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WALD/031: Ist der Tropenwald noch zu retten? (ForschungsReport)


ForschungsReport 1/2011
Ernährung · Landwirtschaft · Verbraucherschutz

Wald und Holz

Ist der Tropenwald noch zu retten?
Die Zerstörung der letzten Tropenwälder heizt das Klima auf

Von Thomas Baldauf, Daniel Plugge, Aziza Rqibate und Thomas Schneider (Hamburg)


Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) werden nach wie vor jährlich etwa 15 Millionen Hektar Tropenwald zerstört. Alle bisherigen Bemühungen, im Rahmen der forst- und umweltpolitischen Verhandlungen der internationalen Staatengemeinschaft dieser Entwicklung gegenzusteuern, hatten nur wenig Erfolg. Ist der Tropenwald noch zu retten?


"Wälder für Menschen"

Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2011 zum Internationalen Jahr der Wälder erklärt. "Forests For People - Wälder für Menschen" heißt das Motto wie schon auf dem Weltforstkongresses in Jakarta 1978. Hierbei soll die Abhängigkeit der Menschen von Wäldern verstärkt ins öffentliche Interesse gestellt werden, da diese die Verantwortung für die nachhaltige Entwicklung, Bewirtschaftung und den Schutz der Wälder dieser Erde tragen.

Die Wälder der Erde und das globale Klima sind eng miteinander verknüpft. Einerseits tragen Wälder als wartungsfreie Klimaanlage der Erde tagtäglich durch die Transpirationsleistung zur natürlichen Abkühlung der Atmosphäre bei. Sie speichern darüber hinaus etwa die Hälfte des auf der Erde gebundenen Kohlenstoffs (nach Veröffentlichungen des World Conservation Monitoring Centre der Vereinten Nationen enthalten die terrestrischen Ökosysteme der Erde mehr als 2.000 Milliarden Tonnen Kohlenstoff). Dieser indirekte Einfluss der Wälder auf das Klima wird erst deutlich, wenn durch Zerstörung dieses Kohlenstoffspeichers - zum Beispiel durch Brandrodung, Umwandlung in Agrarflächen oder Energieplantagen - der ehemals gebundene Kohlenstoff in die Atmosphäre emittiert wird. Diese Emissionen zusammen mit der damit verbundenen Freisetzung anderer im Boden gespeicherter Treibhausgase sowie die verloren gegangene Speicherfunktion trägt massiv zur Erderwärmung bei. Emissionen aus Entwaldung und Waldschädigung machen einen wesentlichen Teil (schätzungsweise zwischen 12 und 20%) der vom Menschen produzierten Treibhausgase aus.


Steuerung durch die Politik

140 Experten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft diskutierten auf der Wald-Klima-Konferenz, veranstaltet durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) im Oktober 2010 in Berlin. Hierbei wurde die Bedeutung der Tropenwälder herausgestellt und die Notwendigkeit, sie durch politische Maßnahmen zu schützen, verdeutlicht. Der 2006 erschienene Stern-Report (s. Info-Box) hat aufgezeigt, dass eine schnelle Minderung der weltweiten Entwaldung eine äußerst kosteneffektive Maßnahme ist, um die Treibhausgasemissionen herunterzufahren und dadurch zum globalen Klimaschutz beizutragen. Daher ist diese Thematik auch in die internationalen Klimaverhandlungen einbezogen worden.

Info: Der Stern-Report (englisch: Stern Review on the Economics of Climate Change) ist ein am 30. Oktober 2006 veröffentlichter Bericht des ehemaligen Weltbank-Chefökonomen und jetzigen Leiters des volkswirtschaftlichen Dienstes der britischen Regierung Nicholas Stern. Der im Auftrag der britischen Regierung erstellte Bericht untersucht insbesondere die wirtschaftlichen Folgen der globalen Erwärmung.



REDD als Schutzmechanismus für Tropenwälder

Trotz vieler Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft, im Rahmen der forst- und umweltpolitischen Verhandlungen der Zerstörung der Tropenwälder entgegenzuwirken, sind bisher nur wenige Erfolge zu verzeichnen. Bei den Klimaverhandlungen 2005 in Montreal wurde von der "Coalition for Rainforest Nations", einem Zusammenschluss von 15 Entwicklungsländern unter der Führung von Costa Rica und Papua Neu-Guinea, der Begriff und die Idee von REDD vorgestellt. Unter dem Begriff wird die Verringerung von Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern verstanden (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation). Die Idee von REDD ist, dem in den Wäldern gespeicherten Kohlenstoff einen Geldwert beizumessen und somit den Erhalt und Schutz von Wäldern in wirtschaftliche Entscheidungsprozesse einzubinden. Dadurch soll Entwaldung wirtschaftlich weniger attraktiv und noch vorhandene Waldgebiete vor Zerstörung und Schädigung bewahrt werden. Indem sich einzelne Länder verpflichten, ihre Emissionen aus Waldzerstörung und -schädigung zu verringern, werden sie im Gegenzug für diese Reduktion finanziell entlohnt.

So einfach der Hintergrund und das Ziel von REDD auch erscheinen - die methodische Umsetzung und der Aufbau von finanziellen Ressourcen stellen eine große Herausforderung sowohl für die Wissenschaft als auch für die internationale Staatengemeinschaft dar.

Zentrale Fragen sind:

• Wie lässt sich ermitteln, ob und wie stark die Rodung oder Schädigung der Wälder gegenüber einem vereinbarten nationalen Referenzwert vermindert worden ist?

• Aus welchen Gründen und in welcher Form werden Ressourcen des Waldes genutzt und welches Ausmaß nimmt diese Nutzung regional an?



Pilotstudie in Madagaskar

Um diese Fragen zu beantworten, wurde das Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI) vom BMELV beauftragt, methodische Grundlagen zur Umsetzung des REDD-Mechanismus zu erarbeiten. Die vTI-Institute für Weltforstwirtschaft und für Ökonomie der Forst- und Holzwirtschaft nahmen sich der Problematik an. In einer Pilotstudie wurden folgende vier notwendige Komponenten für die nationale Ausgestaltung von REDD ermittelt:

i. Ein System, mit dem sich anrechenbare Verringerungen von CO2-Emissionen beziffern lassen.
ii. Eine Methode, durch die sich der menschliche Einfluss auf Wälder - vor allem auf Entwaldung und Walddegradierung - identifizieren und bewerten lässt.
iii. Eine Baseline, die den Richtwert der zugestandenen Emissionen eines Landes angibt.
iv. Ein Anreizsystem, das landespezifische und operative Mittel zur Reduktion der Entwaldung und Walddegradierung bereitstellt, und das deren nationale Verteilung regelt.

Abb. 2: Räumliche Verteilung der auf Madagaskar vorkommenden Waldtypen und die ausgewählten Aufnahmegebiete. 1) Tsinjoarivo: Wechselfeuchter Regenwald im Hochplateau Madagaskars, Gesamtfläche: ca. 32.000 ha. 2) Manompana: Immerfeuchter Regenwald an der Ostküste, Gesamtfläche: ca. 46.000 ha. 3) Tsimanampetsotsa: Trockenwald im Süden, Gesamtfläche: ca. 43.000 ha - © vTI

Abb. 2: Räumliche Verteilung der
auf Madagaskar vorkommenden Waldtypen
und die ausgewählten Aufnahmegebiete.
© vTI

1) Tsinjoarivo: Wechselfeuchter Regenwald im Hochplateau Madagaskars,
    Gesamtfläche: ca. 32.000 ha.
2) Manompana: Immerfeuchter Regenwald an der Ostküste Madagaskars,
    Gesamtfläche: ca. 46.000 ha.
3) Tsimanampetsotsa: Trockenwald im Süden Madagaskars,
     Gesamtfläche: ca. 43.000 ha.

Madagaskar erwies sich für diese Fragestellungen als ideal, da hier auf relativ kleinem Raum eine Vielzahl der auch in anderen tropischen Ländern vorkommenden Waldtypen vorhanden ist. Angelehnt an international anerkannte Kategorien für tropische Wälder wurde eine Einteilung in den wechselfeuchten, den immerfeuchten und den trockenen Tropenwald vorgenommen. Für jeden dieser Waldtypen wurde ein Gebiet ausgewählt, welches sowohl noch intakten als auch bereits geschädigten Wald aufwies. Eine weitere Vorgabe war das Vorhandensein von Ortschaften, deren Bevölkerung von der Nutzung des Waldes abhängig ist.

Um die erste Frage zu beantworten, wurde in jedem der drei Gebiete eine sogenannte "kombinierte Inventur" durchgeführt. Hierbei werden Fernerkundungsdaten und eigens erhobene terrestrische Daten miteinander in Beziehung gesetzt. Mit dieser Methodik lässt sich die Biomasse in den Wäldern der Gebiete berechnen. Vergleicht man nun die Biomasse zu einem aktuellen Zeitpunkt mit der eines früheren Zeitpunktes, so lassen sich die in diesem Zeitraum freigesetzten Emissionen aus dem Wald bestimmen. Werden diese Emissionen auf den vereinbarten Referenzwert für diesen Zeitraum bezogen, lässt sich errechnen, ob sich die Emissionen verringert haben.

Abb. 3: Phasen des Top-down Ansatzes zur Bestimmung der Biomasseänderung zwischen zwei Zeitpunkten - Fernerkundungsphase 1: Regionalisierung und Wald/Nichtwald Stratifizierung; Fernerkundungsphase 2: Stratifizierung der Aufnahmegebiete; Terrestrische Inventur: Systematische in-situ Erhebung; Messung am Baum: Dendrometrische und weitere Parameter - © vTI

Abb. 3: Darstellung der Phasen des Top-down Ansatzes der entwickelten Erhebungsmethode zur Bestimmung der
Biomasseänderung zwischen zwei Zeitpunkten
© vTI

Die Ergebnisse zeigen, dass die in der Pilotstudie entwickelten methodischen Grundlagen zuverlässige Aussagen über die Biomasse eines Landes zu verschiedenen Zeitpunkten erlauben.

Um die zweite Frage zu beantworten, wurden die Bedürfnisse der Bevölkerung an den Wald durch Befragungen ermittelt. Hierdurch ließen sich für jedes der drei Gebiete die Gründe für Entwaldung und Waldschädigung nach ihrer jeweiligen lokalen Bedeutung einordnen. Gemein war allen Gebieten, dass die Gewinnung von Agrarfläche, das Beschaffen von Holz als Brennmaterial und die Herstellung von Bauholz zu den wichtigsten direkten Gründen für Entwaldung zählen. Unter anderem wurde festgestellt, dass das Einkommen der ärmsten Haushalte zu knapp zwei Dritteln direkt von der Entwaldung abhängt. Weiter von Bedeutung sind auch indirekte Gründe, zum Beispiel die vorhandenen Forstgesetze oder die unterschiedlichen rechtlichen Besitzansprüche auf Waldflächen. Durch die Gewichtung der direkten und indirekten Gründe ließen sich für jedes Gebiet die spezifischen Stellschrauben für die internationale Zusammenarbeit aufzeigen.

Die mit dieser Methode in Madagaskar zusammen mit lokalen Projektpartnern gewonnenen Erkenntnisse über die Reduktion der Emissionen und die direkten und indirekten Gründe der Entwaldung und Waldschädigung stellen eine wesentliche Grundlage für eine nationale Umsetzung des REDD-Mechanismus dar.

Der finanzielle Ausgleich für eine erfolgreiche Reduktion der Emissionen soll anschließend zweckgebunden in ein Anreizsystem einfließen. Für die lokale Bevölkerung werden in einem solchen System Anreize geschaffen, um die Nutzung des Waldes einzuschränken beziehungsweise nachhaltig zu steuern. Die Entwicklung und beispielhafte Umsetzung eines solchen Systems wurde von den Kooperationspartnern Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ, früher GTZ) und Schweizerische Stiftung für Entwicklung und internationale Zusammenarbeit (Intercooperation Suisse) betreut.

Die Ergebnisse dieser Pilotstudie wurden zu Empfehlungen für die REDD-Verhandlungen auf der Weltklimakonferenz in Kopenhagen 2009 ausgearbeitet.



Ausblick

Auf der Weltklimakonferenz in Cancún im Dezember 2010 hat sich die Staatengemeinschaft nach schwierigen Verhandlungen auf ein umfassendes Maßnahmenpaket zum Klimaschutz verständigt. Die darin enthaltenen Entscheidungen zum Schutz der Wälder und des Kapazitätsaufbaus in Entwicklungsländern sind ein Meilenstein auf dem Weg zu einem REDD-Mechanismus. Im Rahmen der Konferenz forderte die Politik die wissenschaftliche Gemeinschaft auf, die noch bestehenden offenen Fragen in der Umsetzung von REDD zu beantworten. Eine wissenschaftlich fundierte Begleitung des BMELV bei den zukünftigen klimapolitischen Entscheidungsprozessen wird weitere Forschung des vTI erfordern. Derzeit arbeitet das Institut für Weltforstwirtschaft an der methodischen Weiterentwicklung von REDD.

Hierbei werden in Zusammenarbeit mit der FAO Erhebungsmethoden entwickelt, die die Walddegradierung auf der Grundlage von Fernerkundungsdaten bereits in frühen Stadien erfassen. Durch die Kombination mit Erhebungen vor Ort werden der Zustand und die Veränderungen von Biomasse- und Kohlenstoffvorrat quantifiziert. Es ist zu hoffen, dass durch eine erfolgreiche Umsetzung des REDDMechanismus ein wesentlicher Beitrag zur Rettung des Tropennwaldes geschaffen wird.

Thomas Baldauf, Daniel Plugge, Aziza Rqibate, Dir. u. Prof. Dr. Thomas Schneider; Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI), Institut für Weltforstwirtschaft, Leuschnerstr. 91, 21031 Hamburg. E-Mail: thomas.baldauf[at]vti.bund.de



Bildunterschriften und Erläuterung zu im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:


Abb. 1: Kohlenstoffspeicherung in terrestrischen Ökosystemen (aus dem UNEP Atlas zu Kohlenstoff und Biodiversität)

Abb. 4: Methodisches Vorgehen zur Analyse der Gründe der Entwaldung und Walddegradierung
(Rahmenbedingungen, Datensammlung, Auswertung) → Methodenentwicklung → (Akteure der Entwaldung und Degradierung, Erklärende Variablen) → Gründe der Entwaldung und Degradierung → (Input für die Baseline, Basis für die Entwicklung von Anreizsystem) → Output


Entnommen aus ForschungsReport 1/2011.
Diesen Artikel inclusive aller Abbildungen finden Sie im Internet im PDF-Format unter:
www.forschungsreport.de


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Quelle:
ForschungsReport Ernährung · Landwirtschaft · Verbraucherschutz
1/2011, Heft 43 - Seite 4-8
Herausgeber:
Senat der Bundesforschungsanstalten im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Schriftleitung & Redaktion: Dr. Michael Welling
Geschäftsstelle des Senats der Bundesforschungsanstalten
c/o Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI)
Bundesallee 50, 38116 Braunschweig
Tel.: 0531/596-1016
E-Mail: michael.welling@vti.bund.de
Internet: www.forschungsreport.de, www.bmelv-forschung.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2011