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ÖKOSYSTEME/013: Jamaika - Bedrohtes Touristenparadies, Folgen des Baubooms zerstören Küste von Negril (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Januar 2012

Jamaika: Bedrohtes Touristenparadies - Folgen des Baubooms zerstören Küste von Negril

von Zadie Neufville


Kingston, 3. Januar (IPS) - Beim Kampf gegen den Klimawandel richten die jamaikanischen Behörden ihr Augenmerk zunehmend auf den Badeort Negril. Jahrzehntelange unkoordinierte Baumaßnahmen haben die lokalen Ökosysteme zerstört und zur Erosion der malerischen Strände geführt, die Touristen aus aller Welt anziehen.

In einem 2010 veröffentlichten Bericht des 'Risk and Vulnerability Assessment Methodology Development Project (RIVAMP) ist von "irreversiblen Schäden" die Rede. RIVAMP ist ein Instrument des UN-Entwicklungsprogramms (UNEP), das Ökosysteme und klimatische Faktoren bei der Analyse katastrophenbedingter Gefahren einbezieht.

Die nationale Umweltbehörde NEPA, die für den Schutz der insgesamt rund 1.000 Kilometer langen Küsten der Karibikinsel zuständig ist, pflanzt bereits Seegras und Mangroven in Negril, Montego Bay und Portland Bight an. Der Behörde zufolge sind alle diese Gebiete durch die weiträumige Vernichtung der Küstenvegetation schwer geschädigt worden. Die Neuanpflanzungen seien Teil eines breit angelegten, von Gebern geförderten Programms zur Sanierung der Ökosysteme, die für den Erhalt der Strände von Negril notwendig seien, erklärte die Projektmanagerin Mary Gooden.


Millionenhilfe von der EU

Die Europäische Union unterstützt das Vorhaben mit 4,13 Millionen Euro. Ziel ist, den Menschen, deren Existenzgrundlagen durch die Umweltzerstörung gefährdet werden, neue Perspektiven aufzuzeigen. Außerdem sollen die Küstengebiete widerstandsfähiger gegen Naturkatastrophen gemacht werden.

Gooden arbeitet mit dem Jamaikanischen Planungsinstitut zusammen, das Maßnahmen gegen die Folgen des Klimawandels in dem Karibikstaat koordiniert. Sie geht davon aus, dass die Sanierung der küstennahen Feuchtgebiete die Ökosysteme stärken und die wertvollsten Gebiete Jamaikas vor den Auswirkungen extremer Wetterphänomene schützen kann. Gesunde Feuchtgebiete sind in der Lage, die Wucht der Wellen abzufedern.

Viele Mangrovenwälder mussten Hotels weichen. Wie aus dem staatlichen Bericht zum Zustand der Umwelt 2010 hervorgeht, erhöhte sich die Zahl der Hotelbetten auf der Insel zwischen 2007 und 2010 um mehr als 2.500. An dieser Entwicklung hat der Urlauberort Montego Bay einen Anteil von 29 und Negril von 12,8 Prozent. Experten zufolge wurden die Probleme durch einen nicht nachhaltig betriebenen Fischfang weiter verschärft.

In den vergangenen Jahrzehnten wurde in Negril das höchste Ausmaß an Küstenerosion im gesamten Karibikraum festgestellt. Studien der University of the West Indies (UWI) und der Firma 'Smith Warner International' schätzen, dass die Strände von Negril an manchen Stellen in den letzten 40 Jahren zwischen 0,23 und einem Meter pro Jahr geschrumpft sind.

Umweltschützer führen den rapiden Sandverlust auf verschiedene ungünstige Wetterphänomene, den Verlust der Mangroven und unkontrollierte Baumaßnahmen zurück. Unter anderem habe die weitverbreitete Vernichtung von Seegras das Problem verschlimmert.

2008 hatte Smith Warner die Kosten für die Sanierung der Strände von Negril mit 19 Millionen bis 25 Millionen US-Dollar veranschlagt - für das von Schulden geplagte Land eine schwere finanzielle Bürde. Zur Wiedergewinnung der natürlichen Ressourcen seien intensive Anstrengungen notwendig, sagte Pascal Peduzzi vom UN-Entwicklungsprogramm UNDP.

Die gravierenden Umweltprobleme in Negril haben die jamaikanische Regierung dazu gezwungen, die für das Land bestimmten Mittel aus dem UN-Anpassungsfonds vor allem für dieses Gebiet zu verwenden, wie Gooden erklärte. So sollen Maßnahmen zum Schutz der verbleibenden Strände ergriffen und bereits angerichtete Schäden behoben werden.


Tourismus zerstört eigene Basis

Die etwa sieben Kilometer lange Küste von Negril mit weißen Sandstränden und kristallklarem Wasser wurde durch die 'Blumenkinder' der Hippie-Generation weltweit bekannt. Nach Angaben der Behörden wird in diesem Teil der Insel rund ein Viertel aller Einnahmen aus dem Tourismus erwirtschaftet.

Nach Schätzungen hatte der Fremdenverkehr 2010 einen Anteil von einem Fünftel am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Jamaika und von 50 Prozent an den Deviseneinnahmen. Etwa ein Viertel aller Arbeitsplätze auf der Insel sind im Tourismus entstanden. Experten gehen davon aus, dass die Strände von Negril stolze 40 Prozent zum BIP beitragen. Gerade der Wirtschaftszweig, von dem Negril am meisten abhängig sei, habe jedoch die fragilen Meeresökosysteme zerstört. Während des Baubooms in den achtziger Jahren verschwanden die natürlichen Puffer, die die Küste bis dahin vor dem Ansturm der Wellen bewahrt hatte.

Die meisten Unternehmer missachteten ein Gesetz, dem zufolge die Bebauung erst 46 Meter hinter der Hochwassermarke beginnen darf. Zudem wurden Millionen Liter Abwässer ins Meer geleitet. Um die steigende Nachfrage nach Süßwasser zu befriedigen, wurden die Wasseradern auf der Insel zunehmend angezapft.

Um Abhilfe zu schaffen, ist nach Ansicht von Peduzzi ein umfassender, sektorenübergreifender Plan notwendig. Anthony McKenzie von NEPA empfiehlt außerdem Sedimentanalysen, hydrologische Studien und die Anlage künstlicher Riffe, um die Natur gegen Katastrophen resistenter zu machen. Längerfristig ist geplant, 300 bis 400 Meter lange Wellenbrecher vor der Küste zu errichten. Die Strände sollten überdies mit Sand aufgefüllt werden. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.nepa.gov.jm/index.asp
http://www.grid.unep.ch/webadmin_scripts/functions/factsheets_pdf.php?project_dataid=2C19705
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106331

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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Januar 2012