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WASSER/143: Die Rolle Tibets bei der Wasserversorgung Südostasiens (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
8. Jahrgang. Ausgabe 1. November 2012

Auf dem "Dach der Welt"
Die Rolle Tibets bei der Wasserversorgung Südostasiens

von Thomas Foken und Wolfgang Babel



Betrachtet man die Landkarte von Asien, so ist unschwer zu erkennen, dass alle Flüsse vom Indus im Westen bis zum Gelben Fluss im Osten in Tibet entspringen (Abb. 2). Zwar gehört das Tibetische Hochplateau mit Höhen von 4.000 bis 5.000 Metern eher zu den niederschlagsärmeren Gebieten in der Welt, doch zumindest in den Gebirgsregionen in 6.000 bis 8.000 Metern Höhe fallen in der Monsunzeit erhebliche Niederschlagsmengen vorwiegend als Schnee. Diese werden zum Teil in den Gletschern gespeichert. Sie garantieren somit für die in Tibet entspringenden Flüsse auch in den trockeneren Jahreszeiten hohe Abflussmengen.

Die große Bedeutung des aus Tibet kommenden Wassers für die Versorgung in Südostasien und den indischen Subkontinent steht im krassen Gegensatz zur mangelnden Verfügbarkeit verlässlicher Daten aus dieser Region. Dies betrifft sowohl die geringe Dichte der Messnetze als auch die geringe Bereitschaft Chinas, vorhandene Daten frei zugänglich zu machen. Die politische Brisanz wird noch dadurch erhöht, dass China offensichtlich erhebliche Wassermengen zur Bewässerung landwirtschaftlicher Kulturen in Südostchina einsetzt. Die Problematik wird weiterhin durch den Klimawandel verschärft, in dessen Folge nicht nur die Gletscher verstärkt abschmelzen, sondern die Trockenheit besonders in Westtibet zunimmt.

Im Rahmen des europäischen Projekts CEOP-AEGIS - "Verbesserung eines Überwachungssystems für das Wasserressourcen-Management" - untersuchen Wissenschaftler aus Europa und China mittels hydrologischer Modellierung die Wasserverfügbarkeit in Südostasien. Dabei besteht die Datengrundlage im Wesentlichen aus Fernerkundungsdaten, die Aussagen zur Oberflächentemperatur und -feuchte, zum Niederschlag und zur Pflanzenbedeckung ermöglichen. Die komplette Wasserbilanz muss dann durch Modellrechnungen ermittelt werden. Der Universität Bayreuth (BayCEER, Abt. Mikrometeorologie) kam dabei die Aufgabe zu, vor Ort gemessene Daten als sogenannten "ground truth" bereitzustellen, also Messdaten zu erheben, mit denen Modelle kalibriert werden können. Dabei geht es vorrangig um Angaben zur Verdunstung.

Hierfür wurden zwei Wege beschritten:

• Drei Jahre der chinesischen Messungen an vier Stationen auf dem tibetischen Hochplateau wurden in einen qualitätsgeprüften, korrigierten und umfassend beschriebenen Datensatz überführt, der den Mitarbeitern an CEOPAEGIS zur Verfügung gestellt wurde. Dazu besuchten mehrere chinesische Kollegen in den letzten Jahren die Universität Bayreuth.

• Zum anderen führte die Universität Bayreuth in den Jahren 2009 und 2010 eigene Messungen durch, um mittels speziell erfasster Daten Modellansätze zur Verdunstungsbestimmung testen zu können. 2012 war es aus zolltechnischen Gründen in Peking nicht möglich, die Geräte nach Tibet einzuführen.

Wieviel Wasser verdunstet, hängt von vielen Details ab: Dazu gehören sowohl die Sonneneinstrahlung als auch Beschaffenheit und Bewuchs der Landoberflächen. Sowohl die hohe Einstrahlung in Tibet als auch die trockene und dünne Bodenschicht lassen die Nutzung der in Mitteleuropa gut validierten Verdunstungsmodelle nicht ohne Weiteres zu. Es waren deshalb speziell für Tibet abgestimmte Modifikationen notwendig, die nach entsprechenden Tests auch für das hydrologische Modell übernommen werden sollen. Der im Jahr 2009 gewonnene Datensatz am Ufer des Nam Co Sees (Kapitelbild) ermöglichte es dabei, sowohl Modelle für Seen als auch für alpine Steppen anzupassen, deren Vegetation von Kobresia dominiert sind. In Abb. 4 wird ein Tagesgang der Verdunstung gezeigt: ein Beispiel für eine gelungene Modellanpassung. Durch die Verwendung eines zusätzlichen Footprint-Modells konnten auch Verdunstungsmessungen von "gemischten Oberflächen" - mit unterschiedlichen Anteilen an Seeund Landflächen - mit entsprechenden Modellierungen verknüpft werden.

Das im April 2013 seinen Abschluss findende CEOP-AEGIS Projekt hat umfangreiche Werkzeuge sowohl für die Messdatenbereitstellung, an der die Universität Bayreuth mitwirkte, als auch für die Anwendung von Fernerkundungsdaten und die Entwicklung des hydrologischen Modells erarbeitet. Dies ist die Basis dafür, um in naher Zukunft die Wasserbilanz Tibets auch bei geringer Datenverfügbarkeit zuverlässig modellieren zu können. Ebenso ist es möglich, vor Trockenheit oder Überflutungen rechtzeitig zu warnen.


AUTOREN

Prof. Dr. Thomas Foken leitet die Abteilung Mikrometeorologie des BayCEER. Seit fast 40 Jahren befasst er sich mit Fragen des Energie- und Stoffaustausches zwischen der Atmosphäre und der Unterlage - vorrangig Ökosysteme aber auch Wasserflächen. Schwerpunkt liegt dabei auf experimenteller Seite, gerade in den letzten Jahren entstanden aber auch einige Arbeiten zur Modellierung. Die Forschung ist eingebettet in nationale und internationale Projekte und Forschungsverbünde. Seit 15 Jahren ist er auch an europäischen Forschungsinitiativen beteiligt und hier seit fünf Jahren in Tibet.

Wolfgang Babel, M.Sc. studierte Geoökologie an der Universität Bayreuth. Nach seinem Bachelor-Abschluss absolvierte er, ebenfalls in Bayreuth, den Master-Studiengang Global Change Ecology im Elitenetwerk Bayern. Seit März 2009 ist er Doktorand in der Abteilung Mikrometeorologie der Universität Bayreuth. In seinen Forschungsarbeiten befasst er sich insbesondere mit dem Energie- und Stoffaustausch zwischen Landoberfläche und Atmosphäre auf dem Hochland von Tibet und mit dessen Modellierung. In Kürze schließt er eine Arbeit zur Modellierung des Energieaustausches in Tibet ab. Dazu hielt er sich insgesamt dreimal auf dem tibetischen Hochplateau auf.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Messkomplex zur Bestimmung der Verdunstung mittels Turbulenzmessungen am Ufer des Nam Co Sees. Durch die hier vorherrschende Land-See-Windzirkulation konnten jeweils für ca. einen halben Tag Daten über dem See bzw. über dem Land gewonnen werden.

Abb. 1: Bayreuther Klimaforscher installieren Messgeräte im tibetischen Hochland.

Abb. 2: Flusssysteme in Südostasien. Einzugsgebiete sind beispielhaft für Gelben Fluss und Brahmaputra hervorgehoben, eine dunkelrote Linie kennzeichnet den Umriss des Hochlands von Tibet

Abb. 3: Messfeld der Mt. Everest-Messstation.

Abb. 4: Tagesgang der Verdunstung (linke Ordinate) am 5. August 2009 am Ufer des Nam Co Sees. Dabei stellen die Kreise die Messdaten und die dicke schwarze Linie die Modelldaten dar. Je nach Anteil der Verdunstung vom See oder von den Kobresia dominierten alpinen Steppen (rechte Ordinate) wird das Seen-Modell (dicke graue Linie) bzw. das Landmodell (gestrichelte graue Linie) als Referenz verwendet.

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Quelle:
spektrum, Ausgabe 1, November 2012, S. 46 - 48
Herausgeber: Universität Bayreuth
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juli 2013