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WIRTSCHAFT/070: Desinformationskampagnen großer Erdölkonzerne schüren Zweifel an Klimaforschung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. Juli 2015

Klima: Folgen der CO2-Emissionen seit 80er Jahren bekannt - Desinformationskampagne großer Erdölkonzerne gegen Forschungsergebnisse

von Diego Argueda Ortiz


Bild: © ARLIS Reference

Ölteppich in der Chenega-Bucht vor Evans lsland 1989, verursacht durch das Leck der Exxon Valdez
Bild: © ARLIS Reference

SAN JOSE, COSTA RICA (IPS) - Seit etlichen Jahrzehnten wissen die großen Erdölkonzerne in den USA und Europa um die Auswirkungen der CO2-Emissionen auf das Weltklima. Dennoch gaben sie und geben bis heute Millionen US-Dollar für Desinformationskampagnen und Berichte von Experten aus, die die Erderwärmung leugnen.

Bereits 1981, mehr als zehn Jahre vor dem ersten Treffen der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC), hatten führende Manager des Erdölgiganten ExxonMobil den Zusammenhang zwischen fossilen Brennstoffen und Klimaveränderungen erkannt. Dies geht aus dem Bericht 'Climate Deception Dossiers' der Vereinigung besorgter Wissenschaftler (UCS) mit Sitz in Washington hervor. Darin werden die Taktiken von Firmen wie ExxonMobil, Shell, Peabody Energy, Chevron und Conoco-Phillips dokumentiert, die darauf abzielen, die wissenschaftliche Forschung zu unterminieren.

"Schon damals kalkulierten sie die Risiken des Klimawandels bei ihren Geschäften ein. 34 Jahre später haben sie nicht aufgehört, die Menschen zu belügen und die Klimaforschung zu diskreditieren", kritisierte Nancy Cole, Kampagnenchefin des UCS-Programms für Klima und Energie, die an dem Report mitgearbeitet hat.


Zweifel an Klimaforschung geschürt

Die Klimatäuschungs-Dossiers zeigen auf, wie Exxon und andere Großunternehmen eine weitreichende Desinformationskampagne finanziert haben sowie Leugnern des Klimawandels, verbündeten Think Tanks und PR-Firmen eine Plattform gaben. "Ihr Ziel war es, Zweifel zu schüren. Dazu brauchten sie den Klimawandel gar nicht zu widerlegen, sondern mussten den Menschen nur einreden, dass es in der Klimafrage keinen Konsens gibt", erklärte Cole.

Zu den Leugnern des Klimawandels gehört der Astrophysiker Wei-Hock 'Willie' Soon, der laut UCS zwischen 2001 und 2012 mehr als 1,2 Millionen Dollar von Erdölkonzernen kassiert haben soll. In mehreren seiner wissenschaftlichen Arbeiten hat Soon demnach den Einfluss der Sonne auf die Erderwärmung übertrieben dargestellt. Andere Forscher, Fachmagazine und der Weltklimarat haben ihm regelmäßig widersprochen. Konservative Politiker und Großunternehmen benutzen hingegen seine Schriften, um den Konsens über den Klimawandel in Frage zu stellen.

Der Klimaexperte Lenny Bernstein, der in den 1980er Jahren für Exxon gearbeitet hatte, erklärte 2014 in einer E-Mail, dass sich der Konzern bereits 1981 über die Auswirkungen des CO2-Ausstoßes im Klaren gewesen sei. Bernstein zufolge entschied sich das Unternehmen damals gegen eine Förderung der Natuna-Gasreserven vor der Küste Indonesiens, nachdem es von der riesigen Menge an Kohlendioxid erfahren hatte, die bei den Arbeiten freigesetzt worden wäre.

Damals wäre ein CO2-Ausstoß dieses Ausmaßes mit etwa einem Prozent aller weltweiten Emissionen die größte Einzelursache für die Klimaerwärmung gewesen. In den 1980er Jahren habe Exxon die Gefahr gesehen, dass eine solche Klimabelastung striktere Regelungen zum Nachteil künftiger Förderprojekte nach sich ziehen könnte.

Der UCS-Bericht beinhaltet auf mehr als 330 Seiten rund 80 Dokumente, die in 27 Jahren innerhalb von Unternehmen und Handelsorganisationen kursierten. Während der Debatte über ein Gesetz zu sauberen Energien in den USA, das einen föderalen Plan zur Reduzierung von CO2-Emissionen beinhalten sollte, heuerte das US-Amerikanische Bündnis für sauberen Kohlenstrom ACCCE eine PR-Firma an, die gefälschte Briefe von Organisationen in Umlauf brachte, um Abgeordnete zu einem Nein zu dem Gesetz zu bewegen.

Auch dem 'American Petroleum Institute' (API), das sich selbst als Vertreter der gesamten US-Erdölindustrie bezeichnet, kommt in dem Bericht eine hervorstechende Rolle zu. In einem firmeninternen Strategiepapier von 1998 wird ein Zeitplan entworfen, um der zunehmend an Bedeutung gewinnenden Klimaforschung Paroli zu bieten und die Öffentlichkeit zu täuschen.

Wissenschaftlern, die den Klimawandel nicht als Gefahr darstellten, sollten finanzielle Anreize geboten werden. Zudem wurden Lehrer und Schüler in den gesamten USA ins Visier genommen. Das Ziel wäre erreicht, wenn "der Durchschnittsbürger versteht, dass es innerhalb der Klimawissenschaften Unsicherheiten gibt", heißt es in dem Dokument. Auf eine Rückfrage bei API hat IPS keine Antwort erhalten.


UN-Klimapolitik: den Bock zum Gärtner machen

Die Vorgehensweise ähnele den Strategien der Tabakindustrie, erklärte die Juristin Sharon Eubanks, die dem US-Justizministerium zu einer erfolgreichen Klage gegen die Tabakunternehmen verhalf. "Je später das Wissen um die Schädlichkeit anerkannt wird, desto länger lassen sich Gegenmaßnahmen herauszögern und umso mehr Menschen sind betroffen", meinte sie auf der Website 'DeSmog'.

Man würde der Tabakindustrie wohl kaum erlauben, an Maßnahmen zur Bekämpfung des Tabakkonsums mitzuwirken. "Warum also gestatten wir der Erdölindustrie, die Klimapolitik mitzubestimmen?", fragte Katherine Sawyer von der Organisation 'Corporate Accountability International' in Anspielung auf die UN-Klimapolitik.

Einige Unternehmen haben sich inzwischen öffentlich bereit erklärt, zu einer Lösung des Problems beizutragen. Sechs große europäische Konzerne - Shell, BP, Total, Statoil, BG Group und ENI - ließen in einem offenen Brief den Weltklimarat und die französische Regierung wissen, dass sie rascher auf den Klimawandel reagieren und die CO2-Emissionen senken könnten, wenn die Staatengemeinschaft ein globales Preissystem für fossile Brennstoffe schaffen würde.

In den Augen von Klimaforschern haben die großen Energiekonzerne durch eine jahrzehntelange Blockadepolitik ihre Glaubwürdigkeit verspielt. "20 Jahre lang haben die weltgrößten Umweltverschmutzer die Arbeit des Weltklimarats behindert, indem sie den Verhandlungsprozess ungebührlich durch direkte Lobbyarbeit und eine Finanzierung der Gespräche beeinflusst haben", kritisierte Sawyer.

Der Weltklimagipfel in Paris wird in diesem Jahr von Energieunternehmen wie EDF und ENGIE gesponsert. Deren Einsatz von Kohle zur Stromgewinnung trägt fast zur Hälfte zu den CO2-Emissionen Frankreichs bei. "Damit der Weltklimarat eine vernünftige Strategie entwerfen kann, die unser Planet dringend braucht, müssen die großen Schmutzfinken ausgeschlossen werden", forderte Sawyer.

In der im Jahr 2013 veröffentlichten Carbon Majors-Studie heißt es, dass 90 Unternehmen, von denen 50 börsennotiert sind, in den vergangenen 250 Jahren für fast zwei Drittel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind. Mehr als die Hälfte der seit 1750 generierten industriellen CO2-Emissionen wurden nach 1988 freigesetzt. Umso schwerer wiegt, dass mehrere Großkonzerne die Klimarisiken bereits Anfang der 1980er Jahre erkannt hatten. (Ende/IPS/ck/21.07.2015)


Links:

http://www.ipsnews.net/2015/07/big-oil-privately-accepted-global-warming-but-publicly-battled-climate-science/
http://www.ipsnoticias.net/2015/07/petroleras-ya-sabian-dano-del-co2-cuando-financiaban-a-escepticos/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 21. Juli 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2015

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