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WALD/141: Europäische Waldkonvention vorerst gescheitert (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013
Holzplantage oder Ökosystem? - Wälder unter Nachfragedruck

Leider nur »greenwashing«
Europäische Waldkonvention vorerst gescheitert.

Von Friedrich Wulf



Das weltweit erste, rechtlich verbindliche internationale Abkommen zur Bewirtschaftung der Wälder sollte am 7. und 8. November in Genf ins Leben gerufen werden. Darin sollten sich die Mitgliedsstaaten der Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa (MCPFE, jetzt Forest Europe) zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung ihrer Wälder verpflichten. Dabei sollten sechs Kriterien beachtet werden: Waldressourcen, Waldgesundheit, Produktivität, Biodiversität, Schutzfunktionen und andere sozioökonomische Funktionen.


Das tönt schön und gut. Dennoch haben sich Pro Natura, das Forum Umwelt und Entwicklung und der DNR zusammen mit 33 weiteren europäischen NGOs und NGO-Netzwerken wie zum Beispiel Friends of the Earth Europe, BirdLife Europe und Greenpeace gegen die Unterzeichnung dieses Abkommens ausgesprochen. Bei den Verhandlungsrunden in Bonn, Antalya und Warschau hat Pro Natura die Ablehnung der europäischen NGOs deutlich gemacht.

Warum opponieren Umwelt-NGOs gegen ein Abkommen für den Wald?
Der Hauptgrund ist, dass das Abkommen mehr vorgibt, als es ist: Die Konvention ist zwar formal verbindlich, enthält aber kaum Substanz und gibt lediglich den geringsten gemeinsamen Nenner wieder. In der Sache verpflichtet sie zu nichts. Dennoch wird mit diesem Instrument der Eindruck verbreitet, europäisches Holz sei per se nachhaltig und bedenkenlos nutzbar und in europäischen Wäldern gebe es keinen Handlungsbedarf für mehr Biodiversität.

Das Gegenteil ist der Fall: So fehlt es an verbindlichen Standards, wie ein Wald und eine nachhaltige Waldbewirtschaftung definiert werden sollen, es wird nicht zwischen Monokultur-Plantagen und artenreichen Mischwäldern aus standortheimischen Bäumen unterschieden. Gemäß Analyse der europäischen Umweltagentur EEA befinden sich etwa 60 Prozent der europäischen Waldtypen in einem schlechten Erhaltungszustand. Dieser schlechte Zustand wird in der Waldkonvention nicht anerkannt.

Eine Waldkonvention muss sagen, was getan werden muss, damit sich die Waldlebensräume bis 2020 wieder in einem günstigen Zustand befinden. Und sie sollte auf Bestehendem aufbauen. Doch Grundlagen wie die Biodiversitätskonvention und ihr Waldprogramm sind ignoriert worden. Mit seinem unverbindlichen Konventionstext ist das Abkommen deshalb reines »greenwashing« und wird von fast allen europäischen NGOs abgelehnt.

Selbst Russland macht mit
So ratifizieren nun selbst Länder wie Russland das Abkommen. Russland stellte (bisher erfolglos) den Antrag, dass NGOs nur an den Verhandlungen teilnehmen können, wenn kein einziger Vertragsstaat Einspruch erhebt. Und es verfolgt eine Waldpolitik, die absolut kein Nachhaltigkeitslabel verdient.

Dass bei den nun anstehenden Verhandlungen in Genf die Einigung zu den letzten noch strittigen Punkten nicht erfolgte, ist für den Naturschutz also zunächst Anlass zur Freude, zumal viele diese Konvention gerne als Blaupause für andere regionale Waldkonventionen oder gar eine globale Waldkonvention sehen. Doch bleibt abzuwarten, ob es den Ministern 2014 vielleicht nicht doch noch gelingt, sich zu einigen, ob nun FAO oder UNECE die Führung übernimmt oder ob es Deutschland gelingt, mit seinem Angebot von 100.000 Euro pro Vertragsstaatenkonferenz, plus Personalkosten für Sekretariat und Spesen, die anderen Staaten von einer Ansiedlung in Bonn zu »überzeugen«.

Doch ist all dies für die Naturschutzverbände weniger entscheidend. Solange die Substanz nicht präzisiert wird und der Verweis auf die MCPFE-Biodiversitätskriterien nur vage ist; solange keine konkreten Ziele gesetzt werden und Wirtschaftsinteressen im Vordergrund stehen; solange das Compliance Committee nicht Zähne bekommt und selbst entscheiden darf, auf welche Informationen es seine Einschätzungen stützt und NGOs Verstöße gegen die Konvention nicht melden dürfen, wird sich die Begeisterung der Verbände in Grenzen halten. Sollte nach allen Bemühungen schließlich Russland wegen der institutionellen Fragen aussteigen, hat der Versuch den allerletzten Rest von Legitimation verloren und sollte so schnell wie möglich tief unten in einer Schublade verschwinden.

Pro Natura, das Forum Umwelt und Entwicklung und die europäischen Naturschutzverbände werden den Prozess weiter im Auge behalten und seine Wirkung genau beobachten.


Autor Friedrich Wulf ist Koordinator der AG Biodiversität des Forum Umwelt und Entwicklung, arbeitet beim Schweizer Naturschutzbund Pro Natura als Projektleiter Politik und Internationales und hat als Vertreter der europäischen NGO an den Verhandlungsrunden teilgenommen.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013, S. 18
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2014