Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → INTERNATIONALES


WASSER/236: Auf dem Weg zum 8. Weltwasserforum in Brasilien (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2017

Jobs, Jobs, Jobs
Gute Arbeitsplätze in einer nachhaltigen Zukunft?

Auf dem Weg zum 8. Weltwasserforum in Brasilien
Wasserbewegte diskutieren in Den Haag

von Birgit Zimmerle


Am 16. und 17. Mai 2017 trafen sich in Den Haag Wasserbewegte zu 2 Veranstaltungen rund ums Wasser: Am ersten Tag wurde der neue European Pact for Water (Europäischer Pakt für Wasser) weiter auf den Weg gebracht. Der zweite Tag startete den europäischen Prozess zur Vorbereitung des Weltwasserforums 2018 in der brasilianischen Hauptstadt Brasília. Dabei intensivierten Europäische Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf verschiedenen Ebenen ihre Zusammenarbeit im Wasserbereich.


Beim European Pact for Water arbeiten europäische NGOs zusammen an der Agenda 2030 zur Umsetzung der Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Vereinten Nationen (UN) zum Thema Wasser, sowie der Stärkung des Themas auf europäischer Ebene. Die Initiative zum European Pact for Water entstand im Dezember 2016 in Bremen bei einem Treffen von NGOs zur Umsetzung der Wasserziele in der Agenda 2030. Im Mai 2017 wurde der European Pact for Water in Den Haag weiter konkretisiert.


Wasserthemen in der 2030-Agenda

Die 17 SDGs, die im September 2015 als Nachfolge der UN-Milleniumsentwicklungsziele verabschiedet wurden, enthalten durch SDG 6 als neuen Bereich das Thema Wasser. Dies war ein großer Erfolg bei der Definition von Zielen, die im Rahmen der 2030-Agenda angestrebt werden. Damit soll die Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle Menschen weltweit gewährleistet werden. Die 6 Unterziele beinhalten den Schutz und die Wiederherstellung von wasserverbundenen Ökosystemen, die Verringerung der Verschmutzung des Wassers und die Unterstützung und Verstärkung der Mitwirkung lokaler Gemeinwesen an der Wasserbewirtschaftung und Sanitärversorgung. Da das Thema Wasser auch in andere SDGs hineinwirkt, reicht seine Bedeutung weit über das SDG 6 hinaus und erfordert Vernetzung mit anderen Bereichen.

Im Zuge des European Pact for Water in Den Haag standen unter anderem folgende Fragen auf der Agenda: Wie kann ein erfolgreiches Monitoring-System unter Mitwirkung von zivilgesellschaftlichen Organisationen etabliert werden? Wie können existierende Datenbanken genutzt und zusätzliche Informationen erhoben werden? Wie kann Wasser und sanitäre Versorgung für alle erreicht werden? Hier ist seit Jahren standardmäßig von großen Finanzierungslücken die Rede. Während die Versorgung von marginalisierten und schutzbedürftigen Gruppen generell thematisiert wird, verlaufen die Konfliktlinien zwischen der Umsetzung dieses Ziels durch große kostenintensive Infrastrukturmaßnahmen und dezentralen, lokal angepassten Lösungen. Letztere verursachen zwar geringe Kosten, sind aber gerade deswegen oft schwierig zu finanzieren, da Finanzierungsinstitutionen große Lösungen bevorzugen. Hier sind neue und innovative Finanzierungsmodelle gefragt. Als Beispiel wurde die Dutch Water Bank genannt, deren Erfahrungen auch für andere Länder nützlich sein können.

In vielen Partnerländern der Europäischen Union (EU) steht Wasser ganz oben auf der Agenda, aber bei der Umsetzung in EU-weite Vereinbarungen verliert es an Bedeutung. Für das Thema Wasser fehlen - im Vergleich zum Thema Klima - auf internationaler Ebene vergleichbare Strukturen und Mechanismen. Auf der anderen Seite ist der Umgang mit Wasser wesentlich für den Erfolg vieler internationaler Vereinbarungen, wie das Pariser Klimaabkommen oder die Konventionen zum Erhalt der biologischen Vielfalt oder zur Bekämpfung der Wüstenbildung.

In Den Haag wurden Namen und Logo des European Pact for Water beschlossen. Ob das Netzwerk - wie ursprünglich geplant - in Zukunft als loser Zusammenschluss oder in Form einer festen Struktur mit Mitgliedschaft agieren wird, soll in den kommenden Monaten weiter erarbeitet werden.


Start des europäischen Prozesses zum Weltwasserforum 2018

Unter dem Motto 'Sharing Water' (Wasser teilen) findet vom 18. bis 23. März 2018 in der brasilianischen Hauptstadt Brasília das 8. Weltwasserforum (WWF8) statt. Es wird seit 1997 alle 3 Jahre vom World Water Council (Weltwasserrat) organisiert.

Wie alle vorangegangenen Foren wird auch das WWF8 wieder ein Megaevent mit tausenden von TeilnehmerInnen aus aller Welt.

Im Rahmen des WWF8 werden 6 Themenfelder bearbeitet: Klima, Menschen, Städte, Entwicklung, Ökosysteme und Finanzierung. Innerhalb der Themenfelder gibt es weitere Unterteilungen, beim Themenfeld Menschen lauten diese: Ausreichende sichere Wasserversorgung für alle, integrierte Sanitärversorgung für alle, Wasser und öffentliche Gesundheit. Der thematische Prozess ist wiederum mit verschiedenen Bereichen verlinkt. So sollen die Ergebnisse vom WWF7 umgesetzt und die Agenda 2030 weiter entwickelt werden.

Die inhaltlichen Schwerpunkte werden in regionalen Prozessen vorbereitet. Am 17. Mai 2017 fand in Den Haag die erste Veranstaltung für den europäischen Prozess statt. Nach der Vorstellung der Strukturen und Vorbereitungsprozesse wurde es nachmittags sehr schnell konkret, denn es waren Ideen zur Schwerpunktsetzung und Fallstudien gefragt. Die Ergebnisse der einzelnen Arbeitsgruppen liegen in Kürze vor und werden in den nächsten Wochen weiterentwickelt.

Bei Fallstudien können deutsche NGOs anhand der Folgen zunehmend industrialisierter landwirtschaftlicher Praktiken und des Kohlebergbaus die negativen Folgen für das Wasser aufzeigen. Zum einen sind solche Erfahrungen relevant für andere Länder, zum anderen zeigen die Beispiele auf, dass auch Deutschland noch Hausaufgaben zu machen hat. Als positive Beispiele sind die Erfahrungen mit der Rekommunalisierung der Wasserversorgung in Berlin und anderen Städten auch für die Arbeit der Zivilgesellschaft in anderen Ländern von Bedeutung.

Bezogen auf Regionen im Globalen Süden sollte dringend auch der Wasser-Fußabdruck aufgezeigt werden, d. h. wie viel Wasser importiert Deutschland mit verschiedenen Produkten und wie wirkt sich dies weltweit z. B. auf wasserarme Regionen aus.

Weitere Stationen für den europäischen regionalen Vorbereitungsprozess sind die alljährliche Weltwasser-Woche im August in Stockholm, ein Treffen in Porto in Portugal im September und eine Tagung in Budapest in Ungarn im November.


Kritik aus der Zivilgesellschaft

Organisator des Weltwasserforums ist - wie auch in den vorangegangenen Jahren - der Weltwasserrat. Er wurde 1996 in Marseille gegründet und besteht aus über 300 Organisationen, die sich in die Bereiche Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft (einschließlich Wasserwirtschaftsverbänden) aufteilen.

Die Teilnahme am Weltwasserforum wird seitens der Zivilgesellschaft kontrovers diskutiert. Viele NGOs und Basisbewegungen werfen dem Weltwasserrat zu starke Beeinflussung durch große Konzerne sowie fehlende Unabhängigkeit und Transparenz vor. Die Bandbreite der Aktionen reicht von totaler Ablehnung der Teilnahme bis zu Demonstrationen oder kritischer Begleitung der Foren.

Zusätzlich fanden schon in Istanbul (2009), Marseille (2012) und Südkorea (2015) alternative Weltwasserforen statt, in denen die Zivilgesellschaft ihre selbst gesetzten Prioritäten diskutierte und gemeinsame Positionen verabschiedete.

In Brasília organisiert die Zivilgesellschaft für 2018 ebenfalls ein paralleles Weltwasserforum. Die brasilianischen Organisationen kritisieren unter anderem, dass für die Exportlandwirtschaft fast zehnmal so viel Wasser verbraucht wird wie zur Versorgung der heimischen Bevölkerung. Die Wassersituation ist in vielen brasilianischen Regionen prekär. Gerade hat die Regierung im trockenen Nordosten einem bisher erfolgreiches Zisternen-Programm den Geldhahn abgedreht.


Was bringt die Teilnahme an Weltwasserforen?

Ein Austausch auf internationaler Ebene, wie das Weltwasserforum, kann globale Prozesse wie die SDGs voranbringen. So wurde in der Erklärung von Korea das Thema Wasser als SDG bekräftigt, was zumindest zur Aufnahme dieses Ziels in die Agenda 2030 beitrug. Auch im Bereich der kommunalen Wasserversorgung können NGOs durch eigene Veranstaltungen, Ausstellungen oder der Teilnahme an Diskussionen im Weltwasserforum ihre Sichtweisen vorbringen und Kooperationspartner bei Regierungen, Instituten und Firmen finden.

Für eine Teilnahme ist es sicher hilfreich, im Wust der Veranstaltungen strategisch vorzugehen und zu überlegen, wo sich Allianzen schmieden lassen mit aufgeschlossenen GesprächspartnerInnen aus allen Bereichen. Darüber hinaus gibt es Gelegenheiten zur Themensetzung sowohl auf dem WWF8 als auch bei Folgeveranstaltungen, die mit den Ergebnissen des Forums verzahnt werden.

Bei der europäischen Start-Veranstaltung in Den Haag herrschte jedenfalls eine offene und konstruktive Atmosphäre und es gab eine sehr große Beteiligung von NGOs. Ein Austausch mit den anderen Regionalprozessen und den Erfahrungen der beteiligten NGOs ist sicher lohnenswert zur weiteren Beurteilung. Unabhängig von einer Teilnahme am WWF8 gibt es auch die Möglichkeit, sich nur am Vorbereitungsprozess zu beteiligen.

Neben all den Veranstaltungen im offiziellen und alternativen Weltwasserforum gibt es übrigens noch weitere Gründe, nächstes Jahr nach Brasilien zu reisen: Im März 2018 ist in Salvador (Bahia) das Weltsozialforum geplant.


Die Autorin arbeitet als freie Autorin und Beraterin zu Umwelt- und Entwicklungsthemen und ist in der AG Wasser des Forum Umwelt und Entwicklung aktiv.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NGOs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

*

Quelle:
Rundbrief 2/2017, Seite 38-39
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 910
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. August 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang