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WASSER/089: Weltwasserforen - Zeit für Lösungen oder Zeit für Probleme? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2012

Weltwasserforen: Zeit für Lösungen oder Zeit für Probleme?

von Laura Valentukeviciute und Dorothea Härlin



Vom 13. bis 17. März 2012 fand in Marseille das 6. Weltwasserforum (WWF) statt, eine von Wasserkonzernen initiierte internationale Konferenz. Parallel dazu fand das Alternative Weltwasserform FAME statt.

Der Weltwasserrat wurde 1996 unter Beteiligung von Wasserkonzernen wie Veolia und Suez gegründet, um die Wasserprobleme der Welt zu lösen. Zur Zeit wird er von Loïc Fauchon geleitet, dem Chef der Groupe des Eaux Marseille, die in der Hand von Veolia und Suez ist. Dem Weltwasserrat gehören inzwischen über 300 Mitglieder aus 60 Ländern an, die von Unternehmen, Regierungen, UN- und Entwicklungs- und Nichtregierungsorganisationen, Finanzeinrichtungen, Wissenschaft und Verbraucherverbänden kommen. Das Weltwasserforum ist das wichtigste Projekt des Weltwasserrates und findet alle drei Jahre statt: in Marrakesch 1997, Den Haag 2000, Kyoto 2003, Mexiko City 2006, Istanbul 2009, und nun in Marseille. Gegen die enge Verknüpfung von Weltwasserrat, Weltwasserforum und Konzernen formierte sich seit dem 2. Weltsozialforum 2002 in Porto Alegre Widerstand. Dort wurde von vielen Organisationen, Gewerkschaften und BürgerInneninitiativen eine »Erklärung zum Wasser« unterzeichnet. Diese forderte die Anerkennung des Menschenrechts auf Wasser und ein Verbot, Wasser als Ware zu behandeln und zu privatisieren. Der große Erfolg für die globale Wasserbewegung folgte vor zwei Jahren: am 28. Juni 2010 erklärten die Vereinten Nationen Wasser zum universellen Menschenrecht (Res. 64/292).

Das Weltwasserforum eine Verkaufsmesse?

So stand das diesjährige offizielle Weltwasserforum in Marseille ganz im Zeichen des UN-Beschlusses. Wieder versammelten sich dort neben den Wasserfirmen auch viele WasserexpertInnen, Regierungen und UN-Organisationen. Nach eigenen Angaben kamen dieses Jahr 140 Regierungsdelegationen und 35.000 TeilnehmerInnen - allerdings bei täglicher Neuzählung. Doch trotz starker Regierungsbeteiligung glich das Forum oft eher einer Verkaufsmesse. Konzerne aus der ganzen Welt lockten mit riesigen Ständen und Hochglanzbroschüren die BesucherInnen. Die Botschaft, die sie dabei vermitteln wollen, ist seit Jahren die gleiche: Die großen Wasserprobleme sind nur durch Privatisierung und mit Hilfe ihrer teuren Technik zu lösen.

In der offiziellen Ministererklärung bekennen sich die Regierungen zur Umsetzung der Milleniumsentwicklungsziele und des Menschenrechts auf Wasser. In der Erklärung reihen sich die Selbstverpflichtungen zur besseren Beachtung der Rechte von Armen, Indigenen, Kleinbauern und Frauen beim universalen und bezahlbaren Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung. Zur Lösung der Wasserprobleme wird oft auf die Einbindung aller Beteiligten Bezug genommen und auch die Bedeutung der lokalen Gemeinschaften wird betont. Spätestens bei der Finanzierung wird dann aber auch eine große Offenheit für Privatisierung deutlich.

Die Erklärung nimmt außerdem stark Bezug auf die Green Economy, die auch sonst viel Raum im Forum einnahm. Für die Konzerne bedeutet Green Economy vor allem den Einsatz teurer Techniken bei Wasserver- und Abwasserentsorgung, Energieerzeugung durch große Staudammprojekte, Wassertechnologien in der Agrarindustrie und ähnliches. Dass Umwelt und Menschen dabei von den Konzernen nur als eine Ressource für mehr Wachstum und Gewinn eingespannt werden, muss unter der Fassade des schön modern klingenden Begriffes erst erkannt werden.

FAME - Ein alternatives Weltwasserforum

Gleichzeitig fand auch das diesjährige alternative Weltwasserforum (forum alternativ mondial de l'eau, FAME) in Marseille statt. 5.000 Teilnehmer aus über 50 Ländern kamen zusammen, um über ihre vielseitigen Lösungsansätze der Wasserprobleme und Schritte zur Umsetzung des Menschenrechts auf Wasser zu sprechen. Im Zentrum der Diskussionen standen Möglichkeiten einer lokalen, ökologisch und ökonomisch sinnvollen Wasserversorgung und Ideen eines gemeinwohlorientierten Wassermanagements in öffentlicher Hand. Als Gegensatz zu vielfach kritisierten PPP fand das Konzept der öffentlichen Partnerschaften viel Aufmerksamkeit. Eine wichtige Rolle spielten Lösungen, die weniger kostspielig sind und daher einen geringeren Finanzbedarf haben. Die Bandbreite reichte von technischen Verbesserungen wie Trockentoiletten, die auch beim alternativen Forum selbst eingesetzt wurden, bis hin zur sozialen und politischen Dimension des Themas Wasser. Themenschwerpunkte waren auch Rekommunalisierungen, neuartige Gasförderungen (Fracking) und Minen.

Die wichtigste Forderung der WasseraktivistInnen war wieder, das nächste Weltwasserforum unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen einzuberufen. Das Anliegen unterstützt auch die UN-Sonderberichterstatterin für das Menschenrecht auf Wasser, Catarina de Albuquerque. Doch dies fand kein Gehör beim offiziellen Weltwasserforum, das ankündigte, das 7. Weltwasserforum 2015 in Daegu (Südkorea) auszurichten. Den Start und den Ausklang des alternativen Weltwasserforums bildeten die Aktionen: Am 13. April, dem Tag der Flüsse und gegen Staudämme wurde ein provisorischer Staudamm auf der Treppe im Zentrum von Marseille von der weltweiten Wasserbewegung durchbrochen. Am Ende krönte eine farbenfrohe Demonstration das alternative Weltwasserforum.

Unterschriften sammeln für Zugang zu Wasser und sanitäre Grundversorgung

Auf beiden Foren wurde die von EPSU, der europäischen Dienstleistungsgewerkschaft, initiierte Europäische Bürgerinitiative »Wasser und sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht! Wasser ist ein öffentliches Gut und keine Handelsware!« angekündigt und debattiert. Sie fordert eine garantierte Wasserver- und Abwasserentsorgung in der EU, das Verbot der Liberalisierung des Wassermarktes und den verstärkten Einsatz der EU für den weltweiten Zugang zu Wasser und sanitärer Grundversorgung. Am 1. April 2012 reichte der Europäische Gewerkschaftsbund diese Initiative bei der EU ein. Ab 10. Mai 1012 bis 9. Mai 2013 können Unterschriften gesammelt werden. In Berlin starteten die GRÜNE LIGA, EcoMujer und der Berliner Wassertisch am 3. Juni auf dem Umweltfestival am Brandenburger Tor mit der Sammelaktion. Zu den europäischen Unterstützern gehören die Social Platform und das Europäische Umweltbüro EEB. Nach der Registrierung der Webseite sind Online-Unterzeichnungen sind auch auf der Webseite: www.right2water.eu/de möglich.

Die Übersetzung der englischen »Citizens Initiative« als Bürgerinitiative ist etwas irreführend, da es sich im Kern um ein Bürgerbegehren handelt, das sich an die Europäische Kommission richtet. Für einen erfolgreichen Abschluss sind EU-weit eine Million Unterschriften erforderlich. Die Kommission informiert auf der Webseite: http://ec.europa.eu/citizens-initiative/public/welcome über die Hintergrundbestimmungen und über die laufenden Initiativen.

Laura Valentukeviciute arbeitet bei Gemeingut in
BürgerInnenhand - GiB e.V.

Dorothea Härlin beim Berliner Wassertisch.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2012, S. 34-35
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. August 2012