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WALD/138: Internationale Verhandlungsprozesse und Vereinbarungen (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013
Holzplantage oder Ökosystem? - Wälder unter Nachfragedruck

Waldkonventionen und andere Vereinbarungen
Eine Sachstandsanalyse zu ausgewählten internationalen Verhandlungsprozessen und Vereinbarungen im Waldbereich

Von Ministerialrat Matthias Schwoerer



Der Druck auf die Wälder weltweit, insbesondere in den Tropen, ist weiter besorgniserregend. Zuweilen erscheinen die erzielten Fortschritte vor Ort oder am Verhandlungstisch noch zu gering angesichts immer neuer Bedrohungen für die Wälder. Zu groß sind die Probleme von Armut oder schwachen Regierungsstrukturen, zu groß die ökonomische Attraktivität anderer Landnutzungsformen, die unter anderem aufgrund der weltweiten Nachfrage nach Soja, Palmöl und anderen Agrarprodukten oftmals zu großflächiger Umwandlung von Naturwäldern führen. Doch gibt es zu weiteren Verhandlungen über internationale Lösungsansätze angesichts der globalen Märkte und weltweiten Vernetzung keine Alternative. Eine stärkere Vernetzung der verschiedenen Prozesse wird dabei immer wichtiger, um Synergien zu fördern und Doppelarbeit zu vermeiden.


Die jüngste Runde der Klimaverhandlungen in Warschau hat erneut vor Augen geführt, wie schwierig es oftmals für die Staatengemeinschaft sein kann, eine Einigung auf essentielle Beschlüsse, nämlich den Planeten betreffend, zu finden. Die gerechte Verteilung von Kosten und Nutzen solcher Beschlüsse unter Berücksichtigung der vielfältigen Ausgangsbedingungen und historischen Entwicklungen aller Verhandlungspartner gleicht der Quadratur des Kreises. Dazu ist das Ziel oftmals beweglich, denn über die langen Verhandlungszeiträume verändern sich auch die Faktoren und meist auch die Positionen und Forderungen. In Teilbereichen hat es relativ unbemerkt allerdings auch in Warschau beachtenswerte Erfolge gegeben. Dazu gehört der Waldbereich, insbesondere das Thema REDD+. Mit den erzielten Entscheidungen über methodische Voraussetzungen u.a. hinsichtlich der nationalen Waldmonitoring-Systeme, der Adressierung der Treiber der Entwaldung und Walddegradierung oder der Messung, Berichterstattung und Verifizierung ist inzwischen ein Stand erreicht, der den Übergang in die nationale Umsetzung möglich macht.

Als Wermutstropfen verbleibt, dass die Entwicklung der REDD+-Initiative zu dem angestrebten weltweit eingesetzten Kompensationsmechanismus für Verzicht auf Waldumwandlung von einem erfolgreichen Abschluss des künftigen Klimaabkommens abhängig und mit dessen Gesamtpaket eng verknüpft ist.(1) Für die nächsten Jahre wird daher zunächst weiter mit freiwilligen Pilotaktionen das Interesse, insbesondere der Tropenwaldländer, an diesem Instrument wach zu halten sein. Deutschland leistet dazu im Rahmen der laufenden Pilotaktivitäten einen aktiven Beitrag, nicht zuletzt durch sein finanzielles Engagement.


Globale Waldkonvention
Vor dem Hintergrund der sich hinziehenden Klimaverhandlungen rückt ein anderer Vorgang aktuell wieder mehr in den Vordergrund. Denn zeitgleich wird derzeit eine Evaluierung des Waldforums der Vereinten Nationen (UNFF) durchgeführt. Die Ergebnisse werden 2015 Grundlage einer Entscheidung der Staatengemeinschaft über dessen Zukunft sein, da das bisherige Mandat ausläuft. UNFF, das sich mit den Anforderungen an nachhaltige Waldbewirtschaftung in der ganzen Breite befasst, war 2000 mit dem Ziel angetreten, Kohärenz und Zusammenarbeit in der internationalen Waldpolitik zu fördern und nachhaltige Waldbewirtschaftung voranzubringen.

Als Errungenschaften können beispielsweise angeführt werden: die Waldübereinkunft der Vereinten Nationen aus 2007, einschließlich der Pilotprojekte zu deren Umsetzung (Ghana, Liberia, Philippinen, Nicaragua und China), die Einigung auf Globale Waldziele, das Voranbringen umfassender nationaler Waldprogramme, die koordinierende Tätigkeit der internationalen Partnerschaft aller waldrelevanten internationalen Organisationen und Institutionen (Collaborative Partnership on Forests CPF) sowie die umfassenden Arbeiten zum Thema Finanzierungsstrategien für nachhaltige Waldbewirtschaftung. Diesen positiven Aspekten steht aber die Tatsache gegenüber, dass UNFF zu wenig Impulse für die Umsetzung konkreter Maßnahmen auf operationeller Ebene entwickeln konnte. So ist die Umsetzung der Waldübereinkunft bis heute - und trotz der erheblichen Finanzmittel, die im Rahmen anderer internationaler Initiativen für Wald bereit stehen - mit Forderungen seitens der Entwicklungsländer nach einem zusätzlichen globalen Waldfonds verbunden.

2015 wird zu entscheiden sein, ob und in welcher Form UNFF fortgeführt werden soll. Auch die Option einer rechtlich verbindlichen globalen Waldkonvention wird erneut auf der Tagesordnung stehen. Letztere wird sicher nur sinnvoll zu verfolgen sein, wenn sie - anders als die bisherige Waldübereinkunft - mit einem effizienten Umsetzungs- und Finanzierungsmechanismus verknüpft wird. An der Schnittstelle zwischen Wald- und Klimapolitik sowie zur Übereinkunft über die biologische Vielfalt (CBD) könnte eine Waldkonvention jedenfalls kontrollierbare Standards für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung und für das Monitoring verbindlich festlegen, um ein zu starkes Auseinanderklaffen der Politikansätze zu vermeiden.


Testfall Europäische Waldkonvention
Im Lichte der anstehenden Diskussionen auf der globalen Ebene haben die Europäer vor zwei Jahren einen ersten Schritt zu Verhandlungen über eine Europäische Waldkonvention gemacht. Der Bezugsrahmen geht hier weit über die EU hinaus und betrifft Gesamteuropa, einschließlich Russland als das größte Waldland der Erde mit einem erheblichen Teil seiner Wälder in der asiatischen Region. Bei der Erteilung des Mandats für die Verhandlungen 2011 in Oslo haben viele Länder, einschließlich Russland, auch auf die Signalwirkung hingewiesen, die dies für die globale Ebene entfalten könnte. Tatsächlich verfolgen auch außereuropäische Länder wie China und Japan das Vorhaben mit großem Interesse. Die USA ebenfalls, allerdings eher weiter als Bremser.

Mit der europäischen Waldkonvention soll ein Rahmen geschaffen werden, der die Multifunktionalität von Wäldern und ihrer Bewirtschaftung festschreibt und damit der weiteren Fragmentierung der Waldpolitikansätze entgegenwirkt. Allen Unterschiedlichkeiten ihrer Länder zum Trotz schafften es die Verhandler in kürzester Zeit, einen völkerrechtlichen Vertrag zu entwerfen, der erstmals in der Geschichte internationales Recht zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder und damit einen gesicherten Rahmen für die Zusammenarbeit in Europa setzen würde. Dazu sind im Abkommen eine erstmals rechtlich verbindliche Definition von nachhaltiger Waldbewirtschaftung sowie die sechs »Helsinki-Kriterien« als Leitlinien für die Waldpolitik festgelegt. Konsequenterweise sind im Verpflichtungsteil zu allen Waldfunktionen nationale Umsetzungsmaßnahmen vereinbart, die insgesamt die nötige Balance zwischen den Anforderungen an die Wälder halten.


Kontrolle über Einhaltung von Verpflichtungen
Zur weiteren Steuerung und Ausgestaltung der Waldkonvention ist eine Vertragsstaatenkonferenz vorgesehen, die alle drei Jahre tagen soll. An diesem Prozess werden auch die Waldbesitzer und andere Interessenvertreter beteiligt werden. Zudem sollen der Waldkonvention mit den vereinbarten Regeln für die Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtungen mehr Durchschlagskraft und damit mehr Glaubwürdigkeit und Sichtbarkeit als dem bisherigen unverbindlichen Forstministerprozess »Forest Europe« verliehen werden. Die Indikatoren dazu sollen auf der ersten Vertragsstaatenkonferenz festgelegt werden.

Bedauerlicherweise scheiterte eine Schlusseinigung auch im zweiten Anlauf, Anfang November 2013 in Genf, an der Einigung auf die Sitzfrage, d.h. die aufnehmende Organisation für das Sekretariat der Waldkonvention. Die Klärung dieser gar nicht an die forstfachlichen Inhalte der Konvention, sondern an übergeordnete strategische Interessen geknüpften Frage ist somit auf unbestimmte Zeit vertagt. 2014 müssen zunächst die für Wald zuständigen Minister Europas erneut zusammentreten, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Bezeugungen aus allen beteiligten Ländern, die ausgehandelte Waldkonvention werde als gelungen und wichtig erachtet, sollten Anstoß genug sein, auch in der Sekretariatsfrage einen Kompromiss zu finden.


Illegaler Holzeinschlag rechtfertigt Sonderweg
Angesichts der Hürden, die für zwischenstaatliche Vereinbarungen von großer Tragweite existieren, ist nicht zu unterschätzen, was im Rahmen gezielter »Themeninitiativen« auf multilateraler Ebene erreicht werden kann. Typisches Beispiel hierfür ist der Kampf gegen den illegalen Holzeinschlag. Dieser hatte vor 10 Jahren mit einfachen Absichtserklärungen und Programmen (G8-Forstaktionsprogramm, FLEGT-Aktionsprogramme der EU sowie anderer Regionen weltweit) begonnen. Inzwischen bestehen sowohl in der EU als auch in anderen Regionen bzw. Ländern mit wichtigen Abnehmermärkten rechtliche Regelwerke gegen illegal gewonnene Holzprodukte, die die Produzentenländer bei der Durchsetzung ihrer Wald- und Naturschutzgesetze unterstützen. So ist zwar keine multilaterale Vereinbarung entstanden, aber doch eine weltweit konzertierte Aktion.

Dass diese erste Wirkung zeigt, belegen wissenschaftliche Analysen. Deutschland hat hier mit seinem konsequenten Handeln im Rahmen der EU-Holzhandelsverordnung, die seit 3. März 2013 voll anwendbar ist, Vorreiterfunktion übernommen. Die erstmalige Beschlagnahme einer Holzlieferung hierzulande bereits kurz nach diesem Termin (in dem Fall Wenge aus Afrika) hat die Branche in ganz Europa nochmals aufgerüttelt und an ihre Sorgfaltspflichten erinnert. BMELV hat zudem mit der Einrichtung des weltweit einzigen Kompetenzzentrums für Holzherkünfte am Thünen-Institut in Hamburg eine Servicestelle geschaffen, die über die Grenzen Deutschlands hinaus zur Verfügung steht, um zweifelhafte Hölzer hinsichtlich der deklarierten Holzart und -herkunft zu überprüfen.


Ministerialrat Matthias Schwoerer ist Referatsleiter im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), Referat Europäische und Internationale Waldpolitik.


Anmerkung
(1) Siehe hierzu einen Kommentar von László Maráz und Thomas Fatheuer auf S. 20 der Druckausgabe.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013, S. 16 - 17
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2014