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UMWELTSIEGEL/036: Das neue EU-Bio-Siegel (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 157 - August/September 2010
Die Berliner Umweltzeitung

Das neue EU-Bio-Siegel
"Ein Logo, mit dem sich jeder identifizieren kann?"

von Felix Eick


Mit diesem Ausspruch gab die EU-Kommisarin für Landwirtschaft, Fischer Boel, die Einführung des neuen europaweiten Bio-Siegels für Lebensmittel bekannt.

Europa wächst immer mehr zusammen. Von der Kohle- und Stahlgemeinschaft über eine gemeinsame Wirtschafts-, Währungs-, Verteidigungspolitik bis hin zu einem übergeordneten handlungsfähigen politischen System entwickelte sich zuletzt durch den Lissabon-Vertrag ein starker politischer, sozialer und wirtschaftlicher Zusammenhalt.

Ist es bei dieser Fülle an Anpassung, Gemeinschaftsgefühl, Zusammenarbeit und Fortschritt nicht erstaunlich, dass man sich erst jetzt ernsthaft mit der so existenziellen Frage nach mehr Transparenz im Supermarkt beschäftigt?

Warum weiß der Konsument nicht, was er eigentlich kauft? Seit Jahren wird eine öffentliche Diskussion um Genfood geführt. Organisationen wie Foodwatch kritisieren die mangelnde Transparenz und die zum Teil gewollte Verbraucherverwirrung.

Zum 1. Juli wurde nun das neue EUBio-Siegel in allen EU-Mitgliedsstaaten eingeführt. Es zeigt ein stilisiertes Blatt aus den zwölf Europasternen in blau auf grün. Dieses "Bio-Blatt" sichert, dass mindestens 95 Prozent der Inhaltsstoffe landschaftlicher Herkunft nach den gesetzlichen Richtlinien für ökologischen Landbau hergestellt wurden. Zudem kommt das Produkt direkt vom Verarbeiter oder Produzenten.

Als weitere Angabe steht unter dem Siegel eine Codenummer. Die Buchstabenkombination vor dem ersten Bindestrich zeigt, in welchem Land das Produkt kontrolliert wurde (für Deutschland: DE). Nach dem Bindestrich folgt eine festgelegte Bezeichnung (in Deutschland: ÖKO). Die drei Zahlen am Ende zeigen, welche Ökokontrollstelle prüfte. Auch die Herkunft wird angegeben, jedoch sehr ungenau. Es finden sich die Bezeichnungen "EU-Landwirtschaft", "Nicht-EU-Landwirtschaft" und EU-/Nicht-EU-Landwirtschaft"; in Einzelfällen auch das tatsächliche Erzeugerland.

Innerhalb eines Übergangszeitraums von zwei Jahren ist das Gütesiegel auf allen biologisch angebauten Nahrungsmitteln abzubilden. Dieser großzügig angelegte Zeitraum soll den Produzenten und Verpackern die Möglichkeit geben, alte Verpackungen aufzubrauchen und sich Stück für Stück auf die neuen Standards einzustellen. Renate Künast führte 2001 als rotgrüne Verbraucherschutzministerin das staatliche sechseckige Bio-Siegel in Deutschland ein, welches mittlerweile Anerkennung in der Bevölkerung genießt. Dieses soll auch weiterhin, genauso wie die Siegel der ökologischen Anbauverbände, auf den Produkten zu finden sein.

Schwierig hierbei ist sicherlich, dass die verschiedenen Siegel auch unterschiedliche Vorgaben bedeuten. Während Demeter-Produkte und auch das entsprechende Viehfutter beispielsweise stets aus der näheren Umgebung kommen, kann ein Lebensmittel mit dem neuen EU-Siegel aus ganz Europa stammen. Das bedeutet, dass Äpfel aus Spanien mit EU-Siegel durch die verstärkte Bewässerung und den Transport einen viel höheren Wasser- und Energieverbrauch haben als deutsche Äpfel. Dadurch sind die spanischen Äpfel weitaus weniger ökologisch. Selbst brandenburgische Äpfel aus Werder, obwohl diese vielleicht sogar gar kein Siegel haben, können umweltverträglicher sein als die spanischen.

Für den Verbraucher heißt es also weiterhin, genau auf seine Einkaufspolitik und Gesundheit zu achten. Es wäre ein Trugschluss, sich darauf zu verlassen, dass jedes Produkt mit dem EU-Bio-Siegel gesund, biologisch und umweltverträglich ist. Es ist zu bezweifeln, dass sich jeder mit diesem Logo identifizieren kann.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Neues EU-Bio-Siegel - stilisiertes Blatt auf grünem Hintergrund


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Quelle:
DER RABE RALF - 21. Jahrgang, Nr. 157, August/September 2010, S. 10
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de

Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2010