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MEER/037: Tiefseefischerei ruiniert Ökosysteme - UN-Resolutionen kaum befolgt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. September 2011

Umwelt: Tiefseefischerei ruiniert Ökosysteme - UN-Resolutionen kaum befolgt

Von Elizabeth Whitman


New York, 20. September (IPS) - Die Grundschleppnetzfischerei gefährdet die Ökosysteme in Tiefseegebieten. Wie Experten kürzlich auf einem Treffen am Sitz der Vereinten Nationen in New York warnten, vernichten diese Fangpraktiken den Lebensraum tausender Arten.

Die jüngsten internationalen Anstrengungen zur Schadensbegrenzung hätten kaum etwas bewirkt, kritisierten sie. Es werde Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte dauern, bis sich die empfindlichen Meeresökosysteme regeneriert hätten.

In den vergangenen fünf Jahren hat die UN-Vollversammlung zwei Resolutionen zum Schutz von Tiefseegebieten und ihrer einzigartigen Biodiversität verabschiedet. Viele Länder setzen sich jedoch nach wie vor über die 2006 und 2009 akzeptierten Vereinbarungen hinweg.

Wissenschaftler beanstanden, dass die Resolutionen unvollständig umgesetzt werden und in der Tiefsee nicht nachhaltig gefischt werde. In der 2006 verabschiedeten Resolution wurden regionale Fischereiverbände aufgefordert, Gebiete zu benennen, die der Grundschleppnetzfischerei besonders schutzlos ausgesetzt seien. Bestimmte Zonen sollten nötigenfalls für den Fischfang gesperrt werden, hieß es. Drei Jahre später wurden die Verbände dazu ermahnt, frühere Maßnahmen umzusetzen. Dies zeigte, dass nicht die erwarteten Fortschritte erreicht worden waren.


Koalition kritisiert fehlende Reglementierungen

Kürzlich verbreitete das unabhängige Umweltbündnis 'Deep Sea Conservation Coalition' (DSCC) einen Bericht, in dem die unvollständige Umsetzung der Resolutionen und fehlende Reglementierungen kritisiert wurden. Vor allem im Nordostatlantik werde nicht korrekt über die Fangmengen Bericht erstattet.

Mehr als 95 Prozent aller auf dem Meeresgrund gefangenen Fische im Atlantik, Pazifik und Indischen Ozean landen in den umstrittenen Bodennetzen. In den internationalen Gewässern im Umkreis der Antarktis ist die Bodennetzfischerei bereits verboten. Im nordöstlichen Atlantik wird in einer Tiefe von 400 bis 1.700 Metern Fischfang betrieben. Licht dringt nur bis etwa 200 Meter durch.

Von dem Schiff aus werden die trichterförmigen Grundschleppnetze in die Tiefe herabgelassen. In manchen Fällen wird etwa die Hälfte der Fische, die sich in den Netzen verfangen, wieder ins Meer geworfen. Nach Einschätzung von Wissenschaftlern haben diese Fische keine Überlebenschance.

Studien zufolge sind vor der Küste Irlands die Fischbestände in einer Tiefe bis 1.500 Metern um 70 Prozent zurückgegangen. Auch in 2.500 Meter Tiefe wurde bereits ein Rückgang der Bestände verbucht. Phil Weaver vom Nationalen Zentrum für Ozeanografie im britischen Southampton erklärte auf der Tagung am UN-Sitz am 15. September, dass ein Gebiet betroffen sein könne, das drei Mal so groß sei wie die tatsächliche Fangzone.

Tiefseefischerei "zerstört die komplexen Habitate auf dem Meeresgrund", warnte auch Alex Rogers von der Universität Oxford im Gespräch mit IPS. Rogers erkennt eine Kettenreaktion: Wenn Korallen eingehen, weil ihr Habitat zerstört wurde, verlieren auch andere Arten ihr natürliches Lebensumfeld.


Anteil von Tiefseefisch in EU gering

In der Europäischen Union wurden 2008 etwa 43.000 Tonnen Fisch in der Tiefsee gefangen. Das entsprach allerdings nur 1,8 Prozent der gesamten in der EU gehandelten Menge. Laut Rogers ist Tiefseefischerei aber selbst dann noch profitabel, wenn sie in kleinem Maßstab betrieben werde.

Nach Schätzungen von Wissenschaftlern kommen in den Tiefen der Ozeane die meisten der etwa 75.000 bislang unerforschten Arten vor. Dort befinden sich außerdem Korallenriffe, die zum Teil bis zu 8.500 Jahre alt sind. Tiefseefische sind gefährdeter als Fische, die in weniger tiefen Gewässern leben. Sie wachsen langsamer und vermehren sich erst spät. Einige Spezies können 150 Jahre alt werden. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
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http://savethedeepsea.blogspot.com/2011/09/unfinished-business-review-of.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. September 2011