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WALD/158: Asien - Experten werben für Wiederherstellung von Mangrovenwäldern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Oktober 2014

Asien: Experten werben für Wiederherstellung von Mangrovenwäldern

von Manipadma Jena


Bild: © Manipadma Jena/IPS

Die Vernichtung von Mangrovenwäldern trifft in Indien die Ärmsten der Armen
Bild: © Manipadma Jena/IPS

Athen, 23. Oktober (IPS) - Als der Wirbelsturm 'Hudhud' kürzlich mit einer Windgeschwindigkeit von mehr als 190 Stundenkilometern über Andhra Pradesh hinwegfegte, schlug er eine Schneise der Verwüstung. In dem ostindischen Bundesstaat mit etwa zwei Millionen Einwohnern wurden Tausende Häuser, Strom- und Telefonleitungen sowie Reisfelder, Bananen- und Zuckerrohrplantagen zerstört.

Die alljährliche Sturmsaison im Herbst geht auch an anderen Ländern Asiens nicht schadlos vorbei. Während Japan sich noch von den Folgen des Taifuns 'Phanfone' erholen muss, brachte Nachfolger 'Vongfong' Mitte Oktober neue sintflutartige Regenfälle und starke Winde.

Die Schäden in der Region sind beträchtlich. Allein in Indien hat die Regierung 163 Millionen US-Dollar Katastrophenhilfe zugesagt. Regierungsvertreter gehen jedoch davon aus, dass selbst diese ansehnliche Summe nicht ausreichen wird, um die Lage in Andhra Pradesh zu normalisieren. Die Familien der 24 Todesopfer in Andhra Pradesh und dem Unionsstaat Orisha kann ohnehin kein Geld der Welt über den Verlust ihrer Verwandten hinwegtrösten.


Nutzen von Mangroven als Wellenbrecher unterschätzt

Die Stürme haben Erinnerungen an den Taifun 'Haiyan' wach werden lassen, der vor einem Jahr auf den Philippinen 6.000 Menschen das Leben kostete. Die tropischen Hurrikane lassen sich zwar nicht verhindern, doch die Mangrovenwälder an den Küsten bilden eine natürliche Barriere gegen Sturmböen. Dass der Wert der Mangroven als Wellenbrecher oftmals unterschätzt wird, hat tragische Folgen.

Das Thema wurde auch auf der am 17. Oktober zu Ende gegangenen Weltbiodiversitätskonferenz diskutiert, auf der die Delegierten den Strategischen Plan für Artenvielfalt 2011-2020 analysierten, der vor drei Jahren auf einem Treffen im japanischen Nagoya beschlossen worden war. Zu den 20 Zielen, die von der Staatengemeinschaft anerkannt wurden, gehört die Wiederherstellung und Verbesserung der Resilienz von Ökosystemen, die für die Abmilderung der Folgen des Klimawandels und die Anpassung an die Veränderungen wichtig sind.

In dem kürzlich veröffentlichten Globalen Biodiversitätsausblick 4 (GBO-4) des Weltklimarats heißt es, dass die "Entwicklungen (...) in die falsche Richtung gehen". Die Meeresökosysteme könnten ihr Potenzial nicht entfalten, den Menschen eine große Vielfalt an Leistungen wie Nahrung, Erholung, Küstenschutz und CO2-Speicherkapazität bereitzustellen.


Gigantische CO2-Speicher

Besonders werden diese Defizite beim Schutz der Mangrovenwälder sichtbar. Nach Erkenntnissen des Weltumweltprogramms UNEP können die Bäume auf einem Hektar Fläche bis zu 1.000 Tonnen Kohlendioxid binden, mehr als jedes andere Land- und Meeresökosystem. Ihre hohe Speicherkapazität macht die Mangroven zu einem wichtigen Bestandteil der nationalen und globalen Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel und die von ihm ausgelösten Naturkatastrophen. Wissenschaftler bemängeln, dass die Mangroven aber nicht die Aufmerksamkeit erfahren, die sie verdienen.

Mangroven, eine Sammelbezeichnung für Bäume und Büsche von unterschiedlicher Höhe, die im Salzwasser an den Meeresküsten gedeihen, wachsen in 123 Ländern der Erde auf einer Gesamtfläche von 152.000 Quadratkilometern. Mehr als 100 Millionen Menschen profitieren von diesen Ökosystemen, die Fisch, forstwirtschaftliche Produkte, Trinkwasser sowie Schutz vor Erosion und extremen Wetterphänomenen bieten.

Mangroven stellen Ökosystemleistungen im Wert von jährlich 33.000 bis 57.000 Dollar pro Hektar bereit, geht aus der UNEP-Studie 'The Importance of Mangroves: A Call to Action' hervor. Die Studie wurde kürzlich in Athen auf dem vom 29. September bis 1. Oktober abgehaltenen 16. Globalen Treffen der Regionalen Meereskonventionen und Aktionspläne (RSCAP) vorgestellt.


Hohe wirtschaftliche Verluste durch Mangroven-Vernichtung

Laut dem Report ist die Geschwindigkeit, mit der die Mangroven zerstört werden, um das Drei- bis Fünffache höher als die, denen Wälder zum Opfer fallen. Der daraus resultierende Klimagasausstoß macht demnach ungefähr ein Fünftel aller mit der Entwaldung zusammenhängenden globalen CO2-Emissionen aus. Dadurch entstehen wirtschaftliche Verluste im Umfang von sechs Milliarden bis 42 Milliarden Dollar jährlich.

Neben dem direkten Einwirken des Menschen ist der Klimawandel eine ernsthafte Bedrohung dieser komplexen Ökosysteme. Laut UNEP werden bis zum Jahr 2100 voraussichtlich zwischen zehn und 20 Prozent aller Mangrovenwälder vernichtet sein. Besonders gravierend ist die Lage in Südasien, wo im Jahr 2050 bereits 35 Prozent der Mangroven, die es noch im Jahr 2000 gegeben hatte, zerstört sein könnten. Im Zeitraum 2000 bis 2050 werden sich die jährlichen Verluste an Ökosystemleistungen durch die Zerstörung der Mangrovenwälder demnach auf durchschnittlich zwei Milliarden Dollar belaufen.

Mit ihrem verzweigten Wurzelsystem, das einen natürlichen Schutzwall gegen Sturmböen, das Eindringen von Seewasser und Überschwemmungen bildet, sind Mangrovenwälder eine Pufferzone für die Bewohner der Küstenregionen.

Indien wurde im vergangen Jahr von dem Zyklon 'Phailin' getroffen, einem der bislang heftigsten Tropenstürme auf dem Subkontinent. 53 Menschen wurden getötet, und acht Millionen Menschen waren von den Auswirkungen des Sturms betroffen. Etwa 364.000 Häuser wurden demoliert. Im Oktober 1999 erreichte der Zyklon 'Odisha' Indien mit 260 Stundenkilometern. Etwa 8.500 Menschen starben. Der schwerste je in der Region des Indischen Ozeans registrierte Sturm zerstörte zwei Millionen Gebäude. Offiziellen Angaben zufolge belief sich der Sachschaden damals auf rund zwei Milliarden Dollar.


Kosteneffizienter als ein gebauter Schutzwall

Aus einer nach 'Odisha' durchgeführten Studie geht hervor, dass das Dorf, in dem die Familien den vergleichsweise geringsten Schaden erlitten, durch Mangroven geschützt war. Forscher fanden heraus, dass die Bäume und Büsche die Höhe und Wucht der Wellen um 13 bis 66 Prozent reduzieren können. Jacqueline Alder von UNEP sagte am Rande der RSCAP-Konferenz, eine kürzlich durchgeführte Kosten-Nutzen-Analyse in dem südpazifischen Inselstaat Fidschi habe ergeben, dass das Anpflanzen von Mangroven finanziell wirtschaftlicher sei als der Bau einer etwa 1,8 Meter hohen Schutzmauer gegen die Brandung.

Alder, eine Expertin für Meeresökosysteme, hat in Ländern wie Indien, den Philippinen und Indonesien gearbeitet, wo die Dichte an Mangrovenwäldern sehr hoch ist. Sie ist davon überzeugt, dass viele politische Entscheidungsträger sich der Vorteile durch diese Pflanzen nicht bewusst sind. "Sie kennen den wirtschaftlichen Wert von Nutzholz aus traditionellen Wäldern und halten dieses somit für wichtiger." Da die Wiederherstellung der Mangroven schwierig und teuer sei, konnten die entsprechenden Nagoya-Ziele nicht erreicht werden.

"Einen Hektar Mangrovenwald aufzuforsten, kostet 7.500 Dollar und ist ein riskantes Unterfangen", erklärt Jagannath Chatterjee vom Regionalen Zentrum für Entwicklungszusammenarbeit (RCDC), das zurzeit eng mit den Gemeinden in Odisha zusammenarbeitet. Der Bundesstaat gehört zu den Regionen Indiens, die am stärksten durch Stürme gefährdet sind. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/10/facing-storms-without-the-mangrove-wall/

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IPS-Tagesdienst vom 23. Oktober 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Oktober 2014