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WASSER/078: Kanada - Kehrtwende im Streit um Recht auf Wasser, Aktivisten bleiben skeptisch (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. Juni 2012

Kanada: Kehrtwende im Streit um Recht auf Wasser - Aktivisten bleiben skeptisch

von Thalif Deen

Etwa 3,4 Millionen Menschen sterben jährlich aufgrund mangelnden Wassers und Hygiene - Bild: © Eva Bartlett/IPS

Etwa 3,4 Millionen Menschen sterben jährlich aufgrund mangelnden
Wassers und Hygiene - Bild: © Eva Bartlett/IPS

New York, 1. Juni (IPS) - Kanada hat im Vorfeld der Nachhaltigkeitskonferenz 'Rio+20' eine einschneidende politische Kehrtwende vollzogen. So ist das Land offenbar bereit, den Zugang zu Wasser und Sanitärversorgung als grundlegendes Menschenrecht anzuerkennen.

Im Verlauf der Verhandlungen über den Aktionsplan, der in diesem Monat auf dem Rio+20-Gipfel in Brasilien beschlossen werden soll, hat Kanada als einer der letzten westlichen Staaten den Widerstand gegen die Anerkennung von Wasser als Menschenrecht in dem Abschlussdokument 'The Future We Want' (Die Zukunft, die wir wollen) aufgegeben.

Nach Angaben von Maude Barlow, Vorsitzende des 'Council of Canadians', einer der größten Organisationen des Landes, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen, war ein "beispielloser Druck" notwendig, um die Regierung in Ottawa zu einem Positionswechsel zu bewegen.

"Die Wende ist an sich eine gute Sache, aber Worte genügen nicht, schränkte Barlow den erzielten Erfolg ein. "Wir brauchen Taten. Und die Handlungen der Regierung widersprechen der Anerkennung eines Menschenrechts auf Wasser", sagte die ehemalige Beraterin des Präsidenten der UN-Vollversammlung. Die Regierung von Ministerpräsident Stephen Harper müsse nun einen Bericht über einen Aktionsplan verfassen und bei den Vereinten Nationen einreichen. "Sie können sicher sein, dass wir dahinter her sein werden", erklärte Barlow.

Als die UN-Vollversammlung im Juli 2010 eine Resolution annahm, die Wasser und sanitäre Grundversorgung als grundlegendes Menschenrecht anerkannte, votierten 122 Länder dafür. Gegenstimmen gab es keine, dafür aber 41 Enthaltungen, unter anderem von den USA und Kanada. Auch Großbritannien, Australien, Österreich, Griechenland, Schweden, Japan, Israel, Südkorea, Luxemburg, die Niederlande, Dänemark und Irland wollten sich nicht festlegen. Unter den Staaten, die sich der Stimme enthielten, waren außerdem mehrere Entwicklungsländer: Äthiopien, Botswana, Kenia, Lesotho und Sambia sowie Guyana und Trinidad und Tobago.


Kanada isolierte sich durch Widerstand gegen Recht auf Wasser

Zu Beginn der Rio+20-Vorverhandlungen im vergangenen Jahr warnten mehrere Menschenrechtsorganisationen davor, dass das Menschenrecht auf Wasser und Sanitärversorgung gefährdet sei. Anil Naidoo vom 'Blue Planet Project' in Kanada erklärte, dass Ottawa noch im April isoliert dagestanden habe, weil es als einziges Land keine rechtliche Basis für ein Menschenrecht auf Wasser sah und dessen Abschaffung forderte.

"Diese Position war allerdings unhaltbar, nachdem zwei Jahre zuvor die UN-Vollversammlung das Recht in einer Resolution anerkannt hatte", sagte Naidoo. "Danach wurde dieser Beschluss in drei Resolutionen des UN-Menschenrechtsrats bekräftigt."

Wenige Wochen vor dem Beginn der Rio+20-Konferenz vom 20. bis 22. Juni führt ein Vorbereitungskomitee Gespräche, um den Entwurf für die Abschlusserklärung ('zero draft') festzulegen. Laut Naidoo gab die Haltung Großbritanniens einen ersten Hinweis darauf, dass einige Staaten die Anerkennung des Menschenrechts auf Wasser und Sanitärversorgung zu unterminieren versuchten. London habe innerhalb der EU dafür geworben, Paragraph 67 des 'zero draft' zu streichen, in dem genau dieses Anrecht ausdrücklich verankert werden soll.


Intervention der UN-Sonderberichterstatterin für Wasser

Auf Druck verschiedener internationaler Nichtregierungsorganisationen und nach einer ungewöhnlich expliziten Ermahnung durch die UN-Sonderberichterstatterin für Wasser, Catarina de Albuquerque, lenkte die Europäische Union ein. Wie Naidoo erklärte, bekam Großbritannien vor allem von Spanien Gegenwind. Kanada, der andere langjährige Gegner des Menschenrechts auf Wasser, verlangte aber weiterhin eine Streichung des betreffenden Paragraphen in dem Erklärungsentwurf. In der nächsten Gesprächsrunde erhielt das Land Rückendeckung von den USA und Israel.

Naidoo berichtete, seine Organisationen und ihre Verbündeten hätten den Druck daraufhin verstärkt. Der Hohe Menschenrechtskommissar habe schließlich gefordert, Menschenrechte in der Rio+20-Erklärung zu schützen. "Für uns in Kanada war das ein langer Kampf", meinte Naidoo. "Wir sind uns bewusst, dass die Anerkennung des Rechts nur der erste Schritt auf dem Weg zur Umsetzung ist. Die Regierungen und Unternehmen, die gegen dieses Menschenrecht sind, werden jedes Mittel nutzen, um die Tragweite dieses Sieges zu begrenzen." (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.uncsd2012.org/rio20/index.html
http://www.canadians.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107994

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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2012