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SOZIALES/054: Peru - Lokale Probleme innovativ lösen, Bürgermeister bringt Amazonasgemeinde voran (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Juli 2014

Peru: Lokale Probleme innovativ lösen - Bürgermeister bringt Amazonasgemeinde voran

von Milagros Salazar


Bild: © Milagros Salazar/IPS

Bürgermeister José Antonio Bardález mit 'Jepe-Dünger' made in Jepelacio
Bild: © Milagros Salazar/IPS

Jepelacio, Peru, 3. Juli (IPS) - Mit seiner abgerissenen Jeans, der schwarzen Sonnenbrille und dem gegelten Haar sieht er aus wie ein Rapper. Doch der 33-jährige José Antonio Bardález ist der Bürgermeister von Jepelacio, einem Gemeindebezirk im peruanischen Amazonasgebiet. Was ihn aber so besonders macht: Er setzt bei der Lösung lokaler Probleme auf Innovationen, die das Leben der Bevölkerung bereits nachhaltig verbessert haben.

"Ich habe Hochbauingenieurswesen studiert, doch halten mich die meisten hier für einen Umweltingenieur", erzählt Bardález, während er seinen schwarzen Pickup über die staubige Straße lenkt. Immer wieder hält er an, um mit den Menschen in den Dörfern des Departements San Marín in der nördlichen Amazonasregion ein Schwätzchen zu halten.

Der Wagen mit den getönten Scheiben trägt den Schriftzug 'Jepe'. Das ist der Markenname der Produkte, die in und von der Gemeinde hergestellt werden. Jepelacio gehört mit 20.000 Einwohnern, die sich auf 70 Weiler verteilen, zu den größten Bezirken der Provinz Mayobomba. Das Gros der Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft und vom Kaffeeanbau.

Jepelacio ist zwar mit einem bemerkenswerten Artenreichtum gesegnet, leidet aber gleichzeitig unter einem hohen Waldschwund. Die Hälfte der Bevölkerung ist arm, und nach den jüngsten vorliegenden offiziellen Zahlen aus dem Jahr 2009 sind 26 Prozent der Kinder unterernährt. Als Bardález Ende 2010 Bürgermeister wurde, war er trotz eines bescheidenen Jahresbudgets von 93.000 US-Dollar - vier Dollar pro Kopf - fest entschlossen, Abhilfe zu schaffen.


Abfall zu Dünger

Zunächst mobilisierte er die Bevölkerung. Dutzende Familien halten nun die Straßen in Ordnung, sammeln und trennen den Müll. Vor den Häusern stehen separate Behälter für organische und andere Abfälle, die in regelmäßigen Abständen abgeholt werden. Die organischen Abfälle werden mit Hilfe von Mikroorganismen, wie sie in Hefemixturen, Melasse, Molke und Pansen enthalten sind, zersetzt und in Dünger verwandelt.

Mit einem Liter dieser Gärungsmittel lassen sich 100 Tonnen organisches Material zersetzen, wie der Bürgermeister stolz berichtet. In fünf Tagen können die Abfälle Temperaturen von bis zu 70 Grad Celsius erreichen. Dann wird die Masse nur noch durch ein Sieb gepresst, und fertig ist der Jepe-Dünger. Der gesamte Herstellungsprozess dauert etwas mehr als zwei Wochen.

Jeden Monat zersetzt der Gemeindebezirk auf diese Weise rund 30 Tonnen organischen Abfall. Die anfallenden Kosten in Höhe von 3.500 Dollar werden durch den Verkauf des Düngers zu 143 Dollar pro Tonne gedeckt. "Eine Win-Win-Situation", wie Bardález betont. Zumal der Bau einer Müllanlage fast eine Million Dollar kosten würde. Das könnte sich die Gemeinde angesichts ihres bescheidenen Etats nie leisten. "Und was das Beste ist: Die Mikroorganismen sind geruchslos und eine Umweltverschmutzung bleibt aus. Zudem lernen die Menschen, wie sich mit organischem Müll Geld verdienen lässt", so der Bürgermeister.

Um das Konzept auf den gesamten Bezirk auszuweiten, werden Wettbewerbe veranstaltet. Jeweils zehn Dörfer präsentieren dann ihre Mini-Düngemittelanlagen. "Das bedeutet einen Zugewinn von jeweils zehn sauberen Orten", schmunzelt Bardález. Zudem lernen die Schüler der Sekundarstufe, wie man den Jepe-Dünger herstellt und einen Familienbetrieb führt.


Sauberes Trinkwasser, weniger Durchfall

Bardález hat zudem dafür gesorgt, dass das Wasser einer lokalen Quelle gefiltert, entkeimt und als 'Jepe-Wasser' für 50 Cent pro 20 Liter verkauft wird. Dies führte zu einer Abnahme der Durchfallerkrankungen in der Gemeinde. "Dieses Wasser ist genießbar. Wir müssen es nicht mehr abkochen. Das erspart uns Zeit und Geld", berichtet die dreifache Mutter Margarita Delbado.

Bild: © Milagros Salazar/IPS

Ein Einwohner von Jepelacio mit einem Kanister 'Jepe-Wasser'
Bild: © Milagros Salazar/IPS

Die Schulen in der Gemeinde und die rund 100 Familien, die an dem Mülltrennungsprojekt beteiligt sind, bezahlen gar nichts für das Wasser, das in blauen Kanistern mit dem Aufdruck 'Jepe' verkauft wird.

Im April 2013 hatten die Behörden von San Martín Jepelacio zu einem wichtigen Verbündeten im Kampf gegen die Unterernährung von Kindern erklärt. Im Dezember erhielt die Gemeinde eine Auszeichnung für den Beitrag zur Lösung krankmachender sozialer Probleme.

In Jepelacio gibt es inzwischen sogar einen aus Felsen gebauten Swimmingpool für die Familien. Er befindet sich unterhalb eines Wasserfalls des Flusses Rumi Yacu. "Innovationen lassen sich schon mit kleinen Kniffen erreichen", betont Bardález, der sich nur deshalb zur Bürgermeisterwahl aufstellen ließ, weil er in seinem Beruf nicht die Projekte umsetzen konnte, die ihm wichtig waren.

Gleich zu Anfang seiner Amtszeit hatte er ein Darlehen für den Kauf schwerer Maschinen aufgenommen und damit zunächst Kritik geerntet: "Was will er bloß mit einem Bagger, einem Traktor, einem Bulldozer und einem Müllcontainer?", hätten die Bürger damals kopfschüttelnd gefragt. Doch seit die Maschinen beim Straßenbau zum Einsatz kommen und schwere Steine aus dem Weg räumen, ist das Gemurre verstummt. Bardález zufolge lohnt es sich manchmal, ein Risiko einzugehen. Jepelacio ist dafür ein gutes Beispiel. (Ende/IPS/kb/2014)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2014/07/un-pueblo-amazonico-de-peru-mejora-su-vida-con-mucho-ingenio/
http://www.ipsnews.net/2014/07/problems-inspire-ingenious-solutions-in-peruvian-amazon-town

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 3. Juli 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2014