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WASSER/141: Wasserversorgung im Umland von Khartum (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
8. Jahrgang. Ausgabe 1. November 2012

Wasserversorgung im Umland von Khartum
Serau als Fallbeispiel

von Salma Abdalla



Serau ist eine ehemals ländliche Siedlung, die durch die enorme Ausdehnung der Doppelstadt Omdurman-Khartum in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einem Stadtviertel am Rande der Metropole geworden ist. Die außerordentlich dynamischen Siedlungsprozesse und sozialen Veränderungen in diesem ländlich-städtischen Übergangsraum spiegeln sich in einem Bereich der Infrastrukturversorgung, der für eine Stadt in der Wüste von besonderer Bedeutung ist, nämlich in der Wasserversorgung. Auch das Fallbeispiel Serau ist Teil des internationalen Forschungsprojekts "WAMAKHAIR" am Lehrstuhl für Bevölkerungs- und Sozialgeographie. Das Projekt untersucht den Zugang zu Trinkwasser und die damit verbundenen politischen Auseinandersetzungen in der sudanesischen Hauptstadt als Ausdruck gesellschaftlicher Veränderungen.

Ursprünglich bildete Serau eine bäuerlich geprägte, von den urbanen Regionen klar unterscheidbare Gemeinde. Doch infolge des Bevölkerungswachstums wurde sie im Verlauf der letzten 20 Jahre immer stärker in die wachsende Metropole integriert. Die Entwicklung des Stadtviertels ist dadurch geprägt, dass hier Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft zusammenleben: sesshaft gewordene Nomaden, Ackerbauern und junge großstädtische Mittelschichtfamilien. Als Ureinwohner gelten die Gamuia. Sie siedelten sich hier vor mehr als 100 Jahren an, betrieben Ackerbau und vererbten ihren Landbesitz an die nachkommenden Generationen.

In den 1980er Jahren wanderten vom Westen des Sudan her nomadische Gruppen der Kababish und der Hawawir ein, die vor allem wegen der anhaltenden Dürre ihre Heimatregionen verlassen hatten. Die Immigranten wurden von den Gamuia freundlich aufgenommen und erhielten eigenen Landbesitz, zumal sie als neue Arbeitskräfte für die Landwirtschaft benötigt wurden. Auch nach dieser Einwanderungswelle behielt das Dorf daher zunächst seinen ländlichen Charakter. Da ein Anschluss an das zentrale städtische Wassernetzwerk von Khartum fehlte, waren die Einwohner auf alte Brunnen mit oftmals geringer Wasserqualität angewiesen. Auf Eselskarren wurde das Wasser ins Dorf transportiert.

In den zwei Jahrzehnten nach 1990 änderte sich jedoch das Bild. Serau erlebte einen starken Zuzug von Menschen aus verschiedenen städtischen Zentren des Sudan. Ziel dieser Neuankömmlinge war Khartum; aber weil die Bodenpreise und die Lebenshaltungskosten in der Peripherie weitaus günstiger als im Stadtzentrum waren, ließen sie sich in den Außenbezirken der Hauptstadt nieder. Wie viele andere Siedlungen im Umland von Khartum, wandelte sich Serau damit von einer ländlichen, in ethnischer und kultureller Hinsicht homogenen Gemeinde zu einem vielfältigen Ensemble unterschiedlicher Gruppierungen. Diverse soziale Bindungen, wirtschaftliche Interessen und Fähigkeiten bestimmten das Alltagsleben. Anders als die nomadischen Zuwanderer in früheren Jahrzehnten, wurden die neuen städtisch geprägten Bewohner als Konkurrenten angesehen - insbesondere bei der Inanspruchnahme sozialer Dienstleistungen. Gerade die Frage der Wasserversorgung bot häufig Anlass für Rivalitäten.

Weil aber seitens der Hauptstadt Khartum oder der sudanesischen Zentralregierung keine Dienstleistungen in der Wasserversorgung zur Verfügung standen, entwickelten insbesondere die städtisch geprägten Neubürger in Serau eigene Initiativen, um die lokalen Strukturen in diesem existenziellen Bereich zu erneuern. Intoleranz und Diskriminierung, die ihnen im Umgang mit der alteingesessenen Bevölkerung widerfuhren, verstärkten dabei ihre sozialen Beziehungen untereinander. Einer dieser Einwohner, der erst 2001 zugezogen war, unterhielt gute persönliche Kontakte zur Zakat, einer quasi-staatlichen (Almosen-)Behörde. Diese leistete daher finanzielle Unterstützung für den Bau eines neuen und tieferen Brunnens mit guter Wasserqualität und für den Bau von Wasserleitungen bis zu den einzelnen Häusern. Heute werden rund 40 Prozent der Haushalte über dieses neue lokale Wassernetzwerk versorgt. Weil die Gruppe der Neubürger mit städtischem Erfahrungshintergrund stetig anstieg, konnte sie einen wachsenden Einfluss auf den lokalen "Volksrat" (lajna shaabiya) gewinnen. Auch auf diesem Weg gelang es, den Ausbau der Wasserversorgung in Serau voranzubringen. Ein hauptsächliches Ziel war dabei der Anschluss an das zentrale Leitungsnetz der Hauptstadt.

Trotz dieser Verbesserungen zugunsten des gesamten Stadtviertels konnten die Rivalitäten zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen nicht völlig überwunden werden. Vor allem die alteingesessenen Bürger und die Wasserhändler opponierten gegen die Initiativen, die von den "Zugezogenen" ergriffen wurden. Deshalb gilt in der Peripherie der Metropole Khartum auch weiterhin: Fortschritte in der Infrastruktur und im Wassermanagement sind mit der Herausforderung verbunden, die Sichtweisen und Interessen diverser Bevölkerungsgruppen auszugleichen, die für die demographische Struktur des Umlands von Khartum immer noch prägend sind.


AUTORIN

Salma Abdalla ist Junior Fellow der Bayreuth International Graduate School of African Studies und arbeitet als Koordinatorin im DAAD African Good Governance Network (AGGN) mit. Das Thema ihrer Dissertation lautet: "Coping with Water Scarcity: the Role of Zakat Institutions in Water Distribution in Khartoum".


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 1+2 (rechts): Die Besiedlung von Serau im Vergleich: 1984 und 2010.
Abb. 3: Besonders Frauen und Kinder profitieren vom Anschluss an die Wasserversorgung.
Abb. 4: Hochtank an einem Brunnen in Serau.
Abb. 5: Junger Wasserverkäufer mit Eselskarren in Serau.

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Quelle:
spektrum, Ausgabe 1, November 2012, S. 40 - 41
Herausgeber: Universität Bayreuth
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2013