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AGRARINDUSTRIE/097: Zu Wasser, an Land und in der Luft (UBS)


unabhängige bauernstimme, Nr. 368 - Juli/August 2013
Eine Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Zu Wasser, an Land und in der Luft
Immer längere Transporte haben mit den Grundlagen der Landwirtschaft, betriebseigener, regionaler Kreisläufe, nichts mehr zu tun

Von Marcus Nürnberger



Neueste Meldung: "Ein Gülletanker sticht in See. Damit die Ozeanriesen nach Löschung ihrer Sojaladung im Nordseehafen Brake nicht leer nach Südamerika zurückfahren müssen, nehmen sie jetzt Gülle aus den Norddeutschen Intensivmastregionen auf. Bei einer Größe von bis zu 294,30 m Länge, 32,30 m Breite, bei einem Tiefgang von bis zu 12,04 m schaffen die Transporte schnell Abhilfe, die Nährstoffüberversorgung im Raum Vechta/Cloppenburg abzubauen." Zugegeben, dieses Szenario ist allenfalls eine gewagte Zukunftsvision. Vollkommen aus der Luft gegriffen ist es aber nicht. Im Kleinen haben erste Unternehmen begonnen, Gülle per Schiff zu verschicken. Auf der betriebseigenen Homepage meldet die Organische Düngung und Agrarservice GmbH (ODAS) im August vergangenen Jahres stolz: "ODAS Gülle geht jetzt per Schiff auf Reisen." Nicht Südamerika, sondern Ostdeutschland ist die Zielregion. 1.278 Tonnen Gülle wurden so aus dem Emsland nach Haldensleben in Sachsen-Anhalt transportiert. 344 Kilometer oder vier Stunden mit dem Auto. Der Mittellandkanal verbindet die beiden Regionen zuverlässig auch für Schiffe. Reisezeit vier Tage. Die Tätigkeitsfelder des Unternehmens ODAS sind die Vermittlung von Wirtschaftsdüngern, deren Ausbringung und Transport. Mit dem Transport reagiert das Unternehmen auf den Gülleüberschuss in den Intensivmastregionen. In der Landwirtschaft kein unbekanntes Denken, bildet es doch die Grundlage des hofeigenen, nachhaltigen Betriebskreislaufes ab. Nicht ganz neu ist die überbrückte Entfernung, und damit die komplette Entkopplung von den Betrieben. Wirklich neu ist nur der Transportweg. Mit dem Schiff auf dem Wasser lassen sich große Entfernungen kostengünstiger überbrücken als mit LKW. Und während die abgebenden Mastbetriebe Geld für die Entsorgung zahlen, kaufen die Ackerbaubetriebe den Wirtschaftsdünger zu. Das Resultat ist eine sich immer weiter spezialisierende Agrarproduktion.


Großschlachthöfe

Nach wie vor an Standorte gebunden bleibt der Ackerbau. Hingegen sind für die industrielle Tierhaltung vor allem die Kosten der Futtermittel und deren Transportkosten entscheidend. Immer unbedeutender wird offenbar auch eine regionale Verarbeitung. Vor allem die großen Schlachthöfe saugen die Regionen förmlich leer und transportieren Tiere über weite Strecken, um eine Auslastung sicher zu stellen. Die Dimensionen, in denen derzeitige Schlachthofprojekte geplant werden, machen die Zahlen deutlich, die die Bürgerinitiative Wietze für den Rothköther-Schlachthof in Wietze recherchiert hat: "27.000 Tiere in einer Stunde, 432.000 Tiere am Tag, 2.592.000 Tiere in der Woche, 134.784.000 Tiere im Jahr." Der Schlachthof wäre damit der größte Europas. Nachdem es bisher, schon in einer ersten Ausbaustufe aufgrund des zivilen Widerstands, nicht gelang, die benötigten 120 Vertragsmäster im Umkreis um Wietze zu gewinnen, muss das Unternehmen die Tiere aus dem Emsland und aus Dänemark holen. In Dänemark war ein Schlachthof des Unternehmens Rose-Poultry abgebrannt. Im Zuge der im Geflügelschlachtbereich voranschreitenden Konzentration wird dieser nicht neu aufgebaut werden. Der zum Rothkötter-Konzern gehörende Schlachthof in Wietze profitierte indirekt auch von der Fusion zwischen Stolle mit Plukon und der damit einhergehenden Schließung des Schlachthofs in Visbek. Zumindest einen Teil der bisher dorthin liefernden Vertragsmäster konnte Rothkötter übernehmen. Bisher ist aber nur die Hälfte der geplanten Kapazität des Schlachthofs gebaut. Nachdem der Versuch, bis zu 400 Vertragsmäster im Umland von Wietze zu gewinnen, scheiterte, werden sich die Transporte weiter erhöhen.


Distribution

Am Beispiel des Schlachthofs in Wietze wird, neben der Abhängigkeit der Produzenten von einem Abnehmer sowie den enormen Belastungen der Anwohner und der Umwelt durch die massive Konzentration an einem Ort, ein weiteres Phänomen sichtbar. Die zentrale Verarbeitung an einem Ort hat nicht nur zur Folge, dass alles zum Schlachthof hin transportiert werden muss, sondern bedingt auch, dass die Ware im Nachgang wieder von dort weggebracht und in Deutschland bzw. Europa verteilt wird. Schon in der Vergangenheit nahm der Warentransport eine bedeutende Rolle ein, die sich aber vor dem Hintergrund zunehmender Konzentration in nahezu allen Bereichen der Landwirtschaft, nicht ohne Auswirkungen auf die Strukturen im ländlichen Raum, zukünftig noch weiter verstärken wird.

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Quelle:
unabhängige bauernstimme, Nr. 368 - Juli/August 2013, S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2013