Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

SOZIALES/050: UNO will Zugang zu Toiletten verbessern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Juni 2014

UN: Kampfansage an offene Defäkation

von Thalif Deen


Bild: © Naresh Newar/IPS

Fast 40 Prozent aller Nepalesen sehen sich gezwungen, im Freien zu defäkieren
Bild: © Naresh Newar/IPS

New York, 2. Juni (IPS) - Auf dem Höhepunkt des Wahlkampfes in Indien im letzten Oktober erklärte der nationalistische Hindu-Führer Narendra Modi zur Überraschung seiner Zuhörer, dass die wirtschaftliche Entwicklung einen höheren Stellenwert haben sollte als die Religion. "Toiletten haben Vorrang vor Tempeln", sagte Modi, der inzwischen neuer Ministerpräsident des südasiatischen Landes ist.

Der Subkontinent steckt in einer ständigen Sanitärkrise. In Dörfern und städtischen Elendssiedlungen ist die offene Defäkation Normalität. Als Regierungschef des Bundesstaates Gujarat veranlasste Modi den Bau von etwa 76.000 Schultoiletten, "damit mehr Mädchen etwas lernen können", berichtete im April das Magazin 'Economist'.

Am 28. Mai gaben die Vereinten Nationen den Start einer neuen Kampagne bekannt, die den weltweit 2,5 Milliarden Menschen ohne grundlegende Sanitärversorgung dabei helfen soll, den Zugang zu Toiletten zu verbessern.

"Es ist an der Zeit über offene Defäkation zu sprechen", meinte der stellvertretende UN-Generalsekretär Jan Eliasson. Und es sei ebenso an der Zeit, über die vielen Länder zu sprechen, in denen Politik und Gesellschaft konstruktive Maßnahmen ergriffen, um diesem Missstand ein Ende zu setzen.


Mehr als eine Milliarde Menschen gänzlich ohne Toiletten

Nach UN-Angaben konzentrieren sich 82 Prozent der etwa 1,1 Milliarden Menschen, die im Freien defäkieren, auf ganze zehn Länder: auf Äthiopien, China, Indien, Indonesien, Mosambik, Nepal, Niger, Nigeria, Pakistan und den Sudan. Die Weltorganisation will die Praxis bis spätestens 2025 ausgerottet sehen.

Laut Barbara Frost, Geschäftsführerin der Hilfsorganisation 'Water Aid' in London, leben die meisten Menschen, die keinen Zugang zu grundlegenden sanitären Einrichtungen haben, in Südasien. Im Jahr 2012 waren mehr als eine Milliarde Einwohner der Region betroffen. Auch in Subsahara-Afrika ist die Zahl mit knapp 644 Millionen sehr hoch.

"Rein numerisch betrachtet ist die Lage in Indien besonders schwierig. Fast 800 Millionen Menschen leben dort ohne sanitäre Grundversorgung, 600 Millionen von ihnen praktizieren offene Defäkation", erklärt Frost.

Innerhalb von Subsahara-Afrika macht sich in Nigeria sogar eine Verschlechterung der sanitären Grundversorgung bemerkbar. "Anders als in vielen Ländern des Kontinents hat die Zahl der Menschen, die ohne sanitäre Grundversorgung auskommen müssen, zugenommen", sagt Frost.


Erhebliche Gesundheitsgefahren

Wie Chris Williams vom 'Water Supply and Sanitation Collaborative Council' (WSSCC) in Genf warnt, führt offene Defäkation zu Krankheiten, wirtschaftlichen Einbußen und vermeidbaren Todesfällen.

"Menschen, die keinen Zugang zu sauberen Toiletten haben und sich danach nicht die Hände waschen können, setzen sich einer Vielzahl von Krankheiten aus, die durch Fäkalien übertragen werden und zum Tod führen können", warnt Williams. "Mit einer verbesserten Hygiene sind solche Ansteckungen leicht zu verhindern. Deshalb nimmt für uns der allgemeine Zugang zur Sanitärversorgung auf der Entwicklungsagenda für den Zeitraum nach 2015 einen hohen Stellenwert ein."

Williams sieht Hygiene als Triebfeder für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung auf der ganzen Welt. "In einer Umgebung ohne sanitäre Einrichtungen und sauberes Wasser sind auch andere Entwicklungsziele unmöglich zu erreichen."

Singapur gehört zu den führenden Ländern, die sich für die Einführung des Welttoilettentags eingesetzt hatten, der alljährlich am 19. November begangen wird. Der stellvertretende ständige Vertreter des Landes bei den Vereinten Nationen, Mark Neo, wies darauf hin, dass der Mangel an Toiletten gerade für Mädchen und Frauen mit der erhöhten Gefahr einhergehe, sexuell belästigt wenn nicht gar vergewaltigt zu werden. Mit einer Veranstaltung wird Singapur ein Schlaglicht auf diesen Zusammenhang werfen.

Laut Neo ist es höchst unwahrscheinlich, dass das UN-Millenniumsentwicklungsziel, wonach bis 2015 eine Basis-Sanitärversorgung für alle Menschen vorgesehen ist, termingerecht erreicht werden kann. Daher müsse das Thema auf der Agenda für die Jahre nach 2015 einen wichtigen Platz einnehmen.

Die UN wollen ihre Kampagne gegen offene Defäkation bis Ende kommenden Jahres führen. Die britische Werbeagentur 'Mother' steuert kostenfrei Ideen und Materialien dazu.

Wie WaterAid hervorhebt, verbreiten sich Erreger von Krankheiten wie Diarrhö, Cholera und Bilharziose dort besonders rasch, wo die offene Defäkation praktiziert wird. Täglich sterben durchschnittlich 1.400 Kinder an Durchfallerkrankungen, die auf den Mangel an sauberem Wasser, grundlegenden Sanitäranlagen und guter Hygiene zurückzuführen sind.


Globaler Fonds hilft Millionen Menschen

Williams zufolge unterstützt die Toilettenbewegung mit Hilfe des Globalen Sanitärfonds (GSF) von WSSCC jedes Jahr Millionen von Menschen beim Bau eigener Toiletten in ihren Haushalten. Auch die Weltbank und das Weltkinderhilfswerk UNICEF machen mit.

Der Fonds, der elf Länderprogrammen weltweit insgesamt 86 Millionen US-Dollar zugesichert hat, konnte bisher 2,7 Millionen Menschen den Zugang zu Toiletten ermöglichen und 3,7 Millionen Menschen in mehr als 14.400 Orten zu einer saubereren Umwelt durch ein Ende der offenen Defäkation verhelfen. 4,2 Millionen Menschen haben die Möglichkeit, ihre Hände mit Seife zu reinigen.

Nach Angaben von WSSCC sank der Anteil der Weltbevölkerung, die ihre Notdurft im Freien verrichten müssen, zwischen 1990 und 2012 von 24 auf 14 Prozent. In Südasien war der größte Rückgang von 65 auf 38 Prozent zu verzeichnen. Doch die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Stadtbewohnern und der Bevölkerung in ländlichen Gebieten, ist nach wie vor groß. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/05/u-n-vows-eliminate-open-defecation-2025/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 2. Juni 2014
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2014