Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

PROTEST/053: Ecuador - Agrargiftstreit mit Kolumbien beigelegt, doch Herbizideinsätze nicht gebannt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. Oktober 2013

Ecuador: Agrargiftstreit mit Kolumbien beigelegt - Doch Herbizideinsätze nicht gebannt

von Ángela Meléndez



Quito, 29. Oktober (IPS) - Ecuador und Kolumbien haben im Streit um die kolumbianischen Sprüheinsätze zur Bekämpfung illegaler Kokafelder im Grenzgebiet eine außergerichtliche Einigung erzielt. Die ecuadorianische Grenzbevölkerung fürchtet, dass die Verseuchung ihrer Felder und Gewässer mit dem Herbizid Glyphosat weitergeht.

Ecuador hatte 2008 den Internationalen Gerichtshof in Den Haag um Hilfe angerufen, die Klage gegen Kolumbien jedoch in Anbetracht der am 9. September erzielten Übereinkunft zurückgezogen. Darin erklärte sich Kolumbien zu Schadensersatzleistungen in Höhe von 15 Millionen US-Dollar bereit. Profitieren sollen die ecuadorianischen Grenzregionen, die durch den aus Flugzeugen heraus versprühten Giftregen geschädigt wurden. Doch wie und wann die Investitionen erfolgen sollen, ist unbekannt.

Die kolumbianische Regierung hat auch zugesagt, im nächsten Jahr dafür zu sorgen, dass ein zehn Kilometer breiter Grenzstreifen der südwestkolumbianischen Provinzen Putumayo und Nariño und der nordecuadorianischen Provinzen Sucumbíos, Carchi and Esmeraldas von den Herbizideinsätzen verschont bleibt.

Doch die Pufferzone könnte innerhalb von zwei Jahren auf fünf und zwei Kilometer zusammenschrumpfen, wie aus Anhang 1 des Einigungsvertrags hervorgeht. Demnach gilt die Zehn-Kilometer-Pufferzone zunächst nur für das nächste Jahr. Sollte eine binationale Untersuchungskommission zu dem Schluss kommen, dass das ecuadorianische Territorium nicht durch die Sprühaktionen geschädigt wurde, kann der geschützte Gebietsstreifen 2015 auf fünf Kilometer und 2016 auf zwei Kilometer Breite verkleinert werden.

Diese Regelung wollen die ecuadorianischen Bauern in den betroffenen Gebieten nicht hinnehmen. Sie klagen seit Jahren, dass die Sprüheinsätze im Nachbarland ihre Gesundheit, Erträge und Nutztiere schädigen. Die Pufferzone auf eine Breite von zwei Kilometern zu begrenzen, sei gänzlich inakzeptabel, meint Daniel Alarcón, Leiter der Vereinigung der Bauernverbände im ecuadorianischen Sucumbios (FORCCOFES) gegenüber IPS.


Proteste angekündigt

"Durch die außergerichtliche Einigung wird das Problem nicht gelöst. Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie die Sprühaktionen in unserer Nähe weitergehen. Sollte auch nur ein einziger Tropfen Glyphosat auf uns niedergehen, werden wir protestieren und Entschädigungen für die erlittenen Schäden einfordern."

Alarcón bezog sich damit auf die Gesundheitsprobleme der lokalen Bevölkerung und die Verschlechterung der Lebensqualität von tausenden Menschen längs der ecuadorianischen Grenze durch die zwischen 2000 und 2007 durchgeführten Sprühaktionen zur Vernichtung kolumbianischer Koka-Felder.

Wie aus einer Untersuchung von FORCCOFES hervorgeht, steht die Gesundheit von insgesamt 15.000 Familien auf dem Spiel. Vor allem die 10.000 Familien, die am Ufer des Flusses Miguel leben, seien am stärksten geschädigt, heißt es.

"Die Auswirkungen der Sprühaktivitäten sind bis heute spürbar. Die einstige Produktivität unserer Böden ist bei weitem noch nicht wieder hergestellt", kritisierte Alarcón, der in der Gemeinde 5 de Agosto im Grenzbezirk General Farfán lebt. "Hier hatten wir nie mit Krebserkrankungen zu tun. Doch seit unsere Gewässer mit Glyphosat verseucht wurden, sterben Menschen an Krebs."

In dem Abkommen zwischen den beiden Ländern ist auch die Zusammensetzung des Agrargiftregens ein Thema. Demnach besteht die ausgebrachte Substanz zu 44 Prozent aus Glyphosat, zu einem Prozent aus dem Wirkungsverstärker Cosmo-Flux und zu 55 Prozent aus Wasser. Doch in der Gebrauchsanleitung des Monsanto-Produkts 'Roundup' wird eine Konzentration von 1,5 bis 7,7 Prozent Glyphosat empfohlen. Als Obergrenze sind 29 Prozent angegeben. Untersuchungen über die Auswirkungen von Cosmo-Flux liegen nicht vor.


Fehlgeburten und Hautprobleme

Zwei Professoren der Andenuniversitäten in Bogotá haben in diesem Jahr untersucht, in wieweit sich die Sprüheinsätze aus der Luft auf die menschliche Gesundheit auswirken. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Agrargifteinsätze einen "signifikanten" Beitrag zu Fehlgeburten leisten und Hautprobleme verursachen.

Die uruguayische Politikanalystin Laura Gil, die die Bedingungen der außergerichtlichen Einigung Anfang Oktober publik gemacht hatte, erklärte gegenüber IPS, dass die Heimlichkeit, mit der das Abkommen erzielt worden sei, inakzeptabel sei. Sie wies ferner darauf hin, dass es nicht vom kolumbianischen Parlament gebilligt worden sei. "Warum das so war, liegt auf der Hand: Die Abgeordneten hätten sofort die Einstellung der Glyphosateinsätze gefordert."

Amira Armenta vom Drogen- und Demokratieprogramm des 'Transnational Institute', hatte am 12. September die außergerichtliche Beilegung des ecuadorianisch-kolumbianischen Konflikts als unbefriedigend kritisiert. Es dürfe davon ausgegangen werden, dass Kolumbien mit seinen Sprühaktionen fortfahre.

Wie aus einer Studie des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) hervorgeht, konzentriert sich die Kokaproduktion in Kolumbien auf die beiden Provinzen Nariño und Putumayo. "Im letzten Jahrzehnt hat Nariño erheblich unter den Sprühaktionen zur Vernichtung der Koka-Felder gelitten. Doch trotz der fortgesetzten Sprüheinsätze verteidigt die Provinz auch weiterhin ihren Titel des größten Kokaproduzenten", so Armenta.

In dem Abkommen haben sich beide Länder darauf verständigt, dass Kolumbien die ecuadorianische Regierung über Pläne, neuerliche Sprühaktionen in Grenznähe durchzuführen, zehn Tage zuvor unter Angabe von Zeit und Ort unterrichtet.

"Ein solches Zugeständnis hätten wir in keinem Gerichtsverfahren erzielt, denn es ist sehr schwer für ein internationales Gericht, Staaten, die sich auf ihre nationale Souveränität berufen, zu einem solchen Zugeständnis zu bewegen", kommentierte Ecuadors Außenminister Ricardo Patiño. "So etwas lässt sich nur durch eine einvernehmliche Regelung erreichen."

Ecuador und Kolumbien einigten sich ferner auf ein Zusatzprotokoll zur Regelung der Beschwerden ecuadorianischer Bürger. Doch das Protokoll, das innerhalb von 15 Tagen angenommen werden sollte, findet seit der außergerichtlichen Einigung keine Erwähnung mehr. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.mamacoca.org/docs_de_base/Fumigas/Adriana_Camacho_Daniel_Mejia_Consecuencias_aspersiones_caso_colombiano_2013.pdf
http://www.tni.org/work-area/drugs-and-democracy
http://www.ipsnews.net/2013/10/ecuador-colombia-settlement-wont-end-spraying/
http://www.ipsnoticias.net/2013/10/acuerdo-ecuador-colombia-no-frena-fumigaciones-con-glifosato/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 29. Oktober 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2013