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RECHT/001: Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010


Zwei Seiten einer Medaille
Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung

Von Bernd Bornhorst und Elisabeth Strohscheidt


Am 2. Juni 2000 verliert ein LKW zwischen den Orten San Juan, Choropampa und Magdalena, im rohstoffreichen Norden Perus, 151 kg Quecksilber - der ausgelaufenen Menge nach der bis dahin größte Quecksilberunfall weltweit. Das Quecksilber wurde in Yanacocha gewonnen und sollte auf einem offenen LKW nach Lima transportiert werden. Viele Menschen kamen durch diesen Umweltunfall ums Leben; die Umwelt wurde gravierend geschädigt.


Der LKW-Fahrer wurde inzwischen verurteilt; die Minenunternehmen kamen straffrei davon. Betrieben wird Yanacocha, die größte Goldmine Lateinamerikas, vom US-Konzern Newmont Mining (Haupteigner) sowie dem peruanischen Bergbauunternehmen Buenaventura. Die Weltbank ist mit 5% beteiligt. Bis heute kommt es in der Region um die Mine immer wieder zu Protesten der ansässigen Bevölkerung, großenteils Indigene, deren Menschenrechte auf Gesundheit sowie auf Nahrung und sauberes Trinkwasser durch die gravierenden Umweltprobleme nach wie vor verletzt werden.


Nahrung und Wasser werden verseucht, die Gesundheit geschädigt

Yanacocha ist kein Einzelfall. Partnerorganisationen von MISEREOR aus vielen Ländern in Asien, Afrika und Lateinamerika berichten immer wieder davon, dass Lecks an Pipelines und überlaufende oder beschädigte Rückhaltebecken zur Aufbewahrung der giften Schlämme aus dem Bergbau zur Verseuchung von Gewässern und Länderein führen. Die Nahrungsmittel, die dort für die Subsistenz angebaut werden, sind hoch mit Schadstoffen belastet; die Fische in Flüssen und Seen sterben oder werden ungenießbar, ebenso wie das Wasser aus den vorhandenen Brunnen - oft einzige Quelle für das Trinkwasser. Trinken die Menschen dieses Wasser mangels Alternativen doch, führt dies oft zu Gesundheitsschäden. Die durch das Abfackeln von Gas oder durch hohe Staubbelastung hervorgerufene Luftverschmutzung führt zu Haut- und Atemwegserkrankungen. Teure Arztbehandlungen oder chemische Analysen der Gefahrstoffe, die ursächlich für die Verletzung der Menschenrechte auf Nahrung, sauberes Wasser und Gesundheit sind, können diese Menschen sich in der Regel nicht leisten. Die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfungen, die der Genehmigung des jeweiligen Großprojektes zugrunde liegen, sind oft öffentlich nicht zugänglich, für die betroffenen Gemeinden häufig auch allein schon von der Sprache her unverständlich oder inhaltlich unzureichend.


Zwangsvertreibung und Umsiedlung

Dass es im Rahmen von Großprojekten auch immer wieder zu Zwangsvertreibung und Umsiedlungen lokaler Gemeinschaften kommt, ohne dass die Betroffenen angemessen entschädigt werden, ist hinlänglich bekannt. Auch das Menschenrecht auf eine angemessene Unterbringung (kurz: "Recht auf Wohnen") wird oft im Rahmen von Bergbauprojekten und Erdölförderung verletzt. Gleiches gilt für das Menschenrechte auf "freie, rechtzeitige und informierte Zustimmung". Für indigene Völker ist es inzwischen in internationalen Erklärungen und Konventionen definiert und garantiert, so in der UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker und in der Konvention Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation der UN (ILO). Auch in einer Reihe nationaler Verfassungen ist es verankert, doch im Konfliktfall wird in der Regel Wirtschaftsinteressen der Vorrang vor den Interessen und Rechten der indigenen oder lokalen Bevölkerung eingeräumt. "Land grabbing" wird und ist auch ein Menschenrechtsproblem.


Paradox des Reichtums

Statt die Menschenrechte der eigenen Bevölkerung zu achten und zu schützen, entscheiden nationale Regierungen und lokale Behörden in den rohstoffreichen Entwicklungsländern häufig im Interesse der großen Konzerne - sei es weil ihnen der politische Wille zur Achtung der Menschenrechte fehlt und nationale Eliten gut an Bergbau oder Erdölförderung verdienen, sei es, weil sie sich gezwungen sehen, mächtigen Wirtschaftsinteressen nachzugeben, um ausländische Direktinvestionen ins Land zu holen, die für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes nötig sind. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, kommen diese Investitionen der Mehrheit der Bevölkerung jedoch nicht zugute. Im Gegenteil. Für viele rohstoffreiche Entwicklungsländer gilt das sogenannte "Paradox des Reichtums" (paradox of plenty): mit dem Abbau der Rohstoffe, die zum weitaus größten Teil für den Export bestimmt sind, wird das Land volkswirtschaftlich gesehen ärmer statt reicher. Auf der Entwicklungsskala des UNDP rutscht es nach unten statt aufzusteigen. Die Außenwirtschaftspolitiken der Industrieländer tragen solchen komplexen Zusammenhängen bislang zuwenig Rechnung - auch in Ländern wie Deutschland nicht, wo der Schutz der Menschenrechte gern als Querschnittsthema deutscher Politik genannt wird. Ende Oktober 2010 stellte die Bundesregierung auf einem BDI-Kongress die "deutsche Rohstoffstrategie" vor. Ihr Hauptziel: der Abbau von Handelshemmnissen. Menschenrechte spielen bestenfalls eine marginale Rolle.


Kriminalisierung sozialer Proteste

Mit großer Sorge betrachtet MISEREOR seit einigen Jahren die Kriminalisierung sozialen Protestes, die oft mit der Durchführung von Großprojekten in Entwicklungsländern einhergeht. Dort, wo sich Protest der Betroffen regt und organisiert, werden diejenigen, die sich mit friedlichen Mitteln gegen Umweltverschmutzung und die Verletzung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten zur Wehr setzen, immer wieder zur Zielscheibe politischer Verfolgung: willkürliche Inhaftierung, fingierte Anklagen für Straftaten, die hohe Gefängnisstrafen nach sich ziehen können, Morddrohungen, sogar Folter und staatlicher Mord inklusive. MISEREOR hat konkrete Beispiele hierfür aus Peru, Kolumbien, den Philippinen, Indien und der Republik Kongo - um nur einige Länder beispielhaft zu nennen. Nicht immer sind allein staatliche Stellen für die Verfolgung der MenschenrechtsaktivistInnen verantwortlich. Im Falle der o.g. Yanacocha-Mine in Peru wurde inzwischen die private Sicherheitsfirma Forza vor Gericht verklagt. Dem mit dem Schutz der Mine beauftragten Sicherheitsunternehmen wird vorgeworfen, über Monate hinweg MitarbeiterInnen der Nichtregierungsorganisation "Grufides" rund um die Uhr überwacht und bespitzelt zu haben. Die Aktion trug den Decknamen "Operación Diablo": zu deutsch: Operation Teufel. Einer der Bespitzelten: Marco Arana, viele Jahre Anführer des gewaltfreien Widerstandes, Träger des diesjährigen Aachener Friedenspreises und inzwischen Präsidentschaftskandidat der neuen sozial-ökologischen Partei in Peru "Tierra y Libertad". Die Beobachteten haben den Spieß inzwischen umgekehrt und selbst die Spione beobachtet. Im Rahmen der Lateinamerika-Filmtage war gerade erst - am 7.12.2010 - der 2010 erschienene Film von Stephanie Boyd über die Geschehnisse zu sehen.

Umweltverschmutzungen führen häufig zur Verletzung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten und in letzter Konsequenz auch zur Verletzung von bürgerlichen und politischen Rechten. Die Einschüchterung und Bedrohung von Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten wiederum hat zur Folge, dass der Einsatz für einen effektiven Umweltschutz vor Ort erschwert oder gar unmöglich gemacht wird. Umwelt- und Menschenrechtsfragen sollten noch viel mehr im Zusammenhang gesehen und diskutiert werden, als dies bislang der Fall ist.


Bernd Bornhorst ist Leiter der Abteilung Enwicklungspolitik bei MISEREOR und Mitglied im Leitungskreis des Forums Umwelt und Entwicklung. sabeth Strohscheidt Menschenrechtsreferentin bei MISEREOR.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010, S. 17-18
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2011