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WALD/173: Jamaika - Bauxit-Bergbau bedroht artenreichsten Regionalwald Cockpit Country (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Juni 2015

Jamaika: Bulldozer in Cockpit Country - Bauxit-Bergbau bedroht artenreichsten Regionalwald

von Zadie Neufville


Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von Michael Schwartz

'Noranda Bauxite'-Bagger planieren Zugangsweg zu Bauxitlager im Westen Jamaikas
Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von Michael Schwartz

KINGSTON (IPS) - Die Aufforstung von Wäldern soll die Resilienz Jamaikas gegen die Folgen des Klimawandels stärken. So sieht es zumindest ein Aktionsplan der Regierung vor. Doch im Mai löste die Ankunft von Bulldozern in Cockpit Country, einem Schutzgebiet im Westen des Landes, einen Aufschrei der Empörung und Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Regierungszusagen aus.

Unter Berufung auf eine 2004 erworbene Bergbaulizenz war das Unternehmen 'Noranda Bauxite Limited' am 18. Mai in den Außenbereichen von Cockpit Country mit schwerem Gerät angerückt. Noranda streitet ab, mit der Bauxit-Förderung begonnen zu haben. Unternehmensmanager räumen jedoch ein, mit Erkundungsarbeiten in dem artenreichen Gebiet begonnen zu haben, dessen Grenzen noch nicht definitiv festgelegt wurden.

Die Aktivitäten der Firma haben den Verdacht aufkommen lassen, die Regierung wolle ein Versprechen aus dem Jahr 2006 brechen. Damals wurde den Einwohnern von Cockpit Country zugesichert, dass sie keine Bergbauaktivitäten zu befürchten hätten. Im gleichen Jahr zogen die Behörden Prospektionslizenzen, die sie der Firma 'Alumina Partners' erteilt hatten, zurück.

Bergbauminister Julian Robinson bekräftigte indes den Willen der Regierung, das Gebiet zu erhalten. Doch Umweltaktivisten sind skeptisch. Michael Schwartz, Direktor der 'Windsor Research Station', befürchtet, dass die Regierung die Bewohner von Cockpit Country mit Hilfe einer Alibi-Grenzziehung im Sinne der Bergbau-Industrie ruhig stellen und Cockpit Country dadurch auf dem Papier zu einem Gebiet machen wolle, "in dem es keinen Bauxitabbau geben wird".

Je nachdem, wo die Grenzen gezogen werden, umfasst Cockpit Country eine Fläche zwischen 820 und 1.099 Quadratkilometern. Insgesamt sind drei Grenzverläufe im Gespräch, die ein 56.000 Hektar großes und aus Primärwäldern bestehendes, ein 80.000 Hektar oder ein 116.218 Hektar großes Schutzgebiet schaffen würden. Option Nummer drei, das ergab eine Bevölkerungsumfrage durch die 'University of the West Indies', genießt den größten Rückhalt in der Bevölkerung.

Schwartz' Befürchtungen erscheinen berechtigt, zumal Bauxit ein wichtiger Devisenbringer des karibischen Inselstaates ist. Bis 2008 brachte der Grundstoff der Aluminiumproduktion dem Land die zweithöchsten Exporteinnahmen ein. In jenem Jahr beliefen sich die Einkünfte auf 1,37 Milliarden US-Dollar. Traditionell trug Bauxit zu fünf bis sechs Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Kurz vor der Beendigung der Bergbauaktivitäten 2009 lag der Sektor in der Exportbilanz immerhin noch an dritter Stelle.


Bauxit-Bergbau treibt Entwaldung voran

Die Bauxitförderung gilt aber auch als die Hauptursache für die Entwaldung der Insel. Weite Waldgebiete wurden abgeholzt, um an das Aluminiumerz zu gelangen. Außerdem wurden neue Straßen zu den Minen angelegt. Der Holzeinschlag gilt als größte Bedrohung für die Artenvielfalt in Jamaika.

"Jamaikas Trockenwälder stehen jetzt auf nackten Böden", warnte Umweltminister Robert Pickersgill. "Jamaika wird dadurch noch anfälliger für die Auswirkungen des Klimawandels. Außerdem steigen die Risiken für Wüstenbildung. Der Verlust der Laubwälder hat dazu geführt, dass uns weniger Wasser zur Verfügung steht und die Luftverschmutzung zunimmt."

Schwartz zufolge befindet sich Cockpit Country noch in einem relativ guten Zustand, da sich das Gebiet aufgrund seiner Topografie aus eigener Kraft erhalten konnte. Dass es schwer zugänglich sei, halte Bauern davon ab, dort im großen Stil Landwirtschaft zu betreiben.


Artenreiches Naturschutzgebiet und Wasserlieferant

Cockpit Country beherbergt nicht nur die größte Zahl der weltweit gefährdeten Arten im gesamten Karibikraum. Laut dem staatlichen Bericht Jamaikas zum Zustand der Umwelt 2014 ist Cockpit Country zudem der größte erhaltene Primärwald der Insel, aus dem 40 Prozent der Jamaikaner ihr Trinkwasser beziehen und der zudem die Aquifere der drei wichtigsten Landwirtschaftsgebiete speist.

Bei der bisher umfassendsten Untersuchung der Wälder stellte die Forstbehörde 2013 fest, dass sich die Walddecke insgesamt betrachtet vergrößert hat. Aufgrund der Zerstörung von Feuchtgebieten und von bis dahin unerschlossenen Gebieten sind jedoch qualitativ hochwertige Baumbestände verloren gegangen.

Mehr als 4.000 Hektar Wald konnten zwar in ehemaligen Bergbauregionen wiederaufgeforstet werden. Doch Minister Pickersgill fürchtet, dass der Verlust von Sümpfen den Tourismus in Jamaika ernsthaft gefährdet. Auch der Erfolg von Katastrophenschutzmaßnahmen werde dadurch in Frage gestellt. Zahlreiche Arten, die in Feuchtgebieten heimisch seien, verlören zudem ihr Habitat.


Bild: © Zadie Neufville/IPS

'Bodles Agricultural Station' verteilt Setzlinge von Obstbäumen
Bild: © Zadie Neufville/IPS

Die Forstbehörde revidiert nun ihren nationalen Plan zur Waldbewirtschaftung, um den weiteren Verlust von Primärwald zu verhindern. In diesem Zusammenhang soll der Betrieb von Sägemühlen reglementiert werden.

Schwartz zeigt sich zuversichtlich, dass die Sensibilisierung der Bevölkerung und gemeinschaftliches Handeln den Erhalt von Cockpit Country sichern kann, sofern der Bauxit-Abbau nicht wieder in Gang gesetzt wird. In Jamaika lagern jedoch geschätzt eine Milliarde Tonnen Bauxit. Die Kommerzialisierung des Rohstoffs käme dem Staat gelegen, um die Wirtschaft anzukurbeln und den Schuldendienst zu bedienen. (Ende/IPS/ck/08.06.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/06/as-jamaicas-prime-forests-decline-row-erupts-over-protection/

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IPS-Tagesdienst vom 9. Juni 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juni 2015

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