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BUCH/067: Mike Hulme - Streitfall Klimawandel (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 181 - August / September 2014
Die Berliner Umweltzeitung

Streitfall Klimawandel
Warum es für die größte Herausforderung keine einfachen Lösungen gibt

Von Dana Jestel



In allen Kulturen ist Klima mehr als nur das Wetter mit messbaren Temperaturverläufen und Niederschlagsmengen. In der Sprache über das Klima spiegeln sich die Beziehungen der Menschen zu ihrer natürlichen Umwelt. Klima beinhaltet mehr als nur meteorologische und geographische Begebenheiten, es beinhaltet ebenso soziale, kulturelle, religiöse Wertschätzungen.

Mike Hulme, der Autor von "Streitfall Klimawandel", ist Geograph, seit langen Jahren als Forscher für Klimaänderungen tätig und Gründungsdirektor des Tyndall Centre for Climate Change Research in Großbritannien.

Erst durch die moderne Trennung von Natur und Kultur, so Hulme, werde die Vorstellung möglich, man könne Klima rein physikalisch erfassen. Dagegen finden sich überall Beispiele für die enge Verbindung von klimatischen Bedingungen und Lebensalltag. El Niño, das Klimaphänomen, das heute fast ein Synonym für Orkane und Flutkatastrophen ist, habe seinen Namen ursprünglich von katholischen Fischern, die damit eine warme Meeresströmung vor den Küsten Ecuadors und Perus bezeichneten, die um die Weihnachtszeit herum auftrat.

Anlass für Hulmes Buch ist die Erkenntnis, dass Konferenzen und ökonomische Instrumente zur Vermeidung der Erderwärmung bislang ins Leere laufen und auch weiterhin ins Leere laufen werden, weil "... Klimawandel für verschiedene Menschen - in Abhängigkeit von ihren politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen sehr verschiedene Bedeutungen hat." Während sich das Problem mit dem Ozonloch mit technischen und politischen Mitteln habe lösen lassen, gehe es beim Problem Klimawandel um mehr als um technischen Fortschritt und politische Regelungen. Die Debatte um den Klimawandel werde zu sehr unterschiedlichen Zwecken genutzt, sichtbar daran, dass die gleichen wissenschaftlichen Daten, etwa über Temperaturverläufe, sehr unterschiedlich interpretiert werden.

Für Leser mit geisteswissenschaftlicher Ausbildung ist das nicht wirklich überraschend, gab es doch hier schon vor längerer Zeit die Erkenntnis, dass niemand unabhängig von der Welt denkt, in der er existiert. Informativ und auch angenehm ist die Lektüre des Buches trotzdem. So ist eine ganze Menge über die Auseinandersetzungen zwischen Wissenschaftlern und Politik zum Thema Klimawandel in den letzten dreißig Jahren zu lesen. In den verbleibenden Kapiteln exerziert Hulme materialreich und systematisch die verschiedenen Sichtweisen auf den Klimawandel durch: wirtschaftliche, politische, soziale, religiöse. Den größten Kritikpunkt an seiner Darstellung benennt er im Vorwort selbst: In der Beschreibung der unterschiedlichen Sichtweisen auf das Problem des Klimawandels fehlt die Frage nach den dahinter stehenden Interessen und Machtstrukturen.

Das Buch endet mit der Aufforderung, den Klimawandel zum Anlass zu nehmen darüber nachzudenken, warum wir auf diesem Planeten leben. Klimawandel sei kein Umweltproblem, dass sich messen und dann beherrschen lasse, sondern ein Geflecht politischer, sozialer und wirtschaftlicher Interessen. Jenseits von apokalyptischen Vorstellungen werden Veränderungen des Klimas dazu anregen, dass wir über Lebensmöglichkeiten, Ziele und Werte nachdenken.


Mike Hulme:
Streitfall Klimawandel. Warum es für die größte Herausforderung keine einfachen Lösungen gibt
oekom verlag, München, 2014
400 Seiten, 24,95 Euro
ISBN 978-3-86581-459-3

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Quelle:
DER RABE RALF - 25. Jahrgang, Nr. 181 -
August/September 2014, Seite 26
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2014