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USA/007: Wie Konzerninteressen die Ratifizierung der UN-Biodiversitätskonvention verhindern (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2014
REGulIEREN - ABER WIE?
Vom Sinn und Unsinn der (De-)Regulierung

Eine kurze Geschichte des Scheiterns
Wie Konzerninteressen die Ratifizierung der UN-Biodiversitätskonvention (CBD) in den USA verhindern

von Christian Schwarzer



1994 wurde die Ratifizierung der CBD im US-Senat von der Tagesordnung genommen und kam seither nie wieder auf. Damit sind die USA lediglich Beobachter der Verhandlungsrunden, sind nicht an ihre Beschlüsse gebunden und können keinen formellen Einfluss auf die Verhandlungen ausüben. Und dass, obwohl ein Großteil der Konvention auf US-amerikanischer Gesetzlage beruht.


Auf dem Klimagipfel 1992 in Rio de Janeiro, verweigerte US-Präsident George Bush der CBD seine Unterschrift, obwohl Teile des Konventionstextes nach dem Vorbild amerikanischer Naturschutzgesetze entstanden sind. Offiziell wurde dieser plötzliche Rückzieher mit der Befürchtung begründet, dass die CBD die USA und andere Industrienationen verpflichte, dauerhaft Transferleistungen für Naturschutzmaßnahmen in Länder des globalen Südens zu leisten. In Wirklichkeit erlag Bush dem Druck von konservativen Republikanern und der US-Pharma- und Saatgutindustrie. Sie befürchteten Gewinneinbußen und Einschränkungen des Patentrechts durch Regelungen über den gerechten Vorteilsausgleich bei der Nutzung genetischer Ressourcen. Kurz nach seinem Amtsantritt unterzeichnete Bill Clinton im Juni 1993 die CBD. Doch obwohl sich die Anforderung der CBD mit US-amerikanischen Bundes- und Landesrecht deckt, bleibt die obligatorische Bestätigung des US-Senats seit 1994 aus.

Spurensuche für den Stimmungsumschwung im US-Senat

Zurückgeführt werden kann die Verweigerung der Ratifizierung auf eine bestens koordinierte Lobbykampagne verschiedener Interessenvertreter, die befürchteten, die CBD könnte die USA dazu verpflichten, einen Großteil ihrer landwirtschaftlich genutzten Flächen in Schutzgebiete umzuwandeln. So ließ eine Koalition aus Landbesitzern, Pharmaunternehmen, Agar-Lobbyisten und Viehzüchterverbänden 1994 nichts unversucht, die Mitglieder des US-Senates von der Ratifizierung der CBD abzuhalten. Drahtzieher dieser Anti-CBD-Kampagne waren vor allem einflussreiche Industrielle. Weiterhin bildete sich zu jener Zeit innerhalb der politischen Rechten, der klassischen Wählerschicht der Republikaner, eine Bewegung gegen die Agenda 21, dem Leitpapier für nachhaltige Entwicklung. Sie befürchtete größere staatliche Kontrolle und die Verletzung des Rechtes auf die persönliche Freiheit des Einzelnen. Konservative Gruppen innerhalb der Republikaner und Evangelikale bezeichneten die Agenda 21 als "einen bedeutenden Schritt zur Öko-Diktatur" und haben damit einen erheblichen Einfluss auf die umweltpolitische Ausrichtung der Partei nach Rio 1992.

Wo bleibt Obamas Neustart?

Bis heute hat sich keine US-Regierung getraut, die Ratifizierung wieder auf die Tagesordnung des US-Senates zu setzen. Ein Vertreter des US State Departments, welches die USA in internationalen Verhandlungsprozessen vertritt, sagte dem Autor dieses Artikels 2012, man fürchte mit einer solchen Initiative "die Büchse der Pandora zu öffnen" und damit "mehr zu verlieren als zu gewinnen". Bei der momentanen politischen Gesamtsituation sei davon auszugehen, dass konservative Kräfte im Kongress, wie die Tea-Party-Bewegung, einen solchen Vorstoß nutzen würden um nicht nur die Ratifizierung der CBD zu verhindern, sondern auch die Umsetzung anderer UN-Umweltabkommen noch stärker zu torpedieren.

Anders gesagt: Naturschutz gewinnt in den USA - wie auch in Deutschland - keine Wählerstimmen. Es sind Themen wie die Gesundheitsreform, Spritpreise, das Recht auf Waffenbesitz, Abtreibung oder die Einwanderungsreform, die in der US-amerikanischen Bevölkerung für Debatten sorgen und aufmerksam verfolgt werden. Daher ist die Attraktivität, sich für ein derartiges Nischenthema einzusetzen, für die US-Regierung denkbar gering.

Bis heute übt die "Anti-Agenda 21 Bewegung" Einfluss auf die US-amerikanische Politik aus. Die republikanische Partei verabschiedete 2012 sogar eine Erklärung, in der die Agenda 21 und die UN als Teil einer großangelegten Weltverschwörung gegen die USA bezeichnet werden. Es wird behauptet, dass die UN durch multilaterale Zusammenarbeit und internationale Abkommen die Souveränität der Vereinigten Staaten akut bedrohen.

Jedoch haben die USA trotz ihres Beobachterstatus in der CBD immer noch genug Möglichkeiten Einfluss auf den Verhandlungsverlauf zu nehmen. In der Vergangenheit arbeiteten die Vereinigten Staaten beispielsweise sehr eng mit Staaten wie Kanada oder Australien zusammen, die quasi als Sprachroh US-amerikanischer Interessen fungierten.

Einfluss der Wirtschaft

Der Fall der Nicht-Ratifizierung der CBD ist ein weiteres Beispiel, welch gewaltigen Einfluss einzelne Wirtschaftszweige oder Unternehmen durch gut finanzierte Lobbykampagnen auf die US-Politik ausüben. Ebenfalls wird deutlich, wie weit die ablehnende Haltung gegenüber global verbindlichen Umweltschutzabkommen in der US-amerikanischen Gesellschaft verbreitet ist und wie eng mit kulturellen Aspekten verknüpft. Maßnahmen, die auch nur im entfernten Sinne zu einer Einschränkung des Rechts auf persönliche Freiheit führen könnten, werden von konservativen Gruppen vehement abgelehnt und als eine Bedrohung des "American Way of Life" gebrandmarkt.


Autor Christian Schwarzer ist Jugendbotschafter für die UN-Dekade zur biologischen Vielfalt.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2014, Seite 25
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. November 2014