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UNO/111: Der UN-Anpassungsfonds - Finanzierung von Projekten in Entwicklungsländern (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2010
Wohlstand durch Wachstum? Wohlstand ohne Wachstum? Wohlstand statt Wachstum?

Der UN-Anpassungsfonds

Auf dem Weg zu einem Zukunftsmodell?

Von Sven Harmeling und Alpha Oumar Kaloga


Von vielen wenig beachtet, hat sich in den letzten Monaten der unter dem Kyoto-Protokoll gegründete Anpassungsfonds (Adaptation Fund) etabliert und beginnt nun ernsthaft mit der Finanzierung von konkreten Anpassungsprojekten und -programmen. Eine Reihe innovativer Charakteristika dieses Fonds könnten ihn mit Modellcharakter auch für den im Kopenhagen-Akkord vereinbarten, neu zu etablierenden Fonds ausstatten.
[1]


Geburtsstunde in Marrakesch 2001, Arbeitsbeginn 2008

Der UN-Anpassungsfonds (Adaptation Fund) wurde durch das Kyoto-Protokoll ins Leben gerufen, um diejenigen Entwicklungsländer, die besonders anfällig für die negativen Auswirkungen des Klimawandels sind, bei der Finanzierung von konkreten Projekten und -Programmen zur Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. Die grundsätzliche Entscheidung zur Einrichtung des Fonds fiel bei COP7 in Marrakesch (Marokko) im Jahr 2001, die Verhandlungen danach waren aber durch viele Kontroversen geprägt, so dass es erst bei der Klimakonferenz auf Bali im Jahr 2007 gelang, sich auf die konkreteren Modalitäten zu einigen. Erst mit der Einsetzung des Steuerungsgremiums des Anpassungsfonds - das "Adaptation Fund Board (AFB)" - konnte der Fonds die praktische Arbeit aufnehmen. Die institutionellen Arrangements waren ein großer politischer Streitpunkt, da die Entwicklungsländer den Fonds nicht unter der direkten Ägide der Globalen Umweltfazilität (GEF) oder der Weltbank haben wollten, mit denen es seit Jahren eine große Unzufriedenheit gibt. Die Lösung war schließlich, dass die Weltbank als Trustee auftritt - also quasi nur die Bank, die die finanziellen Transaktionen auf Anweisung des AFB abwickelt - und die GEF nur "Sekretariatsdienste" anbietet, eben auch unter der Autorität des AFB. Diese Arbeitsteilung unter der klaren Steuerung des AFB hat sich mittlerweile als durchaus effektiv etabliert. De facto arbeitet der Fonds also erst seit Anfang 2008 (nach Bali).


Innovative Merkmale des Fonds

Für viele der armen Länder der Welt ist die Anpassung an den Klimawandel vielmehr eine Notwendigkeit als eine Option. Sie erfordert massive finanzielle Aufwendungen, den Aufbau von Kapazitäten auf verschiedenen Ebenen und eine stetige Erweiterung des Wissens über den Klimawandel. Der Fonds verfügt in den Bereichen der Finanzierung, der Verfahrensregeln und der Verwaltung über eine Reihe innovativer Ansätze.


Direkter Zugang

Der Fonds ermöglicht den Entwicklungsländern erstmals, direkt Finanzmittel zu erhalten, und nicht, wie sonst bei internationalen Fonds üblich, über den Umweg internationaler Institutionen wie Weltbank oder UNDP gehen zu müssen. Der den Antrag stellende Staat kann beim UN-AF einheimische Institutionen als so genannte "National Implementing Entities (NIE)" akkreditieren lassen. Die benannte Institution trägt die Verantwortung für die Ausführung von Projekt- und Programmvorschlägen aus ihren Ländern und für die aus dem Fonds zugeteilten Fördermittel und übernimmt damit praktisch die Funktion, die sonst die Länderbüros von Weltbank, UNDP etc. übernehmen. Mit deren Arbeit gibt es eine große Unzufriedenheit, die Multilateralen werden als teuer eingestuft und sorgen als "Flaschenhälse" häufig für große Verzögerungen bei der Umsetzung. Die konkrete Umsetzung von Projekten sollte in der Regel bei anderen Akteuren als den NIE liegen, z.B. nationalen Ministerien oder auch Nichtregierungsorganisationen. Der Ansatz des direkten Zugangs entspricht auch dem entwicklungspolitischen Ziel der Stärkung der Eigenkapazitäten der Entwicklungsländer. Der Globale Fonds zur Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose ist bisher der einzige internationale Fonds mit direktem Zugang, und beim Design des AF hat das AFB Erfahrungen des Globalen Fonds miteinbezogen.


Innovativer Finanzierungsmechanismus

Der UN-AF ist der erste Fonds, der aus einer Einnahmequelle finanziert wird, welche direkt aus der internationalen Klimaschutzpolitik resultiert und unabhängig von der Entwicklungsfinanzierung ist. Er finanziert sich primär aus einer 2 %-Abgabe auf die im Rahmen von Projekten unter dem Clean Development Mechanism zugeteilten Emissionsreduktionseinheiten. Die ersten Gutschriften aus CDM-Projekten wurden im Auftrag des AFB im Mai 2009 monetarisiert, die Schätzungen für die Einnahmen aus dieser Monetarisierung belaufen sich auf etwa 340 Millionen US-Dollar (mittlere Schätzung bis 2012). Allerdings zeigen die letzten Monate auch, dass Einnahmen aus dem Kohlenstoffmarkt nur bedingt verlässlich zu beziffern sind, sind hier die Preise in den letzten Monaten aufgrund der Wirtschaftskrise gesunken. Die Einnahmen ließen sich nur durch stringentere Klimaschutzziele post-2012 bzw. durch die Verknüpfung mit anderen Finanzquellen erhöhen. Mittlerweile, nachdem sich der Fonds konsolidiert hat und zunehmend das Vertrauen auch einzelner Industrieländer gewinnt, haben auch erste Länder angekündigt, Finanzmittel in den Fonds zu legen. Spanien mit angekündigten 45 Millionen Euro steht hier an der Spitze, Deutschland und Schweden wollen jeweils 10 Millionen Euro als Teil ihrer in Kopenhagen versprochenen Kurzfristfinanzierung in den Fonds zu geben. Deutschland wird zudem formeller Gastgeber des Fonds werden, derzeit befindet sich ein entsprechendes Gesetz, was die rechtliche Eigenständigkeit des Fonds absichern soll, im parlamentarischen Prozess.


Mehrheit der Entwicklungsländer im Steuerungsgremium

Eine weitere, hart umkämpfte Innovation ist die erstmalige Mehrheit der Entwicklungsländer im Steuerungsgremium des Fonds. Es hat 16 Mitglieder mit jeweils einem Stellvertreter: Aus jeder der fünf UN-Regionalgruppen rekrutieren sich zwei der Mitglieder, zusätzlich entstammt eines der Gruppe der kleinen Inselstaaten (Small Island Developing States, SIDS) und eines der Gruppe der Least Developed Countries (LDC). Zwei weitere entfallen auf die Annex-I-Staaten der UNFCCC (entwickelte Länder) und die verbleibenden zwei Sitze auf Nicht-Annex-1-Staaten (Entwicklungsländer). Insgesamt haben damit die Entwicklungsländer eine Mehrheit. Alle Entscheidungen des Steuerungsgremiums sollen allerdings einvernehmlich getroffen werden, die Mehrheit der Entwicklungsländer führt daher nicht zu einer faktischen Dominanz.


Welche Rolle für die Zivilgesellschaft?

Das Steuerungsgremium hat in Folge seiner praktischen Erfahrungen zwei weitere wichtige Ansätze entwickelt, die insbesondere aus Sicht der Zivilgesellschaft äußerst relevant sind.

Fokus auf die besonders verletzlichen Bevölkerungsgruppen: Die strategische Priorität des Anpassungsfonds besagt, dass "die Vertragsparteien bei der Entwicklung von Projekten und Programmen besondere Aufmerksamkeit auf die speziellen Bedürfnisse der am stärksten betroffenen Bevölkerungsgruppen in ihren jeweiligen Ländern richten sollen." Diese Vorschrift ist wichtig, weil sie jenseits der nationalen Souveränität eine Art Qualitätskriterium darstellt, die es zu befolgen gibt. [2] Auf diese Weise soll gesichert werden, dass die Projektförderung diejenigen erreicht, die sie am dringendsten brauchen.

Die im Prinzip auf Vertragsstaatenebene beschlossene transparente Arbeitsweise des Steuerungsgremiums ist insbesondere auf Dialog mit der Zivilgesellschaft hin konkretisiert worden. Alle relevanten Dokumenten sind vor und nach den Sitzungen auf der Website (www.adaptation-fund.org) für jeden zugänglich. Interessierte haben die Möglichkeit, an fast allen Treffen teilzunehmen, die außerdem auch per Webcast live übertragen werden. Des Weiteren ist es jetzt möglich, die eingereichten Projekte vor ihrer Entscheidung durch das AFB öffentlich zu kommentieren und gegebenenfalls auf kritische Aspekte hinzuweisen.

Der Zivilgesellschaft bieten sich damit durchaus Möglichkeiten, die Entwicklung des AF auf globaler Ebene wie auch national mitzugestalten. Die Erfahrung von Germanwatch zeigt dabei, dass die informellen Wege, das direkte Gespräch mit den AFB-Mitgliedern, ein sehr effektiver Weg sein kann, um bestimmte Forderungen zu platzieren.


Herausforderungen und Chancen

Im März wurde mit dem Centre de Suivi Ecologique aus dem Senegal die erste National Implementing Entity (NIE) vom AFB akkreditiert und der direkte Zugang damit zur Realität. Beim zehnten Treffen des AFB sind auch die ersten Projektkonzepte positiv beschieden worden. Allerdings wurden auch einige wegen mangelnder Qualität abgelehnt. Interessant ist hierbei, dass das einzige von einer NIE eingereichte Projekt, nämlich das aus dem Senegal, hinsichtlich der Qualität des Projektes, des Einbezugs von Stakeholdern und auch hinsichtlich der Managementkosten - es werden nur etwa 5 % der Projektsumme angesetzt, während es bei Weltbank und UNDP etwa doppelt soviel sind - besser abschneidet als einige der anderen, durch Multilaterale eingereichte Projekte. Die Angst, dass der direkte Zugang automatisch zum Verlust von Transparenz und Qualität führt, ist damit widerlegt.

Eine Herausforderung ist derzeit, dass viele Entwicklungsländer zögern, den Weg des direkten Zugangs zu gehen, sei es aus Bequemlichkeit, oder weil sie den Eindruck haben, keine ihrer existierenden Institutionen würde die notwendigen Standards für eine Akkreditierung erfüllen. Würde allerdings in diesem Präzedenzfall der direkte Zugang weitestgehend ignoriert, würde dies eine substanzielle Schwächung der Forderung nach "direct access" im größeren Klimafinanzierungskontext bedeuten. Daher werden derzeit verschiedene Wege sondiert, wie hier Barrieren überwunden werden können, ohne die notwendigen Standards abzusenken.

Für die Glaubwürdigkeit des AF und die Unterstützung durch die Zivilgesellschaft wird auch eine zentrale Rolle spielen, ob die strategische Priorität des Fokusses auf die besonders verletzlichen Bevölkerungsgruppen bei der Projektbewertung wirklich ernst genommen wird. Die Debatten beim 10. Treffen des AFB Mitte Juni erlauben hier zumindest Hoffnung. [3]

Das Finanzvolumen des Fonds wird bei weitem nicht ausreichen, um die Anpassungsbedürfnisse der besonders verletzlichen Entwicklungsländer zu decken. Nichtsdestotrotz gebührt dem AF derzeit eine zentrale Rolle bei der Umsetzung dringender Projekte, durch seine innovativen Elemente auch mit Hinblick auf die zukünftige institutionelle Ausgestaltung der Klimafinanzierung.


Sven Harmeling ist Referent für Klima und Entwicklung, Alpha Oumar Kaloga ist Berater für Anpassung an den Klimawandel bei Germanwatch. Germanwatch war bei allen 10 Treffen des AFB anwesend. Germanwatch kooperiert bei der Beobachtung des AF insbesondere mit Brot für die Welt.

Verschiedene Germanwatch-Publikationen zum AF finden sich unter
http://www.germanwatch.org/klima/af.htm


Anmerkungen

[1] Vgl. auch Chandani, A., S. Harmeling und A. Kaloga, 2009: The Adaptation Fund - a model for the future? IIED briefing paper.
http://www.iied.org/pubs/pdfs/17068IIED.pdf

[2] Siehe auch Harmeling, S. et al., 2008: Making the Adaptation Fund work for the most vulnerable. Diskussionspapier. Germanwatch und Brot für die Welt.
http://www.germanwatch.org/klima/adfund08e.htm

[3] Siehe auch A. Kaloga und S. Harmeling, 2010: Briefing on the 10th meeting of the Adaptation Fund Board.
http://www.germanwatch.org/klima/afb2010-06.htm


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2010, S. 26-27
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Koblenzer Str. 65 53173 Bonn
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2010