Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → LANDWIRTSCHAFT

ANBAU/162: Streuobstsorten des Jahres (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 182 - Oktober / November 2014
Die Berliner Umweltzeitung

Streuobstsorten des Jahres
­... reiche Ernte dieses Jahr!

Von Jörg Parsiegla



Der Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie e.V. (VdF) vermeldet für 2014 eine Rekordapfelernte auf den Streuobstwiesen. Er rechnet mit circa 800.000 Tonnen Streuobstäpfeln - das sind über 60 Prozent mehr als im Vorjahr. Grundlage der Schätzung ist die sogenannte Bayendorfsche Fruchtbehangschätzung, bei der mit Hilfe eines speziellen Sehrohrs und dann per Hochrechnung eine Aussage über den Ernteerfolg von Äpfeln in Deutschland getroffen wird. Gerade die Fruchtsafthersteller fördern den Anbau von Streuobst, denn Säfte aus Äpfeln, Quitten oder Birnen werden immer beliebter. Viele Safttrinker_innen schätzen vor allem die Aromenvielfalt des Apfelsafts aus Streuobst, der meistens naturtrüb ist, da oft aus alten Sorten gepresst.

Dazu passt, dass Landesgartenverbände und regionale Pomologenvereine jährlich ihre Streuobstapfelsorte küren. Mit der Wahl soll die Vermehrung dieser meist seltenen Sorten und deren Wiederanpflanzung in Gärten und auf Streuobstwiesen gefördert werden. Hier ein - unvollständiger - Überblick über einige regional vergebene Titel:

Der Landesverband für Obstbau, Garten und Landschaft Baden-Württemberg wählte die Französische Goldrenette zu ihrem Apfel des Jahres. Sie sei "ein Geheimtipp für alle, die auf einen sehr guten, würzigen Geschmack Wert legen." Mit der bekannteren und ebenfalls wohlschmeckenden Sorte Goldparmäne hat die Französische Goldrenette die früh einsetzende, gute Fruchtbarkeit, aber auch die dadurch bedingte Pflegeintensität gemein.

Was die Sorte für den Garten interessant macht: Sie ist relativ wenig anfällig für Krankheiten und Schädlinge. Die Frucht der Goldrenette ist eher klein bis maximal mittelgroß und regelmäßig plattrund. Auf unseren Obstwiesen kommt sie nur noch vereinzelt vor, da hier Tafelobst eine untergeordnete Rolle spielt. Die Grundfarbe des Apfels leuchtet gelb mit rundum rot verwaschenem Unterton. Typisch sind viele grünbraune Lentizellen (geschlitzte Längsstreifen) und auffallend schmale Blätter. Die Frucht wird ab Anfang bis Mitte Oktober geerntet und bleibt im Naturlager bis Ende März genussreif.

Der Pomologen-Verein Hessen e.V. vergab den Titel "Hessische Lokalsorte des Jahres 2014" an den Vaterapfel. Die Sorte stammt aus Nordhessen und wurde vor einigen Jahren in Holzhausen am Hahn wiederentdeckt. Das Verbreitungsgebiet liegt heute süd-südwestlich von Kassel, zwischen Naumburg und Kaufungen. Die Sorte ist, laut Angabe des Vereins, bisher nicht pomologisch beschrieben worden, es gibt jedoch eine Erwähnung im Amtsblatt der Regierung in Kassel von 1942.

Beim Vaterapfel handelt es sich um eine gelbschalige Herbstsorte. Sie gilt als guter Wirtschaftsapfel, der auch für den Rohverzehr geeignet ist. Die Bäume sind in der Regel gesund und stellen keine großen Ansprüche an Boden und Klima. Die Frucht ist mittelgroß, rund bis bauchig (quittenartig) und mittelstark gerippt. Die mitteldicke und druckfeste Schale des Apfels duftet intensiv, oft rosenartig. Die Sorte liefert gute Erträge, es handelt sich um einen guten Wirtschaftsapfel. Der sortenreine Saft schmeckt durch die geringe Säure jedoch eher fade. Die gelbschalige Herbstsorte reift im Oktober und hält bis in den Januar.

Mit dem Roten Augustiner (bekannt auch als Wollenschläger) wurde vom Arbeitskreis Historische Obstsorten Pfalz-Elsass-Kurpfalz eine früher in der ganzen Region verbreitete Apfelsorte zum "Pfälzer Obstbaum des Jahres 2014" gewählt. Die fruchtbaren, zum Teil sehr alt werdenden Bäume - mit dickem Stamm und kugeliger bis hochkugeliger Krone - lieben trockene, warme Standorte.

Seine Fruchteigenschaften: Form mittelgroß bis groß, stielbauchig, meist uneben, kantig; Schale trocken, matt, oft rau, sonnenseitig lilarot, sonst fleckig rosa, häufig mit silbrigen Flecken und Rostanflügen; Geschmack süßsäuerlich bis fruchtig. Der Rote Augustiner findet als Tafel- und Wirtschaftsapfel, das heißt in der Küche und als Saftapfel Verwendung. Seine Reifezeit ist September/Oktober (Winterapfel), er hält bis Januar/Februar (je nach Lagerbedingungen).

Die Veranstalter der Norddeutschen Apfeltage (BUND Landesverband Hamburg e.V. in Arge mit örtlich wechselnden Veranstaltern) riefen zu ihrem Apfel des Jahres (2014) die Sorte Gelber Richard aus. Die Sorte stammt aus Mecklenburg, wo der Apfel schon vor dem Jahr 1800 erwähnt, aber erst 1859 von dem Dresdener Geheimrat und Pomologen Gustav von Flotow beschrieben wurde.

Der Gelbe Richard ist ein süßsäuerlich schmeckender Apfel mit ausgeprägtem Aroma, das ihn zu einer echten "Liebhabersorte" macht. Genussreif ist er von Ende September bis Ende November. Die Farbe der Schale hellt von hellgrün nach gelb auf und hat einen charakteristischen Rostklecks in der Stielgrube. Der Baum wächst mittelstark, ist allerdings etwas schorfanfällig. Man findet den Gelben Richard hauptsächlich in Norddeutschland in Küstennähe, vereinzelt aber auch in anderen Gegenden Deutschlands.

In Deutschland gibt es ungefähr 250.000 Hektar (2.500 Quadratkilometer) bewirtschaftete Streuobstwiesen - eine Fläche, so groß wie das Saarland. Fast jeder zweite Liter Apfelsaft, der in Deutschland getrunken wird, stammt von Streuobstwiesen. Mit der oben geschätzten Gesamternte von 800.000 Tonnen kann der gesamte Apfelsaftkonsum der Deutschen problemlos gedeckt werden.

Weitere Informationen: www.fruchtsaft.de

*

Quelle:
DER RABE RALF - 25. Jahrgang, Nr. 182 - Oktober/November 2014, S. 16
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2014