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RECHT/002: Erklärungen satt - Juristen wollen Rio+20-Zusagen festzurren (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. März 2012

Umwelt: Erklärungen satt - Juristen wollen Rio+20-Zusagen festzurren

von Haider Rizvi


Desertifikation ist nur eine Folge des Klimawandels - Bild: © Mauricio Ramos/IPS

Desertifikation ist nur eine Folge des Klimawandels
Bild: © Mauricio Ramos/IPS

New York, 27. März (IPS) - Staats- und Regierungsvertreter könnten bei den bevorstehenden Gesprächen in Brasilien 20 Jahre nach dem historischen Erdgipfel in Rio de Janeiro eine Überraschung erleben. Anders als auf vorangegangenen Gipfeltreffen dürfte es ihnen diesmal schwerer fallen, Dinge zu versprechen, die sie nicht halten können.

"Wir sind die Erklärungen satt", sagte Antonio Herman Benjamin, Richter am Obersten Gerichtshof Brasiliens, auf einem internationalen Treffen von Rechtsexperten am 26. März in New York. Er erinnerte daran, dass es seit Rio nur wenige Fortschritte gebe und die meisten Staaten ihre dort eingegangenen Verpflichtungen schuldig geblieben seien.

Aus diesem Grund hat der Gerichtshof eine neue Initiative auf den Weg gebracht. Der sogenannte 'World Congress on Justice, Governance and Law for Environmental Stability' (Weltkongress für Justiz, Regierungsführung und Recht für Umweltstabilität) soll die Gerichte und die Rechtsprechung im Sinne der nachhaltigen Entwicklung stärken.

Der Kongress fährt mit hochrangigen Richtern, Staatsanwälten, Rechtswissenschaftlern, Gutachtern und Entwicklungsexperten auf, die fest entschlossen sind, die Probleme und Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die der Umsetzung multilateraler Umweltabkommen im Wege stehen.


Umsetzung von Versprechen rechtlich erzwingen

Den Experten zufolge will der Weltkongress die Leitlinien festlegen, die die Umweltgesetzgebung im Sinne der nachhaltigen Entwicklung voranbringen und den künftigen Vereinbarungen zum Durchbruch verhelfen. Dazu zählen auch die Versprechen, die auf der Revisionskonferenz 20 Jahre nach Rio (Rio+20) vom 20. bis 22. Juni gemacht werden.

Wie Benjamin mit Blick auf die geringen Fortschritte bei der Umsetzung nachhaltiger Entwicklungsziele erklärte, sind Gesetze bedeutungslos, solange sie sich nicht effektiv umsetzen lassen. "Wir müssen die Arbeit von Rechtsexperten, Abgeordneten und Richtern fest miteinander verzahnen. Denn das geschriebene Wort kann leicht ignoriert werden", sagte er.

Trotz der zahlreichen Abkommen, die seit der Stockholm-Konferenz über die menschliche Umwelt 1972 und dem Rio-Gipfel 1992 getroffen worden sind, ist die Ausbeute, was die ökologischen Nachhaltigkeitsziele angeht, gering. So führten nur einige wenige multilaterale Abkommen wie das Montrealer Protokoll zum Schutz der Ozonschicht zum Erfolg - in diesem konkreten Fall zu dem 98-prozentigen Rückgang des Einsatzes ozonschädlicher Substanzen.

"Das Montrealer Protokoll ist ein Paradebeispiel dafür, was erreicht werden kann, wenn Länder auf der Grundlage fest verabredeter Rechtsrahmen effektiv zusammenarbeiten", meinte Amina Mohamed, Vize-Exekutivdirektorin des UN-Umweltprogramms (UNEP).

Der Kongress wird sich Mohamed zufolge mit Maßnahmen befassen, die den Übergang zu einer CO2-sparsamen, effizienten und sozial inklusiven grünen Ökonomie auf der Grundlage der Rechtstaatlichkeit bewerkstelligen sollen.


Umweltschützer frustriert

In den zurückliegenden Tagen haben die Gespräche bei den Vereinten Nationen über die für Rio+20 angestrebten Ziele vor allem eine tiefe Enttäuschung bei den zivilgesellschaftlichen Akteuren und Entwicklungsaktivisten gezeigt. "Der Rio+20-Prozess läuft Gefahr, von Interessengruppen und einflussreichen Regierungen vereinnahmt zu werden", fürchtet Michael Dorsey, Professor für internationale Umweltpolitik am 'Dartmouth College'. Die Umweltkrise - vom Ressourcenschwund über den Verlust der Artenvielfalt bis zur Klimakrise - habe sich seit dem Erdgipfel vor 20 Jahren weiter verschärft.

Der Weltkongress war im vergangenen Oktober in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur zu einem ersten Vorbereitungstreffen zusammengetroffen, um Gespräche über die Themen Justiz, Regierungsführung und Recht mit Blick auf das Rio+20-Abschlusspapier zu diskutieren. Vom 23. bis 24. April werden die Rechtsexperten im argentinischen Buenos Aires zusammenkommen, um ihre Prinzipien und Strategien zu erläutern, mit denen sie nationalen und internationalen Umweltgesetzen mehr Biss verleihen wollen.

Der Weltkongress wird dann erneut - vom 17. bis 20. Juni in Rio - tagen und die Positionen festzurren, die er auf der Rio+20-Konferenz vom 20. bis 22. Juni präsentieren wird. Gastgeber ist die Vereinigung der Richter des Bundesstaates Rio de Janeiro, Partner sind die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), das Umweltprogramm der Südpazifik-Region, Interpol, die Weltbank und der Weltnaturschutzbund IUCN. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://www.unep.org/dec/worldcongress/
http://www.uncsd2012.org/rio20/index.html
http://www.unep.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107208

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 27. März 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2012