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WASSER/162: Erster UN-Welttoilettentag - 2,5 Milliarden Menschen sanitär unterversorgt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. November 2013

Entwicklung: Erster UN-Welttoilettentag - 2,5 Milliarden Menschen sanitär unterversorgt

von Thalif Deen


Bild: © Lova Rabary-Rakontondravony/IPS

Ein offener Abwasserkanal in Madagaskar
Bild: © Lova Rabary-Rakontondravony/IPS

New York, 18. November (IPS) - Bei den Vereinten Nationen ist es Tradition, wichtigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen durch einen internationalen Gedenktag Nachdruck zu verleihen. So gibt es unter anderem einen Internationalen Aids-, Bevölkerungs- und Wassertag. Am 19. November begehen die UN erstmals ihren Welttoilettentag, um auf die Sanitärprobleme von 2,5 Milliarden Menschen aufmerksam zu machen.

Im Juli hatte die 193 Mitgliedstaaten zählende UN-Vollversammlung einem Antrag Singapurs zugestimmt und den von der Welttoilettenorganisation (WTO) bereits 2001 ins Leben gerufenen Welttoilettentag einstimmig zu einem offiziellen UN-Welttag ernannt. "Der Name ist eingängig und witzig", heißt es in einer von Singapur herausgegebenen Mitteilung. Doch der Welttoilettentag widmet sich einem ernsten Thema: der Notwendigkeit, der globalen Sanitärkrise eine größere Aufmerksamkeit zu schenken.

Der Zugang zu Wasser- und Sanitärversorgung wird in dem Millenniumsentwicklungsziel (MDG) für ökologische Nachhaltigkeit als Unterpunkt abgehandelt. Demnach soll die Zahl der Menschen, die ohne diese elementaren Leistungen auskommen müssen, bis 2015 halbiert sein.

Derzeit sind 800 Millionen Menschen nicht an das öffentliche Wassersystem angeschlossen, 2,5 Milliarden haben keine Toiletten. Während die meisten Entwicklungsländer in den letzten 13 Jahren einen begrenzten Erfolg bei der Versorgung mit sauberem Wasser verbuchen konnten, sind die Sanitärziele nach wie vor unerreichbar.

Wie der ständige Repräsentant Singapurs bei den Vereinten Nationen, Mark Neo, erklärte, geht es bei der sanitären Grundversorgung nicht allein um den Bau von Toiletten und die Bereitstellung der erforderlichen Infrastrukturen, sondern auch um Sozial- und Verhaltensänderungen, die sich nicht über Nacht erreichen ließen.

Seit 1990 kamen immerhin 1,8 Milliarden Menschen in den Genuss einer verbesserten Sanitärversorgung. Zudem ging die Zahl der Erdenbürger, die sich unter freiem Himmel erleichtern müssen, um 272 Millionen zurück. "Doch die traurige Wahrheit ist, dass eine Milliarde Menschen noch immer im Freien defäkieren müssen und 2,5 Milliarden über keine angemessenen Sanitäreinrichtungen verfügen", betonte Neo. Vor diesem Hintergrund kämen der letzte Appell von Vize-Generalsekretär Jan Eliasson, endlich zu handeln, und auch die Konsensentscheidung für die Resolution zugunsten des Welttoilettentags zur rechten Zeit.


Keine Entwicklung ohne sanitäre Grundversorgung

Sanitäranlagen und Hygiene seien Triebfedern für die Gesundheit sowie für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung, meinte Chris Williams, Exekutivdirektor des 'Water Supply and Sanitation Collaborative Council' (WSSCC), mit Sitz in Genf. "Überall dort, wo Sanitärversorgung und sauberes Wasser fehlen, bleibt die Verwirklichung anderer Entwicklungsziele ein ferner Traum. Es wird Zeit, dass wir endlich handeln."

Um die Weltsanitärkrise zu bewältigen, hat Singapur mit der WTO, einem Zusammenschluss aus 534 Mitgliedern einschließlich lokalen Toilettenverbänden, eine Kampagne gestartet. Der WTO-Gründer Jack Sim ('Mr. Toilet') wird an den Feierlichkeiten der Vereinten Nationen in New York aus Anlass des Welttoilettentags teilnehmen. "Als wir Kinder waren, haben unsere Eltern nie über Fäkalien gesprochen", meinte Sim gegenüber IPS. "Das ist wirklich ein großes Problem. Denn man kann nicht etwas verbessern, über das man nicht spricht."

Wie Fleur Anderson, Leiterin von WaterAid mit Sitz in London, erklärte, geht es am 19. November nicht darum, einen weiteren UN-Tag bekannt zu geben, sondern ein starkes Signal dafür zu setzen, dass die Regierungen sich der Bedeutung, die Toiletten für das Leben von Kindern haben, bewusst sind. "Wir werden auf jeden Fall mit anderen zusammenarbeiten, um den Welttoilettentag dazu zu nutzen, die Aufmerksamkeit auf das ungeheuerliche Ausmaß des Problems zu lenken", sagte Anderson.

WaterAid wird zusammen mit dem WSSCC und dem Großunternehmen 'Unilever' einen neuen Bericht vorlegen, in dem die Auswirkungen geschildert werden, die die Sanitärfrage auf das Leben von Frauen nimmt. Der Report wird ferner einen Pakt zwischen Regierungen, Zivilgesellschaft und Unternehmen fordern, um das Sanitär-MDG - die Zahl der Menschen mit inadäquater Sanitärversorgung zu halbieren - zu erreichen.

Wie Emma Pfister von der Hilfsorganisation 'Water for People' gegenüber IPS erklärte, ist das Problem mit Geld und dem Bau von Toiletten nicht aus der Welt geschafft. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass dieser Ansatz nicht funktioniert und stattdessen Investitionen und Entwicklungschancen für die Weltärmsten vertan werden", sagte sie. "Unser Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass jede Familie, Schule und Klinik Zugang zu einer vernünftigen Toilette hat - und zwar einer Toilette, die dauerhaft funktioniert."

Der Weltwassertag sei ein großer Schritt, um die sanitäre Grundversorgung zu einem international diskutierten Thema zu machen, erklärte Pfister. "Und während er helfen wird, die Menschen für das Sanitärproblem zu sensibilisieren und Gelder aufzutreiben, müssen wir nachhaltige Lösungen einfordern. Es gilt die Art und Weise, wie die Gelder ausgegeben werden, zu verändern und UN-Agenturen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Regierungen dazu zu bringen, dass sie über ihre Arbeit, die in das Leben der Menschen eingreift, Rechenschaft ablegen."


Mit Sanitär-MDG im Verzug

Wie Neo erklärte, wird die Zeit nicht ausreichen, das Sanitär-Ziel fristgerecht bis 2015 zu erreichen. Bei der derzeitigen Umsetzungsrate werden 2015 noch immer 936 Millionen Menschen gezwungen sein, ihr Geschäft in freier Natur zu erledigen. "Deshalb ist es wichtig, dass die sanitäre Grundversorgung in den Nachhaltigkeitszielen (SDGs), die sich an die MDGs anschließen werden, eine prominente Rolle spielt."

Die sanitäre Unterversorgung hat einen hohen wirtschaftlichen Preis, wie Neo weiter betonte. Sie schlägt mit Verlusten von 0,5 bis sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu Buche. Investitionen in die Sanitärversorgung würden hingegen jährlich 260 Milliarden Dollar einbringen.

WaterAid-Geschäftsführerin Barbara Frost erklärte gegenüber IPS, dass im Jahr 2000 die Staats- und Regierungschefs versprochen hatten, den Anteil der Menschen, die keinen Zugang zu einfachen Toiletten hatten, bis 2015 zu halbieren. Bei der jetzigen Umsetzungsrate müssten 500.000 Menschen ein weiteres Jahrzehnt warten, bevor sie in den Genuss der versprochenen sanitären Grundversorgung kämen. "Wir können und sollten es besser machen, weil es sich um grundlegende Leistungen handelt, die Leben verändern." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://worldtoiletday.org/
http://www.ipsnews.net/2013/11/world-toilet-day-no-joke-for-billions-without-sanitation/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 18. November 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2013