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MASSNAHMEN/118: Grünlanderlass unzureichend, um Rückgang der Wiesenvögel aufzuhalten (NABU SH)


NABU Landesverband Schleswig-Holstein - 16. Mai 2011

NABU: Grünlanderlass unzureichend

Zahlreiche Änderungen lassen Rettung unserer Wiesenvögel unwahrscheinlich werden


16. Mai 2011 - Der NABU kritisiert die im neuen Grünlanderlass vorgenommenen Änderungen an substantiellen Inhalten zu Ersatzmaßnahmen beim Umbruch. Gegenüber der Entwurfsfassung vom 3. März 2011 sind zahlreiche Verschlechterungen enthalten, die es unwahrscheinlich werden lassen, den starken Rückgang der Wiesenvögel in Schleswig-Holstein aufzuhalten. Der NABU weist den Versuch des Bauernverbandes, mit ungeeigneten Daten nachzuweisen, es gäbe in unserem Land keinen Rückgang des Grünlands, als "Taschenspielertrick" scharf zurück. "Die Interessenvertretung der agrarindustriellen Landwirtschaft versucht alles, um sich aus ihrer Verantwortung zu stehlen", stellt NABU-Landesvorsitzender Hermann Schultz fest.

Am 5. Mai 2011 ist nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen der um den Schutz der Wiesenvögel besorgten Umweltministerin Dr. Juliane Rumpf und dem vom Bauernverband instrumentalisierten Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen der neue Grünlanderlass in Kraft getreten. Der erhebliche und letztlich in Teilen erfolgreiche Widerstand des Bauernverbandes drückt sich im Erlass in zahlreichen faulen Kompromissen aus, die es unwahrscheinlich werden lassen, dass ein verbesserter Schutz der stark bedrohten Uferschnepfe gelingen kann. Der NABU kritisiert dabei drastische Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf:

• Die Anlage von Ersatzgrünland für umgebrochenes Dauergrünland nicht mehr zwei Jahre vorzuziehen, um es Wiesenvögeln zu ermöglichen, im Umbruchjahr umzusiedeln und insbesondere das neue Grünland eine entsprechende ökologische Wertigkeit erreichen zu lassen, ist äußerst kritisch. Den Wiesenvögeln geht damit eine Brutperiode, in der ihr ursprünglicher Brutplatz umgebrochen, parallel aber das neue Grünland für sie noch ungeeignet ist, verloren.

• Ein auf dem Ersatzgrünland notwendiger hoher Wasserstand muss nicht mehr erreicht werden, durch den eine ausreichende Bodenfeuchte ('Stocherbarkeit' für Wiesenvögel) sichergestellt wird. Die Anlage von Blänken, d.h. periodisch wassergefüllten Senken, macht aber nur dann Sinn, wenn in diesen der Wasserstand bei einem entsprechenden Grundwasserstand ausreichend lange gehalten werden kann. Nur Tränkkuhlen anzulegen ist zumindest für Wiesenvögel kein gleichwertiger Ersatz.

• Besonders befremdlich ist, dass alle Maßnahmen, die den Wiesenvogelschutz auf Ersatzgrünland erst ermöglichen, ausschließlich aus Mitteln des Landes finanziert werden. So profitiert jeder Landwirt vom Grünlandumbruch, indem er eine höherwertige, umgebrochene Nutzfläche erhält, aber keine Kosten für die notwendigen Biotopgestaltungen am Ersatzstandort tragen muss.

• Entgegen der sonst üblichen Praxis wird auch darauf verzichtet, bei rechtswidrigem Umbruch diesen zu sanktionieren und zwingend die Wiederherstellung des alten Zustands einzufordern. Damit wird ein starker, ohne Strafe bewehrter Anreiz geschaffen, Grünland illegal umzubrechen.


Desinformationen des Bauernverbandes

Kritisch setzt sich der NABU auch mit den zahlreichen Fehlinformationen des Bauernverbandes auseinander. So propagiert dieser, dass es gar keinen Grünlandverlust gäbe, und zieht dazu - vollkommen unüblich und ungeeignet für agrarstrukturelle Debatten - Daten des statistischen Bundesamtes und des Statistikamtes Nord heran, lässt aber bewusst die genaueren und damit zutreffenderen Daten der Landwirtschaftsverwaltung außen vor, die zudem zwischen den Bundesländern Schleswig-Holstein und Hamburg differenzieren. Auch die Daten der Bundesregierung zum Grünlandverlust zeichnen anlässlich verschiedener Anfragen im Deutschen Bundestag beim Grünlandverlust ein deutlich negatives Bild. "Es ist erstaunlich, wie der Bauernverband zunehmend die Haftung in der Realität verliert. Dabei würde es genügen, die Landbevölkerung zu fragen, um auch von dort eine realistische Einschätzung zu erhalten", stellt NABU-Landesvorsitzender Herrmann Schultz fest und verweist auf die mittlerweile zahlreichen Anfragen und Hinweise zum Grünlandumbruch aus dem ländlichen Raum an den NABU. Zudem bleibt außen vor, dass vielfach das auf Grund der Dauergrünland-Erhaltungsverordnung von 2008 angelegte Ersatzgrünland in keiner Weise an die ökologische Wertigkeit früherer, nun umgebrochener Dauergrünlandflächen heranreicht, die in der Folge auch für Wiesenvögel nur in sehr eingeschränktem Rahmen nutzbar sind.


Wiesenvögel vom Wiesenumbruch nicht betroffen?

Zudem behauptet der Bauernverband, dass der Grünlandumbruch Wiesenvögel gar nicht betreffe. Richtig jedoch ist: Kiebitze haben ihren Verbreitungsschwerpunkt in Grünlandgebieten. Sie erreichen auf extensiv bewirtschaftetem Grünland erheblich höhere Siedlungsdichten als auf Äckern. Maisfelder, vor allem die von Wiesen und Weiden umgebenen, werden zwar auch zur Nestanlage genutzt. Viele Gelege gehen aber durch die Bearbeitung der Felder in der Bebrütungszeit zugrunde. Junge Kiebitze finden auf Maisäckern zudem keine Nahrung und weichen auf umliegende Wiesen und Weiden aus. Maisäcker sind somit ökologische Fallen, die den Rückgang der Art beschleunigen. Auch Feldlerchen besitzen in Schleswig-Holstein ihren Verbreitungsschwerpunkt in Grünlandgebieten und erreichen auf extensiv genutzten Wiesen viel höhere Siedlungsdichten als auf Äckern. Es gibt dabei Hinweise auf einen sehr geringen Bruterfolg von Feldlerchen auf Maisstandorten.


Beutegreifer als Sündenböcke

Auch die Behauptung, Prädatoren und Klimawandel seien allein für Bestandveränderungen der Wiesenvögel verantwortlich, ist falsch. Prädatoren haben zwar einen großen Einfluss auf den Bruterfolg von Bodenbrütern. In Gebieten, in denen ausreichend geeignete Lebensräume während der gesamten Brutzeit zur Verfügung stehen, haben Wiesenvögel jedoch auch ohne Bejagung von Prädatoren einen ausreichend hohen Bruterfolg. Die Prädatorendichte erklärt auch nicht die sehr unterschiedlichen Bestandsentwicklungen in benachbart gelegenen, aber unterschiedlich bewirtschafteten Gebieten. Wäre der Klimawandel bereits jetzt eine wesentliche Ursache für die negative Bestandsentwicklung, müsste ein gleichmäßiger Rückgang in allen Gebieten unabhängig von der Bewirtschaftungsweise zu beobachten sein, was nicht der Fall ist. Änderungen der Landnutzung werden daher noch auf absehbare Zeit einen wesentlich stärkeren Einfluss auf die Bestände von Tier- und Pflanzenarten haben, als der Klimawandel.


Erlassentwurf in Kraft setzen!

Der NABU fordert die Landesregierung auf, den Grünlanderlass wieder auf den fachlich fundierten Standard des ursprünglichen Entwurfs zu bringen und sich darin nicht von der realitätsabgewandten Haltung der Ständevertretung der Industriebauern abhalten zu lassen.

Weitere Informationen im Internet unter www.NABU-SH.de


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Quelle:
Presseinformation, 16. Mai 2011
Herausgeber: Naturschutzbund Deutschland e.V.
NABU Schleswig-Holstein
Färberstr. 51, 24534 Neumünster
Tel.: 04321/53734, Fax: 04321/59 81
E-mail: info@NABU-SH.de
Internet: www.NABU-SH.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2011