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MEER/119: Im Lärm ertrinken (OceanCare)


Im Lärm ertrinken

Aufruf für internationale Massnahmen zum Schutz der Meeresfauna



Unterwasserlärm - ein wachsendes Problem

Der anthropogene (menschengemachte) Lärm in den Meeren nimmt in erschreckendem Maße zu. Gebietsweise verdoppelte sich der Lärmpegel in jedem Jahrzehnt während der letzten 60 Jahre. Gleichzeitig mehren sich die Hinweise, dass der zunehmende Lärm die Meeresökosysteme, Meeressäuger, Fische und andere Meerestiere stark gefährdet.

Meerestiere nutzen Schall zur Orientierung, Nahrungssuche, Kommunikation, Partnersuche und Feindvermeidung. Wird ihre Welt mit intensivem Lärm überschwemmt, sind die Konsequenzen für diese lebenswichtigen Aktivitäten gravierend. Immer mehr wissenschaftliche Studien bestätigen die negativen Auswirkungen von anthropogenem Lärm auf Fische, Meeressäuger und andere Meerestiere. Die Folgen reichen von Störung über Verletzung bis zum Tod.

In der wissenschaftlichen Literatur sind für mindestens 55 Arten negative Auswirkungen durch intensiven bzw. durch moderaten Unterwasserlärm beschrieben. Lärm kann auch andere Umweltgefahren verstärken, z.B. indem er die akustischen Signale maskiert, die ein Tier einsetzen könnte, um Schiffen oder Fischernetzen auszuweichen. Lokalisierung und Fang von Beutetierarten, die bereits durch Überfischung dezimiert wurden, kann durch anthropogenen Lärm weiter erschwert werden.



Folgen des Lärms für die Fischerei

Mit dem Wachstum der Weltbevölkerung steigt auch die Bedeutung des Beitrags der Fischerei zur Wirtschaftsleistung und Ernährungssicherheit eines Landes. Laut FAO hat Fisch derzeit einen Anteil von 16,5% am weltweit konsumierten Tierprotein, beim Gesamteiweiß sind es 6,4%. Anthropogene Lärmverschmutzung der Meere ist eine unmittelbare Gefährdung dieser Nahrungsquelle und der Fischereiwirtschaft. Dieser Bedrohung wurde aber bisher, trotz der vorliegenden Informationen, nicht die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet.

Wissenschaftliche Studien aus drei Jahrzehnten zeigen, dass intensiver Lärm in den Meeren Fischen, und damit auch der Fischerei, schadet. Zu den bisher für 21 Fischarten beschriebenen schädlichen Folgen zählen:

  • starke Schäden am Hörvermögen von Fischen
  • um 40-80% herabgesetzte Fangraten sowie geringere Mengen an Fisch in der Nähe seismischer Untersuchungen bei Kabeljau, Schellfisch, Rotbarsch, Hering, Sandaalen und Blauem Wittling
  • Störung der Schulenstruktur, des Schwimmverhaltens und möglicherweise auch der Wanderungen des Blauflossen-Thuns
  • Ausschüttung von Stresshormonen bei verschiedenen Fischarten in Gegenwart von Schiffslärm
  • Änderungen der Genexpression im Gehirn von Dorschen, die Airguns ausgesetzt waren
  • signifikante Zunahme der Herzfrequenz embryonaler Clownfische bei Lärmexposition
  • Meideverhalten von Lodden und Aalen gegenüber Lärm, was wichtige Ereignisse im Lebenszyklus der Arten beeinträchtigen kann

Neben Fischen sind auch kommerziell genutzte Wirbellose von schädlichen Auswirkungen des Lärms betroffen, wie z.B.:

  • Verminderung von Wachstum und Fortpflanzung von Garnelen
  • Organverletzungen, missgebildete Ovarien, verminderte Larvengröße, Entwicklungsverzögerung und Stress bei Schneekrabben
  • erhöhter Nahrungsbedarf und histochemische Veränderungen bei Hummer

Anthropogener Lärm kann sich im Meer über hunderte Kilometer ausbreiten. Unregulierte Lärmerzeugung kann daher enorme Auswirkungen sowohl auf die kommerzielle Fischerei als auch auf lokale Fischergemeinden haben, mit erheblichen Folgen für die Volkswirtschaft. Geschätzte 43,5 Mio. Menschen sind in der Fischerei und der Aquakultur voll- und teilzeitbeschäftigt, davon 86% in Asien. Weitere ca. 4 Mio. Menschen sind in diesem Sektor saisonal beschäftigt. Insgesamt sind die Arbeitsplätze von etwa 500 Mio. Menschen mit Fischerei und Aquakultur direkt oder indirekt verbunden. Die Entwicklungsländer erlösen jährlich 24,6 Mrd. Dollar aus Fischereiexporten und die Bedeutung dieses Sektors für Beschäftigung und Wachstum wird besonders in diesen Ländern weiter zunehmen. Damit verschärft sich auch die Übernutzung der Fischbestände.



Folgen des Lärms für Meeressäuger

In wissenschaftlichen Studien sind negative Folgen anthropogenen Lärms für eine Reihe von Meerestieren beschrieben, darunter zumindest 27 Arten von Meeressäugern. Zu diesen Effekten zählen:

  • Tod oder schwere Verletzung durch Blutergüsse im Gehirnbereich, in den Lufthöhlen, Lungen oder anderen Organen
  • Tod oder schwere Verletzung durch Embolien als Folge der Bildung von Stickstoffbläschen in der Blutbahn
  • zeitweiliger oder dauerhafter Gehörverlust und dadurch starke Störung lebenswichtigen Verhaltens, darunter Kommunikation, Feindvermeidung, Partnerwahl, Nahrungssuche und Vermeidung von Kollisionen mit Schiffen
  • Strandungen als Folge der oben genannten Faktoren
  • Meideverhalten, das zur Aufgabe von Lebensräumen oder Wanderrouten und zum Abbruch von Nahrungsaufnahme, Balz- und Aufzuchtverhalten führen kann
  • aggressives Verhalten und daraus resultierende Verletzungen
  • Maskierung biologisch wichtiger Geräusche, z.B. der Rufe von Fressfeinden oder potentiellen Partnern
  • Bestandsschwächung von Beutearten



Was verursacht den Lärm?

Zu den Quellen anthropogenen Unterwasserlärms zählen Sprengungen, ozeanographische und geophysikalische Untersuchungen, UnterwasserBauarbeiten, Schiffsverkehr, aktive militärische Sonare, Druckluftkanonen (Airguns) für die Öl- und Gasexploration sowie Ölbohrungen.

Sprengstoffe
Die Zündung von Sprengstoffen im Meer erfolgt durch Militär, Forscher oder die Öl- und Gasindustrie, vor allem für Infrastruktur-Abwrackung, seismische Explorationen und Materialtests, z.B. wenn Schiffe mit Sprengstoffen auf ihre Widerstandsfähigkeit getestet werden. Die Explosionen durch diese chemischen Sprengstoffe erzeugen extrem starken Lärm in einem breiten Frequenzbereich und sind durch hohe Anstiegsgeschwindigkeiten charakterisiert.

Seismik-Airguns
Airguns werden in erster Linie für die Öl- und Gassuche sowie zu Forschungszwecken eingesetzt. Sie erzeugen Schall, indem sie Luftpulse von 20 bis 30 Millisekunden Dauer mit sehr hohem Druck Richtung Meeresboden abgeben, wobei bis zu 20 Druckluftkanonen gleichzeitig abgefeuert werden. Seismische Schalldruckwellen aus Airguns können nach ihrem Weg durch hunderte oder tausende Meter Wassersäule noch dutzende bis hunderte Kilometer tief in die Erdkruste eindringen. Das Echo wird mit Hydrophonen aufgezeichnet. Solche seismische Untersuchungen können viele Wochen lang dauern, wobei jede Airgun alle ca. 10 Sekunden einen Knall abgibt, und das oft 24 Stunden am Tag.

"Die Faktenlage, dass Sonare Walstrandungen verursachen, ist unserer Ansicht nach völlig überzeugend. Es ist eine wichtige Frage, wie künftige Strandungsereignisse bestmöglich verhindert/minimiert werden können."
- Active Sonar Waveform, JSR-03-200, Juni 2004, im Auftrag des U.S. Naval Research

Da mittlerweile alle leicht erschließbaren Öl- und Gaslagerstätten ausgebeutet werden, verlagern sich die Airgun-Explorationen in immer schwierigere und sensiblere Gebiete. Wurde früher nur ein Schiff eingesetzt, sind es heute oft mehrere Schiffe, die Airguns im selben Gebiet abfeuern (z.B. für verschiedene Azimute). Das erzeugt lautere und komplexere Lärmfelder und erhöht damit die Gefährdung der Meerestiere noch zusätzlich. Seismische Airguns erzeugen eine große Menge an höherfrequentem Schall (bis in den zweistelligen Kilohertz-Bereich), der für die Untersuchung nicht nutzbar ist (alles über 100 Hz). Ihre Gefahr für das Leben im Meer besteht außerdem nicht nur in der Lautstärke, sondern besonders auch in der hohen Anstiegsgeschwindigkeit (Lautstärkenzunahme). Weniger gefährliche Alternativtechnologien sind vorhanden, z.B. "Marine Vibroseis", die mehr als 1000-mal leiser sein kann, keine hohe Anstiegsgeschwindigkeit aufweist und keine unnötigen Frequenzen erzeugt. Unter manchen Umweltbedingungen erzielt diese Technik auch bessere geophysikalische Daten als Airguns. Sie könnte in 1-2 Jahren kommerziell verfügbar sein, aber seitens der Behörden wird ihr Einsatz nicht verlangt.

Erneuerbare Energien
Die Nutzung erneuerbarer Energien in den Ozeanen ist eine aufstrebende Industrie mit neuen Techniken und oftmals unbekannten Konsequenzen für das Leben in den Meeren. Der kürzlich erschienene Bericht des UN-Generalsekretärs "Oceans and the law of the sea" (A/67/79) untersucht verschiedene ökologische und andere Probleme im Zusammenhang mit der Nutzung erneuerbarer Energien, darunter die "Tötung oder Verhaltensänderung von Fischen und Säugetieren durch Lärm und elektromagnetische Felder". Potentielle akustische Auswirkungen der marinen Energienutzung müssen daher wissenschaftlich untersucht werden, insbesondere da einige dieser Projekte tausende Quadratkilometer umfassen sollen. Es braucht eine wissenschaftliche Basis für die Beurteilung von Änderungen in der Verbreitung und im Verhalten von Arten als Folge kumulativer Effekte der marinen Energienutzung.

Militärsonare
Aktives Sonar wird bei militärischen Übungen und Routineaktivitäten eingesetzt, um Objekte unter Wasser aufzuspüren. Diese Mittel- und Tieffrequenz-Sonarsysteme senden in der Regel 100 Sekunden lange akustische Pulse aus, die möglichst viel Energie auf einen möglichst schmalen Bereich konzentrieren sollen. TieffrequenzSonare dienen zur Überwachung weiter Gebiete und erfüllen tausende Kubikkilometer Ozean mit Schall. Militärsonare können über viele Stunden eingesetzt werden, verwenden meist Frequenzen zwischen 0,1 und 10 kHz und erreichen mehr als 230 Dezibel.

Schiffsverkehr
Der Lärm von Schiffspropellern und -motoren liegt hauptsächlich im niedrigen Frequenzbereich zwischen 10 Hz und 1 kHz[1] und kann sich daher in alle Richtungen über enorme Distanzen ausbreiten. Diese Frequenzen werden aber auch von Bartenwalen, Delphinen, Robben und Fischen zur Kommunikation und für andere biologisch wichtige Aktivitäten genutzt. Mehr als 90 Prozent der weltweit gehandelten Güter werden mit Schiffen transportiert. Diese erzeugen unter Wasser einen zunehmenden und omnipräsenten akustischen "Nebel", der wichtige natürliche Geräusche maskiert und neben den seismischen Luftdruckkanonen heute der durchdringendste Lärm in den Ozeanen ist. Die meisten Schiffe sind umso lauter, je schneller sie fahren.

[1] Schall breitet sich in Wellen unterschiedlicher Frequenz aus (wahrgenommen als verschiedene Tonhöhen). Die Maßeinheit Hertz (Hz) bezeichnet die Zahl der Wellenzyklen pro Sekunde (1 Hz = 1 Zyklus/sek.).



Anthropogener Ozeanlärm ist LAUT

Schallenergie wird in Dezibel (dB) gemessen, relativ zur Hörschwelle des Menschen. Die Dezibel-Skala ist logarithmisch, d.h. 20 dB sind nicht doppelt so laut wie 10 dB, sondern haben die 10-fache Schallenergie, 30 dB die 100-fache. Der Supertanker in der Grafik erzeugt also 100 Mal mehr Schallenergie als der Tanker.


Vergleich von Schallquellen und ihrer Lärmpegel im Ozean

Schallpegel und -intensität im Ozean (dB re: 1µPa)

279 = 20 kg TNT
230-255 = Airgun-Sets
235+ = 53C Mittelfrequenzsonar
230+ = effektiver Quellpegel von Tieffrequenz-Sonarsystemen

190 = Supertanker (340 m)
169 = Tanker (135 m)
158 = Fisch-Trawler

146 = Maximal zulässige Belastung ziviler Taucher mit Niederfrequenz-Aktivsonar
136 = Ausweichverhalten bei 80% der wandernden Grauwale
125 = maximaler Jetski-Lärmpegel
116 = Ausweichverhalten von Grönlandwalen

55-85 = Ozean-Hintergrundpegel


Internationale Walfangkommission (IWC)
2004 konstatierte der IWCWissenschaftsausschuss überzeugende Beweise dafür, dass anthropogener Lärm sowohl regional als auch ozeanweit Meeressäuger-Populationen gefährden kann. Der Ausschuss rief folglich die Vertragsstaaten zur Zusammenarbeit auf, um ein Monitoring von Unterwasserlärm einzuführen und Lärmbilanzen für Meeresregionen zu erstellen. Lärm ist seither eines der Themen des Ausschusses und eine vorrangige Fragestellung der Meeressäugerforschung.

Europäisches Parlament und Europäische Union
Das Europäische Parlament verabschiedete 2004 eine Resolution, in der es die Mitgliedstaaten dazu auffordert, die Verwendung hochleistungsfähiger aktiver Sonare in ihren Hoheitsgewässern unverzüglich einzuschränken, bis eine umfassende Bewertung ihrer kumulativen Umweltauswirkungen auf Meeressäuger, Fische und sonstige Meereslebewesen abgeschlossen ist. Die EU griff dieses Thema 2008 in ihrer Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie auf, die damit als erste internationale Rechtsnorm explizit anthropogenen Unterwasserlärm in die Definition von Umweltverschmutzung einbezog (Art. 3, Z. 8). Gemäß Anhang I, Z. 11 der Richtlinie ist "die Einleitung von Energie, einschließlich Unterwasserlärm, ... in einem Rahmen, der sich nicht nachteilig auf die Meeresumwelt auswirkt", eines der Kriterien zur Festlegung des guten Umweltzustands, der bis 2020 zu erreichen ist. Der Beschluss der Kommission 2010/477/EU konkretisiert, dass lauter Impulslärm niedriger und mittlerer Frequenz sowie anhaltender Lärm niedriger Frequenz solche nachteilige Auswirkungen haben kann.

"Anthropogener Lärm ist jetzt als wichtiger Belastungsfaktor für das Leben in den Meeren anerkannt - als globales Problem, dem wir uns stellen müssen."
-Scientific Synthesis on the Impacts of Underwater Noise on Marine and Coastal Biodiversity and Habitats, 2012
(UNEP/CBD/SBSTTA/16/INF/12)


Übereinkommen zum Schutz der Wale des Schwarzen Meeres und des Mittelmeeres (ACCOBAMS)
Eine ACCOBAMS-Resolution aus dem Jahr 2004 anerkennt anthropogenen Lärm als gefährliche Form von Verschmutzung, die Wale und andere Meerestiere stören, verletzen und töten kann. Die Resolution fordert die Vertragsparteien dazu auf, anthropogenen Lärm in bestimmten Regionen zu vermeiden, das Thema zu erforschen (inkl. Alternativtechnologien) und die Verwendung der besten verfügbaren Technologien sowie andere Milderungsmaßnahmen zu verlangen. Eine Folgeresolution aus dem Jahr 2007 richtete eine Arbeitsgruppe ein, die Werkzeuge zur Beurteilung der Milderungsmaßnahmen und der Auswirkungen von Lärm auf Wale und Delfine entwickeln soll, und fordert von den Mitgliedstaaten die Einhaltung verschiedener Grundsätze zur Verminderung der Auswirkungen von Lärm. Eine weitere Resolution aus dem Jahr 2010 enthält Richtlinien zum Umgang mit den Auswirkungen anthropogenen Lärms auf die Wale und Delfine im ACCOBAMS-Gebiet.

Vereinte Nationen (UNO)
In seinem Bericht an die Generalversammlung im Jahr 2005 nannte der UN-Generalsekretär anthropogenen Unterwasserlärm als eine der fünf "derzeit größten Gefahren für einige Wal- und Delfinpopulationen" und eine der 10 "wichtigsten aktuellen bzw. absehbaren Belastungen der marinen Biodiversität" auf hoher See.

Die Generalversammlung verabschiedete eine Reihe von Resolutionen zum Thema Lärm, in denen sie zur "weiteren Untersuchung und Berücksichtigung der Auswirkungen von Unterwasserlärm" anregt (2005, 2006, 2007) und "die Abteilung Meeresangelegenheiten und Seerecht ersucht, die von den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten referierten Forschungsarbeiten zusammenzustellen und auf ihrer Website zugänglich zu machen" (2006, 2007, 2008 und 2009). Auch die Meeresresolutionen der Generalversammlung in den Jahren 2010 bis 2012 anerkennen Unterwasserlärm als Gefährdungsfaktor und unterstreichen die Wichtigkeit gründlicher wissenschaftlicher Forschung zu diesem Thema, während die Fischereiresolutionen dieser Jahre weitere Studien, auch seitens der FAO, über die Auswirkungen von Unterwasserlärm auf Fischbestände und Fangraten anregen.

International Maritime Organization (IMO)
Die IMO anerkannte die schädlichen Effekte von Schiffslärm in der 57. Sitzung ihres Ausschusses zum Schutz der Meeresumwelt (2008). Später wurde ein Arbeitsprogramm ins Leben gerufen, um Richtlinien für Technologien sowie mögliche Navigations- und Betriebsverfahren zu entwickeln, die den Schiffslärm vermindern. Bei der Sitzung im Jahr 2010 wurde beschlossen, diese Arbeit fortzusetzen und Leitlinien zu entwerfen, um "die nachteiligen Auswirkungen von Schiffslärm zu vermindern", und 2012 kam man überein, dass es technische Richtlinien brauche, die darauf abzielen, die Abgabe von Unterwasserlärm durch die kommerzielle Schifffahrt zu verringern.

Übereinkommen über die biologische Vielfalt
Bei der 10. Vertragsstaatenkonferenz in Nagoya, Japan, wurde Unterwasserlärm als Thema anerkannt, das nicht mehr nur als "neues und aufkommendes Problem" angesehen werden kann. Das Sekretariat des Übereinkommens wurde daher beauftragt, die vorliegenden wissenschaftlichen Informationen über anthropogenen Unterwasserlärm und dessen Auswirkungen auf Biodiversität und Lebensräume der Meere und Küsten zu sammeln und auszuwerten. Der entstandene zusammenfassende Bericht wurde bei der Folgekonferenz in Hyderabad, Indien, angenommen. Bei dieser Konferenz wurde festgehalten, dass anthropogener Lärm Meerestiere und -umwelt sowohl kurzfristig als auch langfristig beeinträchtigen kann, dass eine Verschärfung des Problems zu erwarten ist, und dass Lärmsteigerungen die Meereslebewesen zusätzlichem Stress aussetzen können. Die Vertragsparteien, andere Staaten und relevante Organisationen wurden angehalten, entsprechend ihren Prioritäten Maßnahmen zu ergreifen, welche die erheblichen negativen Auswirkungen des Unterwasserlärms auf die Biodiversität der Meere minimieren. Dazu zählen die besten verfügbaren Technologien und die besten Umweltverfahren, wo angemessen und nötig.



Handlungsbedarf

Da Unterwasserlärm eine Form der Umweltverschmutzung ist, die keine Grenzen kennt, müssen die Staaten gemeinsam aktiv werden, um die Lebewesen, Ökosysteme und Ressourcen der Meere vor seinen schädlichen Auswirkungen zu schützen. Wir rufen Staaten, zwischenstaatliche Organisationen und Nichtregierungsorganisationen zur Zusammenarbeit auf, um Folgendes zu erreichen:

Weitere Anerkennung anthropogenen Unterwasserlärms als Problem durch

  • UNO-Generalversammlung
  • Regionale Meeresabkommen
  • andere multilaterale Umweltabkommen und -organisationen
  • nationale Umweltgesetzgebung

Beurteilung der Auswirkungen von Unterwasserlärm

  • allgemein durch Einrichtung bzw. Fortführung entsprechender Gremien, z.B. der UN-Expertengruppen, um sicherzustellen, dass potentiell schädliche Aktivitäten des Menschen, inkl. Unterwasserlärm, einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden, in der auch kumulative und synergistische Effekte auf die marine Biodiversität erhoben werden; und
  • in Bezug auf die Fischerei durch Beauftragung geeigneter Stellen, z.B. des FAO Fisheries and Aquaculture Department, Studien über die sozioökonomischen Auswirkungen auf die kommerzielle Fischerei und lokale Fischergemeinden durchzuführen.

Verminderung der Auswirkungen anthropogenen Unterwasserlärms

  • indem durch Anwendung des Vorsorgeprinzips sichergestellt wird, dass sich die Lärmpegel in den Meeren nicht schädlich auf Meereslebewesen und Menschen auswirken;
  • indem wirksame Richtlinien entwickelt werden, um die Erzeugung intensiven Lärms in besonders bedeutenden Lebensräumen zu stoppen oder zu vermindern, z.B. in Biosphärenreservaten, UNESCO-Welterbestätten und Meeresschutzgebieten; und
  • indem alle erforderlichen Maßnahmen erwogen und ergriffen werden, um die Lärmverschmutzung der Meere zu verhindern, zu vermindern und zu regulieren

Beispiele für Massnahmen gegen anthropogenen Unterwasserlärm

  • Seismik-Unternehmen könnten verpflichtet werden, Airguns sukzessive durch Marine Vibroseis zu ersetzen, entsprechend den Ergebnissen von Umweltverträglichkeitsprüfungen.
  • Auf Schiffen könnte mit Sensoren am Rumpf verpflichtend der eigene Lärm gemessen werden, um zu erkennen, wie Wartung und Betriebsweise die Abgabe von Lärm beeinflussen.
  • Beim Design und Bau neuer Schiffe könnte die Abstrahlung von Lärm unter Wasser mitbedacht werden, bevorzugt mithilfe von Versuchsbecken, um Rumpf und Propeller so zu optimieren, dass das Nachstromfeld möglichst gleichmäßig ist.
  • Marineübungen könnten auf Meereswüsten beschränkt werden, wobei zuvor wissenschaftlich zu bestätigen ist, dass es sich tatsächlich um unproduktive Regionen handelt.
  • Für die Meeresregionen könnte die Einhaltung einer maximalen regionalen Lärmbilanz koordiniert werden, um das Meeresleben zu schützen.


Wachsender internationaler Konsens, Unterwasserlärm zu regulieren

Lärm ist zwar als Form von Umweltverschmutzung anerkannt, aber es gibt keine spezifische internationale Regulierung der Abgabe von Lärm in die marine Umwelt. In letzter Zeit erkennen aber immer mehr internationale Gremien die Gefährdung des Meereslebens durch Lärm und rufen zu einem vorsichtigen Umgang mit anthropogenem Unterwasserlärm auf.

Das Seerechtsübereinkommen der UNO (UNCLOS) ist der umfassendste Völkerrechtsvertrag in Bezug auf die Meeresumwelt. Es bietet eine solide Grundlage für den Umgang mit schädlichem anthropogenem Lärm, der als Form von Umweltverschmutzung reduziert und reguliert werden muss. Das Übereinkommen definiert "Verschmutzung der Meeresumwelt" als "die unmittelbare oder mittelbare Zuführung von Stoffen oder Energie durch den Menschen in die Meeresumwelt ..., aus der sich abträgliche Wirkungen wie eine Schädigung der lebenden Ressourcen sowie der Tier- und Pflanzenwelt des Meeres ... ergeben oder ergeben können" (Art. 1, Abs. 1, Z. 4).


ABKOMMEN ZUR ERHALTUNG DER KLEINWALE IN DER NORD- UND OSTSEE (ASCOBANS)

Der Schutz- und Managementplan des Abkommens aus dem Jahr 1994 beschreibt obligatorische Schutzmaßnahmen für Wale und Delfine. Eine 2003 beschlossene Resolution hält die Vertragsparteien zu Maßnahmen an, welche die Auswirkungen des Lärms von seismischen Untersuchungen, militärischen Aktivitäten, Schiffen, akustischen Vergrämungsvorrichtungen und anderen akustischen Störquellen auf Wale und Delfine vermindern. Eine zweite ASCOBANS-Resolution zu Unterwasserlärm aus dem Jahr 2006 fordert die Vertragsstaaten u.a. dazu auf, seismische Untersuchungen zu regulieren, um Störungen und Verletzungen von Kleinwalen wirksam zu vermindern. Im Jahr 2009 wurde eine Resolution beschlossen, um die Schadwirkungen von Lärm bei der Errichtung von Offshore-Energieanlagen abzumildern. Seit 2010 besteht eine intersessionale Arbeitsgruppe, die u.a. Richtlinien für spezifische Lärmquellen entwirft.


Dieser Aufruf für eine internationale Regulierung von Unterwasserlärm wird von mehr als 150 NGOs weltweit getragen, die in folgenden Dachverbänden zusammengeschlossen sind:

EUROPEAN COALITION FOR SILENT OCEANS (ECSO)
Sigrid Lüber | + 41-79-475-26-87 | slueber@oceancare.org |
www.oceancare.org

LATIN AMERICAN OCEAN NOISE COALITION
Dr. Yolanda Alaniz or Laura Rojas | + 52-55-55-19-59-83 |
alanizy@yahoo.com

NORTH AMERICAN OCEAN NOISE COALITION (NAONC)
Marsha L. Green, PhD | + 1-610-670-7386 |
marshagreen@oceanmammalinst.org |
www.oceannoisecoalition.org

PACIFIC REGION OCEAN NOISE COALITION
Susan Millward | +1-202-446-2123 | susan@awionline.org
www.awionline.org

Eine vollständige Liste der Mitglieder sowie die Quellenangaben finden Sie unter www.oceannoisecoalition.org.

*

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Dieser Cuvier-Schnabelwal (Ziphius cavirostris) strandete ebenso wie 16 weitere Wale verschiedener Arten im Jahr 2000 auf den Bahamas, nachdem bei Marineübungen aktive Sonare eingesetzt worden waren.

- Große Schiffe sind die Hauptquelle des stark steigenden Lärmpegels, der in den Frequenzbereich fällt, in dem verschiedene Meeressäuger und Fische kommunizieren. Das untergräbt essentielle Lebensfunktionen, wie Interaktion, Nahrungssuche, Partnerwahl und Feindvermeidung.

*

Quelle:
Broschüre "Im Lärm ertrinken"
Aufruf für internationale Massnahmen zum Schutz der Meeresfauna
Herausgeber: Verein OceanCare
Oberdorfstr. 16, Postfach 372, Ch-8820 Wädenswil
Tel.: +41 (0) 44 780 66 88, Fax: +41 (0) 44 780 66 08
E-Mail: info[at]oceancare.org
Internet: www.oceancare.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Januar 2014