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SOZIALES/005: Asien - Klimawandel trifft Region am härtesten, viele Vertriebene auf Pazifikinseln (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. November 2011

Asien: Klimawandel trifft Region am härtesten - Viele Vertriebene auch auf Pazifikinseln

von Rousbeh Legatis


New York, 18. November (IPS) - Die Länder Asiens, in denen etwa 60 Prozent der Weltbevölkerung leben, werden nach Einschätzung von Wissenschaftlern in den kommenden Jahrzehnten am schlimmsten von Klimawandel und Umweltzerstörung betroffen sein.

In 90 Prozent der im letzten Jahr registrierten, umweltbedingten Vertreibungen stecken Klimaprobleme, wie das international tätige 'Internal Displacement Monitoring Centre' (IDMC) mit Sitz in Genf berichtet. In diesem Jahr wurden 38,8 Millionen Frauen, Männer und Kinder vor allem durch Stürme und Überschwemmungen in die Flucht geschlagen.

Von den 16 Staaten mit dem höchsten Risiko, in den nächsten 30 Jahren von Umweltveränderungen gravierend geschädigt zu werden, liegen zehn in Asien. Das geht aus dem 'Climate Change Vulnerability Index 2010' des 'Maplecroft Institute' im britischen Bath hervor, das globale Risiken bewertet.

Allein in Südostasien könnten extreme Wetterphänomene wie steigende Meerespegel und Stürme jährlich wirtschaftliche Verluste von 230 Milliarden US-Dollar verursachen, warnte Bart Édes, Leiter der Abteilung für Armutsbekämpfung, Gender und soziale Entwicklung der Asiatischen Entwicklungsbank (AsDB), im Gespräch mit IPS. "Die Lebensgrundlage von Millionen Menschen ist bedroht."

Die Anpassung an die veränderten Klimabedingungen werde Asien und den Pazifikraum schätzungsweise 40 Milliarden Dollar im Jahr kosten, meinte der Experte. Vom Anstieg der Ozeane seien vor allem die Ärmsten betroffen, die in Küstengebieten nur zehn Meter über dem Meeresspiegel oder in kleinen Inselstaaten leben.


Arme Pazifikstaaten können Vertriebenen nicht helfen

Der Pazifik, der sich über fast ein Drittel der Erde erstreckt, ist das größte Weltenmeer. Hier gibt es rund 30.000 Inseln, von denen etwa 1.000 bewohnt sein dürften. Zu ihnen gehören Kiribati, Samoa, die Salomonen, Tuvalu und Vanuatu, die schon jetzt die Folgen des Klimawandels spüren. Da sie der Gruppe der ärmsten Länder der Welt angehören, verfügen sie nicht über die nötigen Ressourcen, um ihre Bevölkerung effektiv vor den Folgen der Erderwärmung zu schützen.

"Etwa 100 Millionen Menschen wären durch einen Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter geschädigt. Sie leben in 30 kleinen Inselstaaten und den großen Mündungsgebieten in Ägypten, Bangladesch, Niger und Vietnam", erklärte Mary-Elena Carr, die Vize-Direktorin des 'Columbia Climate Centre' in New York. Im beginnenden 21. Jahrhundert müssten die kleinen Inseln mit häufigen Überschwemmungen rechnen.

Genaue Zahlen zur Lebenssituation der Bewohner des dünn besiedelten Pazifikraumes liegen zurzeit noch nicht vor. In den internationalen Debatten über Klimaveränderungen wird diese Region oft übersehen.

Infrastruktur und Gebäude auf den Inselstaaten können Wirbelstürmen, Überschwemmungen, Erdrutschen und hohen Flutwellen nicht standhalten. All diese Umweltkatastrophen haben sich durch den Anstieg der Meeresspiegel verschärft.

Menschen, die durch die Klimaveränderungen vertrieben werden, suchen meist Zuflucht auf den Hauptinseln. Diese Binnenflüchtlinge werden allerdings nicht durch einen international bindenden rechtlichen Rahmen geschützt. Oft werden sie diskriminiert oder Opfer von Gewalt. Zugang zu sozialen Dienstleistungen, Wohneinheiten und Eigentum wird ihnen meist verwehrt.


Überwachungssystem gefordert

"Um dauerhafte Lösungen für die Vertriebenen zu finden, müssen spezifische Strategien entwickelt werden, auch in Situationen, in denen eine Rückkehr nicht möglich ist", meinte die IDMC-Leiterin Kate Halff im Interview mit IPS. Sie plädierte für ein Überwachungssystem, das die Wege der Vertriebenen verfolgen und zügige Hilfe sichern soll. Notwendig seien auch gemeinsame Anstrengungen zur Minimierung der Katastrophenrisiken sowie für Entwicklung und humanitäre Unterstützung.

In der kürzlich vom UN-Menschenrechtshochkommissariat (OHCHR) veröffentlichten Studie 'Protecting the Human Rights of Internally Displaced Persons in Natural Disasters - Challenges in The Pacific' wird die Lage in Samoa, auf den Salomonen und in Papua-Neuguinea verglichen.

Die Untersuchung wirft den Regierungen Versagen vor und stellt fest, dass die Hilfsmaßnahmen für die Vertriebenen unangemessen waren. Die politischen Entscheidungsträger seien nicht auf die Probleme der Vertriebenen eingegangen und hätten sie noch nicht einmal als solche anerkannt, heißt es in dem UN-Bericht. Stattdessen würden sie als 'Betroffene' oder 'Obdachlose' bezeichnet.

Wie Matilda Bogner, der Vertreterin des OHCHR für die Pazifikregion kritisierte, schließen zudem die traditionell vorherrschenden hierarchischen Systeme in den meisten Ländern Frauen von Entscheidungen aus. Die Umsiedlung der Vertriebenen wird überdies durch besondere Formen des Landbesitzes erschwert. So befindet sich das meiste Land in der Hand von Gemeinden und Einzelpersonen und ist nicht für die öffentliche Nutzung bestimmt. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.internal-displacement.org/
http://www.adb.org/
http://maplecroft.com/about/news/ccvi.html
http://climate.columbia.edu/
http://pacific.ohchr.org/docs/IDP_report.pdf
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105870

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 18. November 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. November 2011