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MASSNAHMEN/134: Gülle - in Maßen wertvoll, in Massen ein Problemfall (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 369 - September 2013
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

In Maßen wertvoll, in Massen ein Problemfall
Änderung des Düngerechts zur Reduzierung von Umweltproblemen, auch durch organischen Dünger, in der Diskussion

von Christine Weißenberg



Was tun, wenn "ursprüngliche kleine, gewachsene Betriebe, die sich wegen ihrer geringen Fläche auf Tierhaltung spezialisiert haben", soviel Gülle erzeugen, dass sie regional nicht mehr grundwasserverträglich ausgebracht werden kann? Für Werner Hilse, niedersächsischer Landvolkpräsident und Vizepräsident des Deutschen Bauernverbands (DBV), der die obigen Worte in einem Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) wählte, um die landwirtschaftliche Struktur der niedersächsischen Region Vechta/Cloppenburg zu beschreiben, kein Grund zur Sorge: Der DBV stehe zur Kreislaufwirtschaft - die durch Transporte auch räumlich größer ausfallen könne. Grundwasserbelastungen stammten zum größten Teil aus alten Zeiten, in denen der Misthaufen neben dem Haus lag. Es besteht jedoch offensichtlich ein Problem durch überdüngte Flächen, insbesondere in Regionen mit intensiver Tierhaltung und Biogasanlagen. Aktuell weisen drei wissenschaftliche Beratungsgremien nochmals darauf hin, dass nach dem Nitratbericht der Bundesregierung von 2012 insgesamt und verstärkt in diesen Regionen die Ziele der EU-Nitratrichtlinie, der EU-Wasserrahmenrichtlinie sowie der nationalen Strategien zu Nachhaltigkeit und biologischer Vielfalt nicht eingehalten werden. Deshalb hatte schon die EU-Kommission angemahnt, die deutsche Düngemittelverordnung (DüngeVO) zu überarbeiten. In einer Stellungnahme vom 23. August drängen nun die Wissenschaftlichen Beiräte für Agrarpolitik (WBA) und für Düngungsfragen (WBD) beim Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV) sowie der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) der Bundesregierung gemeinsam auf eine zügigere und weitreichendere Reform der entsprechenden Gesetze als sie zur Zeit in Arbeit ist.


Güllekataster

Im besonders von der Nährstoffproblematik betroffenen Bundesland Niedersachsen versucht die Landesregierung mit eigenen Maßnahmen die regionalen Düngerüberschüsse und die Nährstoffströme im Auge zu behalten und zu lenken. Zurzeit sorgt der amtierende Landwirtschaftsminister Christian Meyer mit seinen Plänen zur Einführung eines Güllekatasters, das auch Gärsubstrate aus Biogasanlagen umfassen soll, für Diskussionen. Ab 2014 soll die Ausbringung organischer Dünger flächengenau erfasst werden. Sowohl die Tierzahlen als auch die Fläche der Betriebe werden nach Angaben aus dem Ministerium mit einbezogen. Grundsätzlich handle es sich um ein Instrument aus einem Gesamtkomplex verschiedener Maßnahmen. Martin Schulz, Neuland Schweinehalter im Wendland, Biogasanlagenbetreiber und Mitglied des Bundesvorstands der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), sieht die Notwendigkeit für Verschärfungen im Düngerecht. Für das Güllekataster hat er aber wenig Verständnis, da es in der derzeit geplanten Form hauptsächlich mehr bürokratischen Aufwand mit sich bringt - für alle Betriebe. "Die Leidtragenden sind die Regionen, in denen vernünftig mit den Wirtschaftsdüngern umgegangen wird - weil in anderen Regionen wie Westniedersachsen Schindluder getrieben wird und keine Raumplanung stattfindet. Warum nicht endlich mal die Großvieheinheiten (GV) pro Hektar (ha) und damit die Nährstoffüberschüsse vor Ort begrenzen?" Andere Maßnahmen, wie die Einschränkung der Herbstdüngung findet Schulz vernünftig. Zusammen mit der Förderung von ausreichend Lagerkapazitäten wird so die Ausbringung der Wirtschaftsdünger effizient und klimaschonender zur Hauptwachstumsperiode im Frühjahr gelenkt. Niedersächsische Betriebe, die organische Dünger abgeben oder aufnehmen, sind nach Vorgabe der Verbringungsverordnung des Bundes und der landeseigenen Meldeverordnung jetzt schon zur Meldung der Mengen verpflichtet. Die landes- und bundesweiten Bestrebungen, Gärreste aus Biogasanlagen im Düngemanagement grundsätzlich voll mit zu berücksichtigen, statt nur wie bisher die Gülleanteile herauszurechnen, sehen sowohl Martin Schulz als auch Ottmar Ilchmann, Milchbauer aus Ostfriesland und AbL-Landesvorstand, als überfällig an. Ilchmann stört bei allen Regelungen zur Düngung, "dass Mineraldünger gar nicht berücksichtigt wird. Organischer Dünger taucht immer als Problemfall auf, obwohl er einen hohen Wert hat. Wichtig dafür ist halt eine flächenbezogene Tierhaltung." Hier sieht Ilchmann eine Anpassungsmöglichkeit bei der Umsetzung des Güllekatasters: so könnten z.B. Betriebe mit einem Tierbestand bis zu 1,5 GV/ha von der Meldepflicht ausgenommen werden, da kein grundsätzlicher Nährstoffüberschuss besteht. Eine andere Möglichkeit besteht für Ilchmann in der gezielten Anwendung des Güllekatasters auf Problemregionen bzw. auf Betriebe, die sowieso von der Verbringungsverordnung betroffen sind. Wichtig ist ihm, dass danach differenziert wird, wie die Betriebe aufgestellt sind.


Bundesweit düngen

Auf Bundesebene fordern die Wissenschaftler von WBA, WBU und SRU als Grundlage für ein bedarfsgerechtes Düngemanagement die verpflichtende Erstellung von flächenbezogenen Hoftorbilanzen für Stickstoff (N) und Phosphor (P), die alle wichtigen Nährstoffströme inklusive Futtermittel und Gärreste beinhalten. Um Nährstoffeinträge in die Umwelt zu verringern, empfehlen die Räte für organische Dünger verlängerte Sperrfristen für die Ausbringung, erhöhte Lagerkapazitäten, abhängig von der verfügbaren Fläche sowie verschärfte Anforderungen an die Ausbringungstechnik. Außerdem wird die Begrenzung der P-Zufuhr als notwendig erachtet. Die Empfehlungen gehen in einzelnen Punkten über die Vorschläge einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Bundesregierung von 2012 hinaus, die von der EU-Kommission als nicht weitreichend genug eingeschätzt wurden. Letztere fordert unter anderem eine längere Sperrfrist vom 1.9. bis 31.1., einen maximalen N-Flächensaldo von +40 kg N/ha, reduzierte P-Salden und eine Begrenzung des mineralischen N-Düngereinsatzes. Die nun geforderte Hoftorbilanz macht Ottmar Ilchmann, der in einem Wasserschutzgebiet wirtschaftet, schon seit langem. Er schätzt die damit verbundene Beratung, verknüpft mit Bodenproben und Feldbegehungen. "Das führt dazu wirklich einschätzen zu können, wie die reale Versorgung auf den Flächen aussieht. Das ist sehr sinnvoll, aber eben auch Aufwand, der im Schutzgebiet finanziell unterstützt wird". Um die Ausweitung der Güllelagerkapazitäten zu finanzieren, wurden direkt die Agrarinvestionsförderprogramme vorgeschlagen und Ilchmann gibt zu bedenken: "Beton und Technik werden immer schnell gefördert - aber warum nicht den EU-Topf für ländliche Entwicklung auch nutzen um ein wirkungsvolles Beratungsprogramm auszudehnen?"

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 369 - September 2013, S. 12
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2013