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WALD/048: Bolivien - Straßenbauprojekt bedroht Urwald (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. September 2011

Bolivien: Straßenbauprojekt bedroht Urwald - Zunahme von illegalem Koka-Anbau befürchtet

von Franz Chávez


La Paz, 8. September (IPS) - In Bolivien mehrt sich Widerstand gegen ein geplantes Straßenbauprojekt, das die Zerstörung eines artenreichen Regenwaldgebietes in der Größe von 3.000 Fußballfeldern zur Folge hätte. Die Fahrbahn soll mitten durch den von 15.000 Indigenen bewohnten Nationalpark Isiboro Sécure verlaufen. Umstritten ist das Projekt auch deshalb, weil es zur Ausweitung der illegalen Koka-Pflanzungen führen wird.

Die Größe des 1965 geschaffenen Naturparks wurde 1990 auf 12.362 Quadratkilometer festgelegt und der Großteil des Gebietes - 11.000 Quadratkilometer - 2009 den ethnischen Moxeña, Yuracaré und Chimán zugesprochen. Wald und Savanne erstrecken sich von der Moxos-Ebene im nordöstlichen Departement Beni bis zu den Ausläufern des Anden-Hochgebirges in Cochabamba in bis zu 2.700 Metern Höhe über dem Meeresspiegel.

Die geplante Straße soll 306 Kilometer lang und mehr als sieben Meter breit werden und von Villa Tunari in Cochabamba nach San Ignacio de Moxos in Beni führen. Für ein Teilstück ist eine Umweltverträglichkeitserklärung notwendig, die bisher nicht vorliegt. Die bolivianische Straßenbehörde ABC schätzt die Kosten für das Roden von 1.530 Hektar Wald und für andere Vorbereitungsarbeiten auf 3,8 Millionen US-Dollar.


Korridor für Warentransport zum Pazifik

Die Gesamtkosten für das Bauvorhaben werden mit 415 Millionen Dollar beziffert, von denen 80 Prozent vom brasilianischen Staat getragen werden. Nach Angaben der Regierung von Staatschef Evo Morales kommt das Projekt etwa 1,7 Millionen Menschen aus Cochabamba und Beni zugute und schafft einen Korridor für den internationalen Warentransport von Brasilien bis zum Pazifik.

Umweltschützer warnen jedoch, dass mit dem Vorhaben enorme Risiken verbunden sind. Die betroffene Region ist mit 714 Tier- und mehr als 3.000 Pflanzenarten ökologisch besonders wertvoll, heißt es. Gaston Cornejo, ein ehemaliger Senator der Regierungspartei 'Bewegung zum Sozialismus', warnt davor, dass nach dem Bau der Straße Projekte zur Produktion von Biotreibstoff und genmanipulierten Agrarpflanzen folgen würden.

Eine Untersuchung des Bolivianischen Forums für Umwelt und Entwicklung, die IPS vorliegt, vergleicht die Auswirkungen des Straßenbaus mit den Folgen eines "Tornados, der alles zerstört". Es stehe zu befürchten dass 64 Dörfer mit insgesamt 1.500 Einwohnern in dem Naturpark verschwinden würden.

Bolivien gehört zu den Ländern mit einer besonders hohen Entwaldungsrate. Der jährliche Pro-Kopf-Verlust beträgt 320 Quadratmeter. Er liege um das 20-Fache über dem weltweiten Durchschnitt, so Andrea Urioste von der Stiftung Freunde der Natur. Urioste zufolge verschwinden jährlich weltweit etwa 130.000 Quadratkilometer tropischer Wald. Das entspricht in etwa der Größe Nicaraguas.

Der Regierung sei nicht bewusst, dass das Land weltweit zu den Spitzenreitern bei der Vernichtung von Wald gehöre, erläuterte sie und beklagte das Fehlen eines realistischen Plans zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung.


Versagen beim Klimaschutz vorgeworfen

Im Mai hatte die Vertreterin der Vereinten Nationen in Bolivien, Yoniko Yasukawa, dem südamerikanischen Land zwar bescheinigt, nicht maßgeblich zum Treibhauseffekt beizutragen. Der Andenstaat habe andererseits aber nicht genug getan, um den Ausstoß an schädlichen Emissionen zu reduzieren. Als Beleg dafür nannte Yasukawa die Zerstörung von jährlich etwa 300.000 Hektar Wald in Bolivien.

Die Umweltanalystin Teresa Flores warnte zudem vor einer Zunahme des Kokaanbaus. Koka ist einerseits eine traditionelle Kulturpflanze, andererseits der Grundstoff zur Herstellung von Kokain. Die Regierung hat Bauern bestimmte Gebiete im Norden des Landes für den legalen Anbau überlassen. In dem südamerikanischen Land wird Koka aber auch illegal angepflanzt.

Vor zwei Jahren hatten Mitarbeiter der Aufsichtsbehörde für Naturschutzgebiete Alarm geschlagen, als sie im Isiboro-Sécure-Park auf bewaffnete Männer stießen, bei denen es sich offenbar um Drogenhändler handelte. Wenig später ließ der damalige Vizeminister für Landwirtschaft, Alejandro Almaraz, verlauten, dass die illegalen Kokafelder in dem Naturpark zwischen 4.000 und 5.000 Hektar groß sein dürften. Inzwischen ist Almaraz, der sein Amt im Februar 2010 aufgab, einer der größten Gegner der geplanten Autostraße.

Etwa tausend Ureinwohner aus den Amazonasgebieten bewegen sich in einem Protestmarsch auf die Hauptstadt La Paz zu, um gegen das Bauprojekt zu protestieren. Behördenvertreter werfen Nichtregierungsorganisationen und sogar der US-Entwicklungsagentur USAID vor, die Proteste zu schüren. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. September 2011