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FORSCHUNG/364: Der Beitrag von Totholz zur Kohlenstoffspeicherung (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
Ausgabe 1, Mai 2011

Globaler Wandel
Totholz - ein Kohlenstoffspeicher?
Eine Studie über den Beitrag von Totholz zur Kohlenstoffspeicherung in bayerischen Wäldern

von Inken Krüger, Werner Borken und Christoph Schulz


Zu einem natürlichen Wald gehören nicht nur alte Bäume mit großen Kronen, sondern auch jene Bäume, die schon lange kein Grün mehr tragen. Das so genannte Totholz erfüllt viele ökologische Funktionen. Es ist Lebensraum für Vögel, Insekten und Pilze, Wasserspeicher, ein Keimbett für Jungwuchs und Bestandteil des Nährstoffkreislaufs. Als Teil des Kohlenstoffkreislaufs wird Totholz im Kyotoprotokoll berücksichtigt. Dennoch liegen wenig Zahlen über die Rolle von Totholz im Kohlenstoffkreislauf vor: wie viel Totholz kommt in den heimischen Wäldern vor und wie lange verbleibt es im Wald? Was passiert nach der Holzzersetzung mit dem Kohlenstoff? Reichert sich Kohlenstoff aus Totholz im Boden an oder wird dieser vollständig zu CO2 mineralisiert?

Um den Einfluss von Totholz auf Kohlenstoffvorräte beschreiben zu können, werden in drei bayerischen Wäldern mit den hier typischen Baumarten Fichte, Buche und Eiche Untersuchungen zur Funktion von Totholz durchgeführt. Dabei werden je ein unbewirtschafteter Wald und ein nahe gelegener bewirtschafteter Wald betrachtet. Zur Ermittlung der Totholzmengen kann man bei oberirdischem Totholz auf zwar aufwendige, aber relativ einfache Art und Weise vorgehen: mit Maßband und Zollstock werden alle toten Stämme, Stümpfe und Äste mit einem Durchmesser größer als 7 cm abgemessen und erfasst. Anhand äußerer Merkmale wird ein Zersetzungsgrad zugewiesen und durch das Anbohren von Stämmen die Holzdichte bestimmt. Die Erfassung von unterirdischem Totholz gestaltet sich schwieriger. So müssen zu dessen Erfassung abgestorbene Wurzelstöcke mithilfe eines Baggers ausgegraben werden. In den für alte Eichen bekannten Naturschutzgebieten Rohrberg im Spessart und Ludwigshain bei Kelheim finden sich mit bis zu 165 m3/ha (30 t Kohlenstoff) rund fünfmal mehr oberirdisches Totholz als in den angrenzenden Wirtschaftswäldern. Im Naturwaldreservat Grübel im Bayerischen Wald, einem Fichtenbestand, kommen rund 65 m3/ha Totholz (11 t Kohlenstoff) vor. Sowohl in seiner Funktion als Lebensraum als auch in Hinblick auf die Zersetzungsrate ist nicht nur die Menge an Totholz, sondern auch die Totholzform von Bedeutung. So findet man im unbewirtschafteten Wald abgestorbene Eichenstämme mit Volumen von bis zu 10 m3 und hohe Anteile an stehendem Totholz.

Um einzuschätzen, ob Totholz eine Kohlenstoffsenke ist, genügt eine Momentaufnahme der Totholzvorräte nicht. Angaben über die Verweilzeit von Totholz im Wald sind ebenfalls notwendig. Zur Bestimmung dieses Zeitraums werden zwei verschiedene Methoden eingesetzt. Bei der dendrochronologischen Kreuzdatierung werden die Jahrringsequenzen von Totholzstämmen digitalisiert und mit Sequenzen von Bäumen, deren Absterbejahr bekannt ist, verglichen. Da die Jahrringbreiten von ökologischen Faktoren wie dem Wetter abhängen, ist die Abfolge von breiten und schmalen Ringen für die Bäume eines Bestands sehr ähnlich und ermöglicht eine präzise Datierung. Mit der Radiokarbonmethode kann das Alter des jüngsten Jahrrings bestimmt werden. Durch oberirdische Atombombentests wurden in den 1950er und 60er Jahren große Mengen des radioaktiven Kohlenstoffisotops 14C in die Atmosphäre freigesetzt. Seit dem Moratorium 1963 nimmt die 14C Konzentration in der Atmosphäre kontinuierlich ab. Durch diesen Effekt kann die Radiokarbonmethode nicht nur für archäologische Zwecke, sondern auch für rezente Altersbestimmungen genutzt werden. Zur Altersbestimmung von Totholz ist sie deshalb anwendbar, da die 14C Konzentration jedes Jahrrings jener der Atmosphäre im entsprechenden Jahr entspricht. Beide Methoden setzen jedoch voraus, dass die Waldkante, der letzte gebildete Jahrring, noch vorhanden ist. Stark zersetztes Totholz kann deshalb nicht datiert werden.

Der Zersetzungsprozess ist von vielen Parametern abhängig, wie vom Pilzbefall, der Exposition, der Dicke des Stammes oder mechanischen Schäden des Holzes. So korreliert der Todeszeitpunkt nicht zwingend mit Zersetzungsgrad und der Holzdichte. Das maximale Alter von Totholz ist stark abhängig von der Baumart. So kann Eichentotholz Verweilzeiten von über 60 Jahren aufweisen. Das gefundene und datierte Fichten- und Buchentotholz geht hingegen nach etwa 30 Jahre in einen stark zersetzen Zustand über, in dem es nicht mehr datiert werden kann.

Doch was passiert nach der Holzzersetzung mit dem Kohlenstoff? Der überwiegende Teil gelangt durch den mikrobiellen Abbau als CO2 in die Atmosphäre, ein geringerer Teil in den Boden. Der Boden enthält in unseren Breiten einen beträchtlichen Vorrat an organischem Kohlenstoff. In den untersuchten Wäldern konnten Mengen von bis zu 14 t/ha in der Humusauflage und bis zu 82 t/ha Kohlenstoff in den obersten 10 cm des Bodens berechnet werden. Doch wie viel Kohlenstoff sich durch Totholz im Boden anreichern kann, ist bislang kaum untersucht. Auf den Versuchsflächen soll durch den Vergleich von bewirtschaftetem und unbewirtschaftetem Wald dieser Einfluss bestimmt werden. Für die Analyse wurden in jedem der untersuchten unbewirtschafteten sowie bewirtschafteten Wäldern 30 Bodenproben bis in 1 Meter Tiefe entnommen und deren Kohlenstoffgehalt untersucht. Um Aussagen über die Umsatzzeiten von organischem Kohlenstoff im Boden treffen zu können, wird die 14C-Signatur von verschiedenen Fraktionen des Bodens bestimmt. Die Auswertung der bisherigen Resultate zeigt, dass die Bewirtschaftungsform keinen Einfluss auf den Gesamtkohlenstoffgehalt des Bodens hat. Allerdings ändert sich der Gesamtkohlenstoffgehalt nur langsam im Vergleich zu den Zeiträumen, seit denen die Wälder nicht mehr wirtschaftlich genutzt werden. Die 14C-Signatur ermöglicht eine detaillierte Analyse der Veränderungen durch Totholz. Mit diesem Ansatz soll die Funktion des Totholzes für die Kohlenstoffspeicherung in Waldböden untersucht werden und die Frage beantwortet werden, wie viel Kohlenstoff sich durch Totholz im Wald anreichert.


Projekt KLIP 23
Das Projekt KLIP 23 wird am Lehrstuhl für Bodenökologie durch Inken Krüger, Helga Hertel-Kolb, Uwe Hell und Werner Borken in Kooperation mit Christoph Schulz von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) in Freising bearbeitet. Das Projekt läuft von Oktober 2009 bis September 2012 und wird im Rahmen des Klimaprogrammes 2020 vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten finanziert.

• www.bayceer.uni-bayreuth.de/bod


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

• Anders als in Wirtschaftswäldern werden im Naturschutzgebiet Rohrberg alte Bäume nicht gefällt. Als stehendes Totholz sind sie ein Lebensraum für Insekten, Vögel und Pilze.

• Inken Krüger bei der Aufnahme von Totholz. Die Geoökologin schreibt seit Oktober 2009 am Lehrstuhl für Bodenökologie bei Werner Borken an ihrer Doktorarbeit mit dem Titel "Potential von ober- und unterirdischen Totholz als Kohlenstoffsenke in Natur- und Wirtschaftswäldern".

• Stark zersetztes Totholz, das teils übereinandergestapelt ist, stellt eine Herausforderung für die vollständige Kartierung dar. Die Aufnahme aus dem Naturschutzgebiet Ludwigshain zeigt, wie viel Totholz sich auf kleinem Raum sammeln kann.


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Quelle:
spektrum, Ausgabe 1, Mai 2011, Seite 70-72
Herausgeber: Universität Bayreuth
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"spektrum" erscheint dreimal jährlich.