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FORSCHUNG/679: Felsbrocken an der Küste der Bahamas berichten von vorzeitlichen Stürmen (idw)


Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) - Pressemitteilung MARUM und ZMT, 02.11.2017

Felsbrocken an der Küste der Bahamas berichten von vorzeitlichen Stürmen


Auf den Bahamas wurden vor über 100.000 Jahren tonnenschwere Felsbrocken durch Sturmwellen auf die Klippe gespült. Ob die Felsen tatsächlich von vorzeitlichen "Superstürmen" bewegt wurden, war lange Zeit umstritten. Forschende um Dr. Alessio Rovere vom MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen und dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) haben nun herausgefunden, dass die Stärke heutiger Stürme verbunden mit einem wenige Meter höheren Meeresspiegel hierfür ausreichen würde. Die Ergebnisse hat die Zeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) am 30. Oktober 2017 veröffentlicht.


Foto: © Elisa Casella, ZMT

Dr. Alessio Rovere und Doktorand Thomas Lorscheid vor dem Felsbrocken mit Namen "Bull".
Foto: © Elisa Casella, ZMT

Weltweit sind Küstenregionen durch Klimawandel und Meeresspiegelanstieg gefährdet. Wärmere klimatische Bedingungen können Stürme verstärken und lassen Überflutungen häufiger auftreten - eine wachsende Bedrohung für die Bevölkerung, die Infrastruktur und Industrie in Küstennähe. Darum ist es wichtig, das Ausmaß besser abschätzen zu können, in dem extreme Stürme an Intensität und Häufigkeit zunehmen werden. Hierfür stützen sich Klimaforschende auf Wetterbeobachtungen und Modellrechnungen, schauen darüber hinaus aber auch in die Vergangenheit.


Foto: © Alessio Rovere, ZMT und MARUM

Die Felsbrocken "Cow" (links) und "Bull" auf der Klippe von Eleuthera.
Foto: © Alessio Rovere, ZMT und MARUM

Superstürme der Vergangenheit

Für Vergleiche wird häufig die letzte Warmzeit, zwischen etwa 128.000 bis 116.000 Jahre vor heute, herangezogen. Dies war die Periode der Erdgeschichte, in der das Klima letztmals wärmer war als zur vorindustriellen Zeit. Der Meeresspiegel lag höher als heute. Es wird angenommen, dass in dieser Zeit der Nordatlantik von "Superstürmen" geprägt war - stärker als jeder Sturm seit Beginn der instrumentellen Aufzeichnungen. An den Ostküsten Bermudas und der Bahamas zeugen verschiedene Ablagerungen von den einstigen Sturmwellen, die das Land überspült haben, darunter auch riesige Felsbrocken. Diese haben Dr. Alessio Rovere, Leiter der Brückennachwuchsgruppe "Sea Level and Coastal Changes" am MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen und dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT), und seine Kolleginnen und Kollegen genauer untersucht. "Wir wollten wissen, wie viel Energie Sturmwellen brauchen, um solche massiven Felsen von der Klippenkante auf ihre heutige Position zu bewegen, und ob die Energie durch einen heutigen Sturm das auch schaffen könnte."

Sturmwellen transportieren Felsbrocken

Auf einer etwa 15 Meter hohen Klippe auf der Bahamasinsel Eleuthera liegen sieben massive Felsbrocken, die laut einiger Studien von Superstürmen dorthin verfrachtet wurden. Sie sind so gigantisch, dass es unvorstellbar ist, dass diese Felsen von Wellen dort abgelegt worden sein könnten. Zwei der größeren Felsbrocken sind in der Region unter den Namen "Cow" und "Bull" bekannt. Rovere und sein Team haben diese beiden vermessen, ihr Volumen und ihre Dichte abgeschätzt, und kamen so auf ein Gewicht von 383 Tonnen für den kleineren Felsen und 925 Tonnen für den größeren. Die vor Ort gesammelten Daten speisten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihr Computermodell und passten den Meeresspiegel auf die damalige Zeit an, also bis zu 15 Meter über dem heutigen. Mit ihrem Wellenmodell reproduzierten sie Wellen, wie sie in drei Stürmen entstanden, die Eleuthera besonders hart trafen: der "Perfekte Sturm" im Jahr 1991, Hurrikan Andrew ein Jahr später und Hurrikan Sandy in 2012. Diese Sturmwellen ließ das Forscherteam im Modell gegen die Klippen Eleutheras anlaufen, um zu errechnen, ab welchen Wellenhöhen und -längen sowie Strömungsgeschwindigkeiten das Wasser die Felsen bewegen kann.

Aus längst vergangenen Wellen für die Zukunft lernen

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass kein Supersturm nötig war, um die heutige Position der beiden Felsbrocken zu erklären", sagt Rovere. "Selbst, wenn wir für den Meeresspiegel nur einen Wert von sechs Meter über heutigem Niveau annehmen, hätten Wellen, wie die von Hurrikan Sandy erzeugten, ausgereicht, um die Felsen "Cow" und "Bull" auf ihre heutigen Positionen zu transportieren." Für künftige Stürme lässt sich also schlussfolgern, dass - auch wenn die Stürme nicht stärker würden - allein der Meeresspiegelanstieg dafür sorgen würde, dass starke Wellen während eines Sturmes häufiger auftreten und auch die Strömungsgeschwindigkeiten, und damit die Energie der Wellen, zunehmen.

Originalveröffentlichung in Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS):
Giant boulders and Last Interglacial storm intensity in the North Atlantic Alessio Rovere, Elisa Casella, Daniel L. Harris, Thomas Lorscheid, Napayalage A. K. Nandasena, Blake Dyer, Michael R. Sandstrom, Paolo Stocchi, William J. D'Andrea, Maureen E. Raymo,
http://dx.doi.org/10.1073/pnas.1712433114



Beteiligte Institute:

  • Lamont-Doherty Earth Observatory, Columbia University, USA
  • Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT), Bremen
  • MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
  • NIOZ Royal Netherlands Institute for Sea Research, Niederlande
  • University of Auckland, Neuseeland
  • University of Queensland, Australien

MARUM entschlüsselt mit modernsten Methoden und eingebunden in internationale Projekte die Rolle des Ozeans im System Erde - insbesondere im Hinblick auf den globalen Wandel. Es erfasst die Wechselwirkungen zwischen geologischen und biologischen Prozessen im Meer und liefert Beiträge für eine nachhaltige Nutzung der Ozeane. Das MARUM umfasst das DFG-Forschungszentrum und den Exzellenzcluster "Der Ozean im System Erde".

Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT)
Seit 1991 widmet sich das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Lehre und Forschung dem besseren Verständnis tropischer Küstenökosysteme. Dabei stehen Fragen zur Struktur und Funktionsweise dieser Lebensräume, zu Ressourcennutzung und zur Widerstandsfähigkeit gegenüber menschlichen Eingriffen und natürlichen Veränderungen im Mittelpunkt. Das ZMT arbeitet interdisziplinär und verbindet dabei natur-und sozialwissenschaftliche Forschungsfelder. Die Forschungsprojekte werden in enger Kooperation mit tropischen Partnern realisiert. Außerdem unterstützen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des ZMT die Entwicklung von Expertise und Strukturen in den Tropen, die ein nachhaltiges Küstenzonenmanagement ermöglichen.


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.pnas.org/content/early/2017/10/23/1712433114.full
Link zur Veröffentlichung in "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS)

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news683871

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution457

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT), Andrea Daschner,
02.11.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2017

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