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BODEN/040: Das Paradies zum Selbermachen - Mit uralten Anbautechniken gegen Hunger und Klimaproblem (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Juni 2011

Umwelt: Das Paradies zum Selbermachen - Mit uralten Anbautechniken gegen Hunger und Klimaproblem

Ein Gastbeitrag von Ute Scheub *


Berlin, 3. Juni (IPS) - Die Klimakatastrophe könnte entscheidend gemildert werden, die Hungerkrise, Verwüstung, Bodenvergiftung und Abwasserprobleme ebenfalls. Das Paradies in Form fruchtbarer Gärten und Gartenstädte wäre bereits auf Erden möglich, wenn weltweit ökologisches Kreislaufwirtschaften und Klimafarming mittels Biokohle betrieben würde, und alle könnten dabei mitmachen. Zu diesem Schluss konnte kommen, wer der Fachtagung 'Chancen für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft' des Abwassernetzwerkes BDZ Ende Mai in der ostdeutschen Stadt Leipzig beiwohnte.

Auch eine Bevölkerungszahl von neun Milliarden im Jahr 2050 wäre in einer solchen Kreislaufökonomie kein Problem mehr. "Mit steigender Bevölkerungszahl wächst die Bodenfruchtbarkeit", so der Moderator Haiko Pieplow vom Bundesumweltministerium - alle Abfälle und Exkremente würden nämlich als Wertstoffe wiederverwendet.

Die rund 100 Bodenkundler und Agrarwissenschaftler in Leipzig waren sich weitgehend einig: Wir müssten nur mit der Natur ackern und nicht gegen sie. "Wir sind nicht die Krönung der Natur, wir sind nur ein Teil von ihr", formulierte es der Bauernaktivist Christoph Fischer, der im bayrischen Chiemgau die erfolgreiche 'Zivilcourage'-Bewegung gegen Gentechnik ins Leben gerufen hat.

In Thailand und anderen asiatischen Ländern hatte Fischer schon vor vielen Jahren die segensreiche Wirkung von Effektiven Mikroorganismen (EM) auf Pflanzen und Böden beobachtet und stellt sie nun selbst her. EM sind vereinfacht gesagt Milchsäurebakterien, die durch Fermentierung Kohl in Sauerkraut verwandeln und Menschen oder auch Böden zu guter Verdauung verhelfen. Asiatische Landwirte, die seit tausenden von Jahren Abfallfermentierung betrieben, hätten eine unglaubliche Bodenproduktivität hervorgebracht, von der die ganze Welt lernen könne, ergänzte Haiko Pieplow.


Schwindende Phosphorvorräte

Bodenkundler Pieplow sieht umgekehrt die industrielle Landwirtschaft vollständig in der Sackgasse. Wenig bekannt, aber dramatisch: Schon in 40 bis 60 Jahren gehen die für Kunstdünger nötigen Phosphorvorräte zu Ende. Seine Alternative: Die Kombination uralter asiatischer und lateinamerikanischer Anbautechniken und konsequente Kreislaufwirtschaft mithilfe von Terra Preta. Das ist der portugiesische Name für jene legendäre, ebenso langlebige wie fruchtbare 'Schwarzerde' aus dem Amazonas, die vor Ankunft der spanischen Kolonisatoren üppige Gartenstädte mit Hunderttausenden von indigenen Einwohnern ernährte.

Pieplow hat zusammen mit zwei weiteren Wissenschaftlern das Geheimnis ihrer Herstellung durch experimentelle Nachstellung gelüftet. Und dabei herausgefunden, dass Landwirte und Hobbygärtnerinnen weltweit Terra Preta selbst produzieren können - auf Äckern, in Gärten, auf Balkons, auf Stapelmist, in Abfalleimern und Kompostkisten. Organische Abfälle und Exkremente werden dabei durch EM fermentiert und mit Biokohlenstaub bestreut. Die Holzkohle speichert Nährstoffe und Wasser und gibt sie, in den Boden verbracht, gleichmäßig an die Pflanzen ab. Die Erträge steigen, magere, wasserarme Böden können wieder fruchtbar gemacht werden. Dem Treibhaus Erde wird über die Verkohlung Kohlendioxid entzogen und in Form von Kohlenstoff als Dauerdünger unter die Erde verbracht.

Auch Hans-Peter Schmidt, Leiter des Delinat-Instituts für Ökologie und Klimafarming im schweizerischen Kanton Wallis, sieht in diesen Kulturtechniken einen entscheidenden Beitrag zur Rettung der Menschheit. Agrochemie, Gentechnik und große Maschinen hätten zu Hunger, sprichwörtlichen Verwüstungen und riesigen Humusverlusten geführt.

Die meisten Hungernden lebten in Gegenden, wo der Humusgehalt unter die kritische Grenze gesunken sei, erläuterte Schmidt. Viele Ackerflächen wiesen Humuswerte von nur noch etwa einem Prozent auf, gesunde Böden hätten fünf Prozent, mit Terra Preta ließen sich in den Tropen sogar zehn bis 15 Prozent erreichen. Humuswirtschaft, Mischkulturen und Öko-Anbau, glaubt Schmidt, könnten den Flächenertrag in Afrika verfünffachen. Und wenn die Menschheit mittels Klimafarming den Humusgehalt der Böden in den nächsten 50 Jahren um zehn Prozent anhöbe, könnte der CO2-Gehalt der Atmosphäre auf vorindustrielles Niveau gebracht werden.


Beschleunigtes Pflanzenwachstum

Weitere Wissenschaftler, darunter die Professoren Bruno Glaser und Monika Krüger, bestätigten auf der Tagung das riesige Potenzial von Terra Preta. Glaser hatte auf einem sandigen Versuchsfeld in Brandenburg ein enormes Pflanzenwachstum festgestellt, Krüger wandelte Problemstoffe wie Klärschlamm und tierische Fäkalien in fruchtbare Terra Preta um.

EM plus Biokohle kommt zunehmend auch in Kleinkläranlagen und Tierställen zum Einsatz. Das bindet Gerüche und sorgt für gesunde Tiere, wie der Legehennenhalter Bernhard Hennes aus dem Chiemgau begeistert berichtete. Hennes produziert auf seinem 'Langensbacher Hof' neben Eiern inzwischen auch 'Schwarzes Gold': Terra Preta aus Hühnermist, EM und Biokohle, duftend wie eine Mischung aus Vanille und Tabak. (Ende/IPS/kb/2011)

* Dr. Ute Scheub war Mitbegründerin der linksalternativen deutschen Tageszeitung taz und dort erste Umweltredakteurin. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Berlin und verbreitet am liebsten gute Nachrichten.


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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2011