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MEER/305: Unruhe im Reich der Wale (WWF magazin)


WWF magazin, Ausgabe 3/2018
WWF Deutschland - World Wide Fund For Nature

Unruhe im Reich der Wale

von Stephan Lutter, WWF


Überraschung: Im Mittelmeer gibt es nicht nur Delfine, sondern auch die Großen unter den Walen. Wo sie bevorzugt leben und wandern, sind sie seit fast 20 Jahren durch ein Schutzgebiet geschützt. Doch die Gefahren sind inzwischen erheblich gewachsen.


Es gibt Wale im Mittelmeer? Das erstaunt viele. Zwar hatten bereits die alten Griechen Delfine beschrieben. Aber dass es richtig große Wale in der Badewanne Europas gibt, das ist vielen heute wie damals nicht bewusst. Doch es gibt sie, sogar ganz nahe der Touristenzentren: im nordwestlichen Mittelmeer zwischen Frankreich, Sardinien und italienischem Festland. Dort liegt ein Hotspot für den bis zu 24 Meter langen Finnwal. Er ist das zweitgrößte Tier der Erde und einer der schnellsten Schwimmer. Sein Bestand wird auf etwa 1000 Tiere geschätzt.

Auch der bis zu 20 Meter große Pottwal fühlt sich dort wohl. Denn beide Arten tauchen bevorzugt in Tiefseebereichen - der Finnwal bis 1000, der Pottwal sogar bis 2000 Meter. Solche tiefen Meeresgräben gibt es im Mittelmeer zwischen Nizza und Elba, wo die afrikanische Erdkruste unter die eurasische abtaucht.

Seit 1999 gehören sie zum Pelagos-Schutzgebiet, einer Meeresregion größer als Österreich. Dort tummeln sich außerdem weitere Zahnwale wie Grindwal, Cuvier-Schnabelwal, Großer Tümmler, Gewöhnlicher Delfin sowie Rundkopf- und Streifendelfin, mit bis zu 45.000 Tieren die häufigste Kleinwalart in der Region. Auch Orcas, Rauzahndelfine, Kleine Schwertwale und Zwergwale wurden schon gesichtet. Der sehr seltene Cuvier-Schnabelwal lässt sich dagegen nur vereinzelt beobachten. Sein Bestand ist besonders anfällig für Gefahren - etwa heftigen Unterwasserlärm, verursacht durch die seismische Suche nach Bodenschätzen mit Schallkanonen und Sonar. Immer wieder strandeten Wale, nachdem auf See solche Techniken zum Einsatz kamen.

Schwimmende Hindernisse

Auch Schiffe können die Wale gefährden. Trotz Erfolgen wie des Regatta-Verbots in italienischen Gewässern passiert noch immer ein Drittel des gesamten Schiffsverkehrs im Mittelmeer das Schutzgebiet. Das sind pro Jahr allein 200.000 Bewegungen von Handelsschiffen, hinzu kommen viele Fähren und Jachten. Die Folge sind Kollisionen mit Walen. Für die Tiere enden sie meist tödlich: Jährlich sterben auf diese Weise im Mittelmeer zwischen acht und 40 größere Wale. Außerdem landen immer wieder Delfine als Beifang in Fischernetzen und ertrinken. Hinzu kommt die hohe Belastung durch Umweltchemikalien und Plastikmüll.

Mehr Schutz durchsetzen

Deshalb muss das Schutzkonzept des Pelagos-Gebiets regelmäßig an neue Gefahren wie Unterwasserlärm, Schiffskollisionen und Plastikmüll angepasst werden. Aktuell dringend verbessert werden muss die Verwaltung des Schutzgebiets (sanctuaire-pelagos.org) auf Basis des Vertrags zwischen Frankreich, Monaco und Italien. Der WWF ist hierzu auf vielerlei Weise aktiv, damit die Wale im Mittelmeer eine gute Zukunft haben.


DAS PELAGUS-SCHUTZGEBIET

Der WWF stand Pate, als 1999 zwischen Sardinien und den Küsten Frankreichs, Monacos und Italiens das erste grenzübergreifende Schutzgebiet Pelagos im Mittelmeer eingerichtet wurde. Es ist mit seinen 87.500 Quadratkilometern neben dem Südpolarmeer das einzige Schutzgebiet, das ausschließlich dem Schutz von Walen und Delfinen dient und zugleich zum größten Teil in der Hohen See liegt - und damit außerhalb nationaler Gewässer.


WAS DER WWF FÜR WALE UND DELFINE TUT

1. Technik gegen Kollisionen
Wir werben bei den drei Anrainerstaaten für die satellitengestützte Echtzeit-Aufzeichnung von Walbewegungen durch den Einsatz des Systems REPCET (Real Time Plotting of Cetaceans). Damit können Schiffe einander über die Anwesenheit von Walen informieren, ihre Routen entsprechend ändern oder das Tempo drosseln. Einige Fähren haben REPCET schon installiert. Für Schiffe unter französischer Flagge, die in dem Gebiet häufig unterwegs sind, ist das Antikollisionssystem bereits seit 2017 Vorschrift.

2. Plastikflut stoppen
Auf einem Quadratkilometer Mittelmeer schwimmen ungefähr 1000 bis 3000 Tonnen Plastikmüll. Dazu kommen unzählige Mikroplastikteilchen. Der WWF entnahm Proben aus dem Fettgewebe dreier Pelagos-Walarten. Gefunden wurden pro Kilogramm mehr als 1000 Mikrogramm der giftigsten Phthalat-Verbindung DEHP. Schon 300 Mikrogramm gelten als hohe Belastung. Der WWF stellte die Befunde im Juni 2017 bei der ersten UN-Meereskonferenz in New York vor.

3. Schutzgebiet erweitern
Die Vertragsstaaten des Barcelona-Abkommens erweiterten, wie vom WWF gefordert, Pelagos 2017 um einen etwa 90.000 Quadratkilometer großen Meeresstreifen von Formentera bis zur Grenze im Golfe du Lion. Das Gebiet gehört zur Wanderroute von Pott- und Finnwalen und wird von vielen weiteren Arten bewohnt. Seismische Untersuchungen und Rohstoffabbau müssen nun für mindestens drei Jahre unterbleiben, bis ein Managementplan entwickelt ist.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

  • Unterwasser-Getümmel - Schwarmfische ziehen Seevögel wie die Gelbschnnbel-Sturmtaucher und Delfine gleichermaßen an.
  • Andere Wellenlänge - Der Bestand des Viereck-Schnabelwals ist durch Lärm gefährdet.
  • Giganten aus der Tiefe - Der Schiffsverkehr auf dem Mittelmeer macht den Pottwalen Probleme. Kollisionen mit großen Schiffen sind für sie sogar lebensbedrohlich.

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Quelle:
WWF Magazin 3/2018, Seite 20 - 23
Herausgeber:
WWF Deutschland
Reinhardtstraße 18, 10117 Berlin
Tel.: 030/311 777 700, Fax: 030/311 777 888
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Internet: www.wwf.de
 
Die Zeitschrift für Fördermitglieder und Freunde der
Umweltstiftung WWF Deutschland erscheint vierteljährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2018

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