Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → LANDWIRTSCHAFT

PROTEST/005: Gentechniklobby und Freihandelsabkommen stoppen (BN)


Bund Naturschutz in Bayern e.V. - München, 12. Mai 2014

Gentechniklobby und Freihandelsabkommen stoppen

Bund Naturschutz, Imker, Bauern und Wirtschaftsunternehmen aus Bayern fordern Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion in Europa



Umweltschützer, Bauern und Imker fordern gemeinsam mit Wirtschaftsunternehmen von den Kandidaten zur Europawahl ein klares Bekenntnis zum Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion in Bayern und Europa. Dazu gehöre auch das Bekenntnis zum Stopp der intransparenten Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen. Bauern und Unternehmen der Öko-Lebensmittelbranche befürchten, dass der Import nicht gekennzeichneter gentechnisch verunreinigter Lebensmittel zu höheren Kosten bei der Warenkontrolle führt und die Lebensmittelproduktion massiv verteuert. Zwar steht das bayerische Reinheitsgebot von Bier nicht in Frage, doch Billigimporte von Bier, deren niedriger Qualitätsstandard nicht gekennzeichnet werden müsste, könnten die Marktgleichgewichte verschieben, so dass massive Umsatzverluste drohen.

Die Milchbauern befürchten einen gnadenlosen Preiswettbewerb mit US-Farmern, die in Megaställen mit mehreren zehntausend Kühen Milchüberschüsse für den Weltmarkt auf Basis gentechnisch veränderter Sojabohnen erzeugen. Eine bäuerlich geprägte, umwelt- und tierschutzgerechte Landwirtschaft könne in Bayern und Deutschland nur dann weiter existieren, wenn Agrogentechnik langfristig verhindert werden könne. Auch der Einsatz gentechnisch veränderter Import-Futtermittel müsse so schnell wie möglich beendet werden.

Gerade auch das Naturprodukt Honig und die Imker sind durch den Einsatz von Gentechnik und Pestiziden existenziell bedroht.

BUND Naturschutz Vorsitzender Hubert Weiger: "Die Menschen müssen deshalb sehr genau hinschauen, welcher Partei und welchen Kandidaten sie ihre Stimme bei der Europawahl geben. Denn nur wenige setzen sich für echten Schutz von Verbraucherrechten und für eine bäuerliche, ökologische Landwirtschaft ein. Sollte es zum Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen EU und den USA kommen, dann drohen demokratische Errungenschaften im Umwelt- und Verbraucherschutzbereich der letzten Jahrzehnte verloren zu gehen."

Gentechnikfreiheit immer mehr in Gefahr

Im Rahmen des geplanten Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA sollen bekanntermaßen nicht nur Zölle gesenkt, sondern auch Standards angeglichen werden. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Agrogentechnik, da Biotech-Unternehmen und die US-Regierung seit langem fordern, die EU solle ihre Zulassungsverfahren für GVO beschleunigen und vereinfachen und dabei auf "diskriminierende Regelungen" verzichten - um so den Zugang zum EU-Markt für Produkte der Agrogentechnik zu erleichtern. Auch wenn EU-Vertreter gerne versichern, rote Linien würden nicht überschritten und die EU-Gentechnik-Gesetzgebung werde nicht geändert, sind Zweifel an der "Standfestigkeit" der EU-Verhandlungsführer angebracht, denn auch über Durchführungsbestimmungen unterhalb der gesetzlichen Ebene lassen sich Fakten schaffen, die beispielsweise Grenzwerte für nicht zugelassene GVO in Lebensmitteln oder eine Abschaffung der Saatgutreinheit betreffen.

Das bayerische Reinheitsgebot für Bier aus dem Jahr 1516 regelt nichts zur Gentechnik. Im wohlverstandenen Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher garantiert es aber Natürlichkeit und damit Gentechnikfreiheit. Dies muss weiterhin gewährleistet werden.

Bereits im Vorfeld der Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU steigt der Druck der US Regierung, unterstützt von den Gentechnikkonzernen in der EU und den USA, gentechnisch veränderte Pflanzen zum Anbau und für die Verwendung als Lebens- und Futtermittel in der EU rascher zuzulassen. Trotz der überwältigenden Mehrheit in der Bevölkerung, die die Gentechnik auf dem Acker und im Essen ablehnt, will sich die Bundesregierung nicht klar für ein Verbot der Agrogentechnik auf europäischer Ebene aussprechen.

Können Staaten in Zukunft Gentechnikanbau überhaupt noch ausschließen?

Zwischen EU Kommission und EU Ministerrat wird derzeit ein Vorschlag für nationale Anbauverbote von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) verhandelt, der - wie das geplante Freihandelsabkommen TTIP - ein Angriff auf die demokratischen Entscheidungsprozesse in Europa ist: Nationalregierungen sollen sich mit Gentechnikkonzernen auf sog. "Opt-out" Regelungen für GVO einigen.

Der Bund Naturschutz und auch Vertreter der Ökologischen Lebensmittelwirtschaft fordern statt dessen klare europäische Regelungen, die den Mitgliedsstaaten rechtssichere Möglichkeiten bieten, den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf ihrem Territorium auszuschließen. Grundlage können sozio-ökonomische Kriterien sein, wie kleinstrukturierte Landwirtschaft, oder die Sicherung der ökologischen Landwirtschaft, da erwiesen ist, dass die so genannte Koexistenz - das Nebeneinander von GVO-Anbau und gentechnikfreiem Anbau - in der Praxis nicht realisierbar ist.

Ein entsprechender Vorschlag des EU Parlaments, der den Mitgliedstaaten entsprechende rechtssichere Optionen ermöglichen würde, liegt seit 2011 auf Eis und muss jetzt vorangebracht werden, fordert der BN. Daneben sollen auch Umweltgründe als rechtssichere Verbote definiert werden können. Klar abzulehnen ist, dass, wie im Entwurf der griechischen Ratspräsidentschaft vorgeschlagen, Mitgliedstaaten sich bei GVO-Antragstellern melden und ein Anbauverbot auf ihrem Territorium aushandeln sollen. Das würde Unternehmen zu direkten Verhandlungspartnern von Regierungen machen und deren Position stärken.

Mehr Gifte im Futter durch Gentechnikimporte

Im Zusammenhang mit gentechnisch veränderten Pflanzen werden vermehrt Totalherbizide, vor allem Glyphosat, eingesetzt.

Dazu Dr. Martha Mertens, Sprecherin des BUND Naturschutz Arbeitskreises Gentechnik: "Dieses Breitbandherbizid reduziert die Artenvielfalt, gefährdet Bodenleben und Wasserorganismen und beeinträchtigt die Pflanzengesundheit. Es tritt als Rückstand in behandelten Futter- und Lebensmitteln auf und steht im Verdacht, zu Krebserkrankungen und Fehlbildungen bei Neugeborenen beizutragen."

Entsprechende Berichte kommen insbesondere aus Regionen, in denen breiter Anbau von Glyphosat-resistenten Pflanzen stattfindet, wie etwa Argentinien. Auch die Schädigung wichtiger Darmbakterien könnte negative Effekte auf die menschliche und tierische Gesundheit mit sich bringen. Die bei Unkräutern zunehmend auftretende Resistenz gegen Glyphosat führt zu einem Teufelskreis: in der Folge werden immer mehr Herbizide eingesetzt und die biologische Vielfalt und Gesundheit von Mensch und Tier weiter gefährdet. Eine nachhaltige Landwirtschaft sieht anders aus.

Derzeit läuft das Verfahren auf Wiederzulassung von Glyphosat in der EU. Deutschland kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, da es den entsprechenden Bericht zu erstellen hatte. Umweltverbände kritisieren den umfangreichen Bericht, da er im Wesentlichen auf Studien der Anmelder beruht und Studien unabhängiger Wissenschaftler, die zunehmend auf gesundheitliche und ökologische Risiken des Glyphosat-Einsatzes hinweisen, unzureichend berücksichtigt.

*

Quelle:
Presseinformation, 12.05.2014
Herausgeber:
Bund Naturschutz in Bayern e.V.
Landesgeschäftsstelle
Dr.-Johann-Maier-Str. 4, 93049 Regensburg
Tel. 0 941/ 2 97 20-0, Fax 0 941/ 2 97 20-30
E-Mail: info@bund-naturschutz.de
Internet: www.bund-naturschutz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2014