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BUCH/138: Peter Clausing - Die grüne Matrix. Naturschutz und Welternährung am Scheideweg (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 181 - August / September 2014
Die Berliner Umweltzeitung

Landwirtschaft und Naturschutz im Einklang
Die grüne Matrix soll's richten

von Jörg Parsiegla



Land Grabbing, Land Sparing, Land Sharing - um diese drei Begriffe geht es in Peter Clausings Buch "Die grüne Matrix. Naturschutz und Welternährung am Scheideweg". Der Autor (geboren 1950), promovierter Agrarwissenschaftler, Publizist und Mitbetreiber des Portals www.agrardebatte.de geht darin auf zwei globale Herausforderungen ein: die Eindämmung des Verlusts an biologischer Vielfalt und die Bekämpfung des globalen Hungers.

Mit Land Grabbing (englisch, soviel wie Land kapern) werden geschäftliche Praktiken beschrieben, bei denen Regierungen oder Unternehmen auf fremden Staatsgebieten - vor allem in Entwicklungs- oder Schwellenländern - große Ländereien entweder als Kapitalanlage, häufiger aber mit dem Ziel erwerben, dort industrielle Landwirtschaft zu betreiben. In der entwicklungspolitischen Szene ist Land Grabbing eines der meistdiskutierten Themen der letzten Jahre, geht es doch durch diese fortgesetzte Enteignung der ländlichen Bevölkerung des Südens schlichtweg um deren Lebensgrundlage.

Auch das Land Sparing (englisch, soviel wie Land schonen), das "gute" Land Grabbing, das der Biodiversität und dem Klimaschutz dienen soll, lässt die ansässige Bevölkerung außen vor. Das im angelsächsischen Raum entwickelte und im deutschsprachigen Raum bisher wenig bekannte Konzept des Land Sparing, sieht eine Aufteilung allen Landes in Nutzflächen und menschenleere Naturschutzgebiete vor. Während auf den Nutzflächen mit intensiven Anbauverfahren, Agrochemikalien und Gentechnik die Nahrung für eine wachsende Weltbevölkerung produziert werden soll, sind die Naturschutzgebiete der Entfaltung der Artenvielfalt vorbehalten. Letztendlich führt dieser Naturschutz ohne Menschen aber ebenso zu Vertreibung und Zwangsumsiedlung. Die von den Vordenkern des Konzepts favorisierte freiwillige Abwanderung der Bewohner, gar noch als Ergebnis der "Urbanisierung" verbrämt und fälschlich mit dem historischen Beispiel der Einhegungen in England "belegt", hält keiner wissenschaftlichen Beweisführung stand. Clausing dokumentiert anhand soziologischer und anthropologischer Studien die sozialen Folgen des Naturschutz-Grabbings und weist eine Mitverantwortung großer Naturschutzorganisationen, insbesondere des World Wide Fund for Nature (WWF) für die Missstände nach.

Land Sharing (englisch, soviel wie Land teilen) steht dem Land Sparing diametral gegenüber und soll Landwirtschaft und Naturschutz durch Agrarökologie zusammenführen. Dabei wird Agrarökologie, laut ihren Verfechtern, als "Ökologie des gesamten Nahrungsmittelsystems, einschließlich seiner ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimensionen" definiert. Materielle Grundlage des Land Sharing ist die grüne Matrix, das heißt agrarökologisch bewirtschafteten Flächen jenseits von "Agrarwüsten und Naturschutzfestungen", die erstens schon an sich die Entfaltung einer hohen Biodiversität zulassen und zweitens durchlässig für Tiere und Pflanzen auf deren Wanderung zu ihren Habitaten sind. Die entscheidende Frage, ob die Ertragspotentiale des agrarökologischen Anbaus ausreichen werden, die Weltbevölkerung zu ernähren, wird vom Autor - unter vielfachem Quellenverweis - positiv beantwortet.

Das kleine Buch macht Hoffnung, dass eine multifunktional gedachte Agrarökologie auch "ein Trittstein auf dem Weg" zu einer gerechteren Gesellschaftsordnung sein kann.



Peter Clausing
Die grüne Matrix
Naturschutz und Welternährung am Scheideweg
Reihe: Studien zur globalen Gerechtigkeit, Band 3
UNRAST-Verlag, Münster 2014
155 Seiten, Paperback, 13 Euro
ISBN 978-3-89771-517-2

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Quelle:
DER RABE RALF - 25. Jahrgang, Nr. 181 -
August/September 2014, S. 27
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2014