiten in der Baumschule oder für die Reinigung der Wege eingeteilt ist, einfach nicht erscheint, muss eine Strafe zahlen", erklärt die 27-Jährige. Durch den Verkauf von tropischen Früchten wie Rambutan wollen García und ihre Nachbarn zusätzliche Einkünfte erwirtschaften.

Der Bürgermeister von Santa Fe, Noel Ruiz, findet die Initiative höchst anerkennenswert. "Mit ihrem Umstieg auf saubere Energiequellen werden die Dorfbewohner für ganz Honduras zu Vorbildern."

In dem zentralamerikanischen Land mit etwa 8,8 Millionen Einwohnern liegt die Energienachfrage bei rund 1.375 Megawatt pro Stunde. 60 Prozent des Stroms werden von dem staatlichen Energieversorger 'Empresa Nacional de Energia Eléctrica' produziert. Der übrige Teil kommt von privaten Firmen oder wird aus anderen Ländern in der Region importiert.

Bis zum Jahr 2010 wurde der nationale Strombedarf zu 70 Prozent mit Hilfe von Wärmekraftwerken gedeckt. Heute generieren sie nur noch 51 Prozent der Nachfrage, der Rest wird aus den erneuerbaren Energien Wasser- und Windkraft sowie Biomasse gedeckt. (Ende/IPS/ck/01.10.2015)


Link:

http://www.ipsnoticias.net/2015/09/comunidad-hondurena-dice-adios-a-las-velas-y-a-la-energia-sucia/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 1. Oktober 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Oktober 2015

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