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MESSUNG/058: Erstmals Messung von Bromnitrat in der Stratosphäre (idw)


Karlsruher Institut für Technologie - 11.02.2009

Erstmals Messung von Bromnitrat in der Stratosphäre


Wissenschaftlern des Karlsruher Instituts für Technologie ist es gelungen, erstmals das Spurengas Bromnitrat in der Stratosphäre zu messen. Die Messungen wurden mit Hilfe des Infrarot-Spektrometers MIPAS auf dem europäischen Umweltsatelliten Envisat durchgeführt. Brom ist nach Chlor die wichtigste Substanz für die durch den Menschen verursachte Ozonzerstörung in der Stratosphäre.

Trotz seiner deutlich geringeren Konzentration trägt Brom nach Chlor den wichtigsten Anteil am katalytischen Ozonabbau durch Halogenverbindungen in der Stratosphäre. Die Emission chlorhaltiger Substanzen ist durch internationale Verträge reglementiert. Wegen der dadurch abnehmenden Chlorkonzentration wird die Rolle von Brom in der stratosphärischen Ozonchemie immer wichtiger. Gleichzeitig hat Brom viel größere natürliche Quellen als Chlor und reagiert außerdem erheblich schneller mit Ozon.

Eine weitere anorganische Bromverbindung, das Bromoxid, wurde in der Atmosphäre schon vor 20 Jahren nachgewiesen. Nun konnten Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) erstmals auch Bromnitrat nachweisen, welches das hauptsächliche Reservoirgas für Brom in der Stratosphäre darstellt.

"Der Nachweis gelang durch das Infrarot-Spektrometer MIPAS, das auf dem europäischen Umweltsatelliten Envisat die Erde umkreist. In den hoch aufgelösten Infrarot-Spektren konnten wir den spektralen Fingerabdruck von Bromnitrat identifizieren", erläutert Dr. Michael Höpfner vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung des KIT. "Weil die Signatur von Bromnitrat so schwach ist, mussten Spektren über einen Monat aufsummiert werden. Dieser erste Nachweis von Bromnitrat in der Atmosphäre war außerdem nur möglich durch die enge Zusammenarbeit mit Kollegen in Paris, die für uns zuvor die notwendigen Referenzdaten im Labor gemessen hatten."

Bromnitrat konnte im Höhenbereich zwischen 20 und 40 Kilometern nachgewiesen werden. Die gemessenen Konzentrationen erreichen bei Nacht Werte bis 25 pptv (25 Billionstel Teile), bei Tag liegen sie unter 10 pptv. Diese Konzentrationen und die Variation wurden aufgrund von Modellrechnungen erwartet: Bromnitrat wird durch Sonnenlicht in Bromoxid umgewandelt.

Brom hat ein höheres Potenzial für den Ozonabbau als Chlor, weil es durch Photolyse (Lichteinfluss) viel leichter aus seinem Reservoir Bromnitrat (BrONO2) in eine aktive Form umgewandelt wird als Chlor aus seinem Reservoir Chlornitrat. In der Reservoirform sind beide Halogene nicht in der Lage, stratosphärisches Ozon abzubauen. Erst wenn sie unter dem Einfluss von Licht in ihre Oxide umgewandelt werden, stehen sie als Katalysator für den Ozonabbau zur Verfügung.

Die mittels MIPAS gemessenen Konzentrationen von Bromnitrat entsprechen sehr gut den aufgrund von Modellrechnungen erwarteten Werten, die aus früheren Bromoxid-Messungen abgeleitet wurden. Dadurch werden einerseits die Modelle der Stratosphärenchemie bestätigt. Andererseits kann durch die neuen Messungen der Gesamtgehalt von Brom in der Stratosphäre besser abgeschätzt werden. Brom wird in Form langlebiger organischer Verbindungen durch natürliche und künstliche Quellen am Boden in die Atmosphäre eingebracht und nach oben transportiert. Durch die Tropopausenregion gelangt es in die Stratosphäre. Neue Messungen legen nahe, dass die bekannten Bromquellen nicht ausreichen, um die stratosphärische Bromkonzentration zu erklären.


Das Atmosphärenforschungs-Instrument MIPAS

MIPAS (Michelson Interferometer for Passive Atmospheric Sounding) ist eines der Hauptinstrumente an Bord des europäischen Umweltsatelliten Envisat, der seit 2002 die Erde umkreist. MIPAS wurde im Institut für Meteorologie und Klimaforschung des Karlsruher Instituts für Technologie konzipiert. MIPAS misst gleichzeitig Vertikalprofile der Temperatur und von mehr als 30 atmosphärischen Spurengasen. Neben Ozon und Wasserdampf gehören dazu die für die Atmosphäre wichtigen Stickoxide, die unter anderem die Ozonchemie bestimmen, oder verschiedene Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), die in der Stratosphäre unter Einfluss der UV-Strahlung Chlor abgeben und damit die Ozonschicht angreifen und die außerdem eine Rolle beim Treibhauseffekt spielen. Da MIPAS die von den Molekülen emittierte Infrarotstrahlung (Wärmestrahlung) misst, kann es sowohl bei Tag als auch bei Nacht Spektren aufnehmen. Die Messungen decken die Erde von Pol zu Pol ab; insbesondere können Daten im sonst schwer zugänglichen Polarwinter gewonnen werden.

Im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) schließen sich das Forschungszentrum Karlsruhe in der Helmholtz-Gemeinschaft und die Universität Karlsruhe zusammen. Damit wird eine Einrichtung international herausragender Forschung und Lehre in den Natur- und Ingenieurwissenschaften aufgebaut. Im KIT arbeiten insgesamt 8000 Beschäftigte mit einem jährlichen Budget von 700 Millionen Euro. Das KIT baut auf das Wissensdreieck Forschung - Lehre - Innovation.

Die Karlsruher Einrichtung ist ein führendes europäisches Energieforschungszentrum und spielt in den Nanowissenschaften eine weltweit sichtbare Rolle. KIT setzt neue Maßstäbe in der Lehre und Nachwuchsförderung und zieht Spitzenwissenschaftler aus aller Welt an. Zudem ist das KIT ein führender Innovationspartner für die Wirtschaft.


Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter der WWW-Adresse:
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Das Infrarot-Spektrometer MIPAS ist auf dem europäischen Umweltsatelliten Envisat am linken Rand oben zu erkennen.

http://idw-online.de/pages/de/image84888
Die mit MIPAS erstmals gemessenen Konzentrationen von Bromnitrat zeigen eine deutliche Tag-Nacht-Variation.

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter: http://idw-online.de/pages/de/news300452

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter: http://idw-online.de/pages/de/institution1173


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Karlsruher Institut für Technologie, Dr. Elisabeth Zuber-Knost, 11.02.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2009