Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → LANDWIRTSCHAFT

RECHT/052: Berufungsprozeß um die "Feldbefreiung von Gatersleben" (Gendreck-weg)


Gendreck-weg - Pressemitteilung, 4. Mai 2010

Berufungsverhandlung im Zivilprozesses um die Feldbefreiung von Gatersleben

Kompetente Beklagte werfen Genehmigungsbehörden Versagen vor


Vor dem heutigen Prozessauftakt nahmen rund 50 GentechnikgegnerInnen an einer farbenfrohen Demonstration zum Oberlandesgericht teil. Zahlreiche Journalisten waren erschienen und verfolgten die Verhandlung. Die drei Richter des Oberlandesgerichts Naumburg machten bald deutlich, dass sie eine Entscheidung fällen werden. Das Gericht erkannte, dass die Berufungsanträge berechtigt waren, und teilte die Einschätzung des Klägers und der Beklagten, dass das Grundurteil aus Magdeburg zu früh gekommen war. Möglicherweise wird für die Festsetzung der Höhe eines Schadensersatzes erneut das Landgericht Magdeburg bemüht. Gegen 15.00 Uhr gab das Gericht den 25. Mai als Verkündungstermin für das Urteil bekannt.

Der Anwalt des IPK, der ehemalige Wirtschaftsminister Sachen-Anhalts Horst Rehberger, erklärte, dass Laien keine Ahnung haben könnten. Er empfände die Kritik an dem Gentechnikweizenversuch als Anmaßung, da die Beklagten nicht mehr wissen könnten, als die Wissenschaftler.

Wer im Prozess anwesend war, gewann jedoch ein ganz anderes Bild der so Geschmähten: Die Beklagten waren bestens vorbereitet. Sie verteilten im Gericht eine 60 Seiten starke Broschüre über 'Risiken und Nebenwirkungen' mit fundierten Kritikpunkten an dem Zulassungsverfahren für den Gentechnikweizen-Versuch. Sie widerlegten Darstellungen des Gerichtes, indem sie beispielsweise zeigten, dass die in dem Gaterslebener Weizen eingebaute Antibiotika-Resistenz schon damals nicht Stand der Technik war und zu einem Verbot des Versuchs hätte führen müssen. Sie konnten aufgrund intensiver Beschäftigung mit den Akten namentlich die für die Genehmigung Verantwortlichen nennen und deren Rolle als ausdrückliche Befürworter der Gentechnik. Über Ungereimtheiten bei der Versuchsdurchführung wussten sie genau Bescheid.

Als der Vorsitzende Richter von "Weltanschauungen" sprach, die in diesem Prozess unversöhnlich aufeinander träfen, widersprach der Rechtsanwalt der Beklagten Wolfram Leyrer: Bei den von den Beklagten nachgewiesenen Fehlern des IPK hätten selbst neutrale Betrachter die rote Karte ziehen müssen. Der Genehmigungsbescheid sei eindeutig rechtswidrig gewesen.

Der Anwalt des Klägers behauptete in der Verhandlung erstmals, dass das IPK plane, die Versuche zu wiederholen und dafür das geforderte Geld dringend benötige, zumal das Land weitere Zuschüsse versagt habe. Das ist eine ganz neue Argumentationsstrategie. Zuvor hatte das IPK erklärt, dass es keine weiteren Freisetzungs- versuche auf ihrem Gelände durchführen wolle. Feldbefreierin Mirjam Anschütz: "Wir wollten den Versuch verhindern und wir wollten sicher stellen, dass es keine Nachfolgeversuche gibt. Jetzt bekommt das IPK kein Geld mehr vom Land Sachsen- Anhalt - das ist ein Erfolg für uns."

Anders als noch das Landgericht machten die Naumburger Richter deutlich, dass sie die meisten Posten der zu erstattenden Kosten in der langen Liste des IPK wohl akzeptieren würden. RA Katrin Brockmann kritisierte diesen Schwenk. Das Landgericht habe wiederholt auf die unbelegten Forderungen des Institutes hingewiesen und ihm mehrere Chancen gewährt, diese nachzubessern. Ihr dränge sich der Eindruck auf, "dass Gerichte dabei helfen, Klagen schlüssig zu machen."

Der Argumentation der Verteidigung, dass die sechs Feldbefreier durch den Notstand gerechtfertigt seien, wollte das Gericht nicht folgen. Wer so argumentiere, öffne Tür und Tor für ein Faustrecht, das ja wohl niemand wollen könnte. Auch hier widersprachen die Beklagten deutlich: Die rechtliche Situation um den Versuch in Gatersleben sei besonders dramatisch gewesen, weil der Staat hier in mehrfacher Hinsicht versagt habe. Schon die Genehmigung durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit BVL sei rechtswidrig gewesen. Zum zweiten hätten die Landesbehörden in dieser Situation den Versuch untersagen müssen. Zum Dritten habe - trotz fahrlässiger Verzögerungen durch die Bundesregierung bei der Umsetzung einer europäischen Vorlage - rechtzeitig zum Versuchsbeginn das dritte Gentechnikänderungsgesetz gegriffen, was zum Stopp des Versuches hätte führen müssen.

Am Ende der Verhandlung zog Mirjam Anschütz eine positive Bilanz: "Hätten wir die Aktion nicht gemacht, hätten wir Vieles nicht erfahren: Wir wissen jetzt Bescheid über die Rechtsverstöße bei Genehmigung und Versuchsdurchführung und zentrale Aspekte davon sind heute vor Gericht zur Sprache gekommen."

Weitere Informationen und die Broschüre 'Risiken und Nebenwirkungen - die Genbank Gatersleben und die Freisetzung von gentechnisch verändertem Weizen' zum Download gibt es unter: www.gendreck-weg.de


*


Quelle:
Pressemitteilung, 04.05.2010
Gendreck-weg
Maurenstraße 9, 38300 Wolfenbüttel
Telefax: 0761 / 40 04 22 6
E-Mail: aktion@gendreck-weg.de
Internet: www.gendreck-weg.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Mai 2010