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PROTEST/111: Malawi - Dorfbewohner gegen Uranabfall (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 2, März/April 2016

Dorfbewohner gegen Uranabfall

von Collins Mtika


Im Malawisee werden Uranabfälle versenkt. Die Bewohner im Karinga-Distrikt wollen das stoppen. Sie haben eine Kampagne gegen Uranium Miner Paladin Africa Limited begonnen.


Am nördlichen Malawisee herrscht Kampfgeist. Die Menschen fürchten um ihre Gesundheit und befürchten massive Umweltschäden. Deshalb sind sie gegen die einfache Entsorgung der Uranabfälle in die Flüsse Sere und Rukuru, die in den See münden. Dieser ist die Lebensader für viele Menschen, das betrifft keineswegs nur die Fischer. An den Flussläufen sind auch die Kleinbauern und ihr Vieh vom Wasser abhängig. Doch das Unternehmen geht mit einer gut organisierten Öffentlichkeitskampagne gegen die Kritiker vor, schließlich ist die Regierung mit 15 Prozent Anteilseigner an diesem Konzern. Die zuständigen Behörden berufen sich auf ein Minengesetz, das vor 34 Jahren verabschiedet wurde. Aus Sicht der Kritiker ist dieses Gesetz vollkommen veraltet. Es wurde 1981 vom früheren Präsidenten Hastings Kamuzu Banda verabschiedet und hat mehrere Defizite. So liegt es in der Macht des Präsidenten, Minenlizenzen ohne Konsultationen mit anderen Akteuren zu vergeben. Durch bilaterale Abkommen können einige Unternehmen begünstigt werden - vorbei an einer konsequenten Anwendung des Gesetzes.

Eigentlich sollte es spätestens seit Verabschiedung des Atomgesetzes Nr. 16 von 2011 eine Regulierungsbehörde für Atomenergie geben, die auch für Strahlenschutz und Sicherheit zuständig ist. Aber die wird erst noch eingerichtet, wie das Ministerium für natürliche Ressourcen, Energie und Minen mitteilte.


Lokale Proteste

Paramount Chief Kyungu und 33 zivilgesellschaftliche Organisationen warnen in einer Presserklärung: "Es gibt keinen Zweifel daran, dass die radioaktive Strahlung steigen wird und die Menschen in Karonga sowie in den meisten Teilen Malawis der erhöhten Radioaktivität ausgesetzt sind. Tatsache ist: Im Schlamm ist weiterhin ein Großteil der ursprünglichen Radioaktivität enthalten. Denn er setzt sich aus dem Abfall des uranhaltigen Gesteins, Säuren und anderen Chemikalien zusammen, die für die Herstellung des Yellow Cake gebraucht werden." Paladin Africa Limted (PAL), ein australisch-kanadisches Unternehmen, das im April 2007 offiziell eine Lizenz für den Uranabbau in Kayelekera - 52 km westlich von Karonga; d.R. - erworben hatte, kontert dagegen, es halte sich bei der Entsorgung seiner Flüssigabfälle an die Lizenzvorschriften der malawischen Regierung und die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für den Urangehalt im Trinkwasser, deren Obergrenze bei 30 Mikrogramm pro Liter liegt.

Um seinem Zorn kund zu tun, hat Wavisanga Silungwe, Sprecher der Koalition von Karonga-Geschäftsleuten, das Unternehmen vor dem höchsten Gericht des Landes angezeigt. Dabei bezieht er sich auf eine Studie des unabhängigen französischen Nuklearingenieurs Bruno Cheyron. Dieser empfahl den Dorfbewohnern und Nichtregierungsorganisationen, Antworten von Paladin und der malawischen Regierung zu suchen, da sie verantwortlich ist, wenn Paladin einmal die Tore schließt. Deshalb will Silungwe auf juristischem Wege das kontinuierliche Versenken der Uranabfälle in den Flüssen stoppen.


Zivilprozess

Auf eine Anfrage investigativer Journalisten Malawis (CIJM) im Auftrag des internationalen Konsortiums investigativer Journalisten (ICIJ) antwortete Paladin in einer Stellungnahme: "Die Entsorgung der Abfälle begann erst, nachdem es ausführliche öffentliche Anhörungen gegeben hat, die lokale Gemeinden und Nichtregierungsorganisationen einschlossen. Sie wurden eingeladen, sich am Monitoring Prozess zu beteiligen." Paladin Afrika Limited wirft seinen Gegnern zudem vor: "Die Versuche lokaler Anti-Minen-Aktivisten, mit alarmierenden Falschmeldungen öffentliche Unruhe zu stiften, sind bedauerlich und enttäuschend. Der Antrag eines lokalen Aktivisten auf eine gerichtliche Verfügung ist grundlos und dagegen wird vorgegangen, wenn die Angelegenheit vom höchsten Gericht gehört wird."

In diesem Zivilrechtsprozess Nummer 29 aus dem Jahr 2015 argumentiert Paladin Africa Limited, das Gericht werde mit dem Antrag auf den Entsorgungstopp missbraucht, da der zuständige Minister unter Bezug auf das Wassergesetz die Zustimmung erteilt habe. Doch das Verfahren ist ausgesetzt, da Paladin-Verantwortliche nicht für eine Anhörung aller Parteien zur Verfügung stehen. Dort erwartet das höchste Gericht, dass jede Partei die Vor- und Nachteile ihres jeweiligen Handels vorbringt.

Der Paladin-Manager für internationale Angelegenheiten, Greg Walker, meint, er habe nicht gefehlt, und betont, er habe keine Nachricht vom höchsten Gericht erhalten, wonach der Antrag auf eine einstweilige Verfügung aufgehoben wurde.

Der Richter Dingiswayo Madise ordnete in einem Urteil vom 9. Juni 2015 an, Silungwe sollte mit der juristischen Überprüfung fortfahren, womit er die Entscheidung anzweifelte, auf deren Basis Paladin die Bewilligung hatte, seine Abfälle in den Flüssen zu entsorgen.

Paladin Africa Limited warf dem Gericht vor, es würde gegen juristische Verfahrensregeln verstoßen und den Prozess missbrauchen, wenn es dem Antrag stattgeben würde, das Vorgehen zu stoppen, dem der Minister unter Berufung auf das Wasserressourcengesetz zugestimmt hatte.


Legale Basis

Die Regierung hatte Paladin am 30. Juni 2014 eine Lizenz erteilt, die Abfälle während der nächsten zwei oder drei Regenzeiten in den Flüssen zu entsorgen, abhängig davon, wie lange die Regenzeiten dauerten und wie lange die Uranmine im Zustand "Care and Maintenance" (Bestandserhalt und Wartung) sei. PAL hatte den Uranabbau bereits im Februar 2014 geschlossen und die meisten Arbeiter entlassen. Grund für die Schließung seien die fallenden Uranpreise auf dem Weltmarkt nach dem nuklearen Desaster im japanischen Fukushima in 2011. Die Mine wurde in den Zustand "Care and Maintenance" versetzt, wobei das Unternehmen in seinem Quartalsbericht Ende Dezember 2014 darauf hinwies, es habe eine Studie in Auftrag gegeben, um einen detaillierten Plan zur Wiederaufnahme der Produktion in Kayelekere zu entwickeln, sobald die Uranpreise das wieder erlauben würden. Walker sagte: "Die Produktion wird wieder begonnen, wenn der Uranoxidpreis wieder 75 US-Dollar/lb erreicht und die Mine an das nationale Stromnetz angeschlossen ist. Mit Investitionen von 60 Millionen US-Dollar kann die Mine dann innerhalb von sechs bis neun Monaten wieder produzieren."


Vorwürfe und Gegenschlag

Chief Kyungu bat die Regierung, Greg Walker des Landes zu verweisen, da er die Minengesetze des Landes zum Vorteil seiner Firma eklatant missachte. Kyungu sagte gegenüber den Medien: "Er ist arrogant und sein Unternehmen hält sich in der Mine nicht an die nationalen Umwelt- und Sicherheitsstandards." Kyungu drohte, gegebenenfalls selbst Walker zu "deportieren", falls die Regierung das nicht tun würde.

Das Unternehmen bestritt alle Vorwürfe und erklärte, der Damm, in dem toxische Abfälle gelagert würden, sei vom Starkregen Anfang 2015 betroffen gewesen. Walker sagte:" Am 5. Januar gab es kleine Sturmschäden an der Mine. In zwanzig Minuten fielen dort 25 mm Regen. Bis zu 50 Liter sind möglicherweise in die lokalen Flüsse gelangt." Paladin berief sich zudem darauf, dass in den Flüssen schon erhöhte Uranwerte vorhanden gewesen seien, bevor die Mine in Betrieb genommen wurde. So teilte David Holmes, der Hydrogeologe des Unternehmens, mit: "Intensive Datensammlungen seit 2006 haben ergeben: Die natürlichen Uranwerte im Sere-Fluss umfassen bis zu 1,76 mg pro Liter." Holmes erklärte zudem, ein Teil der Verarbeitungsanlage innerhalb der Mine sei modifiziert worden, um giftige Bestandteile aus dem Abfall zu entfernen und so den nationalen und internationalen Standards zu entsprechen. Im Mai 2014 hätten Labortests hervorragende Ergebnisse gebracht, die hätten auch den Uranabfall betroffen. Holmes weiter: "Im Juni wurde eine vollständige Anlage zur Wassersäuberung errichtet."

Währenddessen sagte der Minister für natürliche Ressourcen, Energie und Umwelt, die Regierung habe mit einer internationalen Untersuchung begonnen, damit das Minenprojekt nicht das Leben der Menschen bedrohe. Vor einigen Wochen entdeckten die lokalen Fischer mehrere Ladungen toten Fisches an der Stelle, wo die zwei Flüsse in den Malawisee fließen. Vier Regierungsstellen erklärten daraufhin, sie würden untersuchen lassen, was der Grund für das Fischsterben sei. Sie wiesen darauf hin, die Fische seien möglicherweise am natürlichen Rückgang des Sauerstoffs im Wasser gestorben.

Bereits 2013 hatte Paladin bekannt gegeben, es hätte Rücklagen von zehn Mio. US-Dollar bei zwei privaten Banken in Malawi, um damit Rehabilitationskosten zu zahlen, die bei Schäden während und nach der Nutzung der Mine auftreten. Es geht um Rücklagen für die Beseitigung von Umweltvergiftungen.


Der Autor ist investigativer Journalist in Malawi. Er arbeitet unter anderem für die Nyassa Times und gründete das Zentrum für investigativen Journalismus in Malawi. 2015 erhielt er den Haller-Preis für Entwicklungsjournalismus.

Der Text erschien im englischen Original am 26.1.2016 auf pambazuka. org issue 759.

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afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
45. Jahrgang, Nr. 2, März/April 2016, S. 12-13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juni 2016

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