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AUEN/105: Großklotz - Höchste Zeit, den Wildflüssen wieder mehr Raum zu geben (WWF Magazin)


WWF Magazin, Ausgabe 4/2021
WWF Deutschland - World Wide Fund For Nature

Großklotz

von Sigrun Lange, WWF


Alles im Fluss? Leider nicht mehr. Mit Begradigungen, Stau- und Wasserkraftwerken haben wir unsere Lebensadern vielerorts kanalisiert und ausgebremst. In Deutschland sind nur noch knapp acht Prozent der Flusslandschaften in einem guten ökologischen Zustand. Um das zu ändern, hat der WWF im Alpenvorland mit vielen Partnern ein großes Hotspot-Projekt durchgeführt. Das Ziel: die einzigartige biologische Vielfalt an Ammer, Isar und Lech zu erhalten.

Was für ein Anblick: Malerisch eingerahmt in das Panorama der Voralpen lädt der Forgensee zum Schwimmen ein. Nur die wenigsten wissen: Er ist eigentlich ein Fluss, der Lech. Doch eine Staumauer bringt ihn abrupt zum Stillstand. Flussabwärts folgt eine Stauseenkette und ein Korsett aus Deichen zwängt ihn ein. Seine Verbindung zu den Auen dahinter ist gekappt. Der Lech ist kein Einzelfall. Auch der Verlauf der Isar wird - durch den Sylvensteinspeicher - beeinträchtigt. Wie diese beiden haben wir fast alle unsere Flüsse in Deutschland in der Vergangenheit vor allem eingedeicht und aufgestaut. Mehr als 90 Prozent der Flussauen in Deutschland sind deutlich verändert, durch Bebauung versiegelt oder in Agrarflächen umgewandelt worden. Dadurch stehen zwei Drittel bei Hochwasser nicht mehr als natürliche Überschwemmungsflächen zur Verfügung. Darauf wies auch das Bundesamt für Naturschutz in seinem Auenzustandsbericht im Frühjahr 2021 hin.

Natürliche Arche Noah

Naturnahe Flussauen sind Zentren der Artenvielfalt und so etwas wie eine "moderne Arche Noah", sagte die ehemalige Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz, Beate Jessel. Denn die Überschwemmungsgebiete sind nicht nur die Kinderstube für viele Fischarten. Sie bieten auch Vögeln wie dem Mittelspecht, Amphibien wie dem Moorfrosch oder Schmetterlingen wie dem Großen Eisvogel, die woanders selten geworden sind, eine Heimat. Und Auen leisten der Gesellschaft weitere wichtige Dienste: Sie nehmen Hochwasser auf, filtern Wasser, speichern Treibhausgase und bieten Raum für Erholung.

Alle 500 Meter ein künstliches Hindernis

Flüsse werden außerdem durch unzählige Barrieren am Fließen gehindert. Nach Berechnungen des WWF blockiert oder beeinträchtigt in Bayern alle 500 Meter ein Wehr (Sperrwerk mit künstlicher Fallstufe), ein "Absturz" (eine Treppenstufe) oder ein anderes Querbauwerk den Weg des Wassers und der Fische. Nur noch in weniger als jedem fünften bayerischen Fluss kommen weitgehend die natürlichen Fischarten, Insektenlarven oder Wasserpflanzen vor. Das Gleiche gilt für ganz Deutschland: In den meisten unserer Fließgewässer ist die Artenvielfalt bereits verloren gegangen und die Bestände sind verarmt. Das Schicksal der Flüsse geht deshalb uns alle an. Es ist an der Zeit, dem Schutz und der Renaturierung unserer Gewässer oberste Priorität einzuräumen.

Warum Flüsse umgebaut wurden

Früher wurden Flüsse begradigt und eingedeicht, um Landwirtschafts- oder Siedlungsflächen zu gewinnen beziehungsweise vor Hochwasser zu sichern oder sie für Wasserkraftwerke nutzbarer zu machen. Die Folge: In kanalisierten Bereichen nimmt die Fließgeschwindigkeit zu. Der Fluss gräbt sich immer tiefer in sein Bett ein - oft in einem Maß, das die Dämme selbst oder auch Brücken und Straßen gefährdet. Im schlimmsten Fall vertieft sich der Fluss derart, dass er in die darunterliegende Grundwasserschicht durchzubrechen droht. Um dies zu verhindern und den beschleunigten Fluss wieder abzubremsen, wurden vielerorts Stützwehre quer zur Fließrichtung in die Flüsse gebaut. Andere Wehre wurden errichtet, um Wasser abzuleiten, etwa zur Bewässerung von Wiesen, zum Betrieb von Mühlen und später für Turbinen zur Stromgewinnung.

Manche Bewässerungsformen und unrentable Kleinstwasserkraftwerke wurden mittlerweile aufgegeben. So haben viele Barrieren ihren Nutzen verloren und sind teilweise baufällig geworden. Sie müssen dringend entfernt werden. Denn marode Bauwerke können bei Hochwasser leicht weggespült werden und andernorts Schaden anrichten.

Werden solche Barrieren abgebaut, kommt das Leben oft überraschend schnell in die Flüsse zurück. So stieg etwa nach dem Rückbau eines Wehres an der Mitternacher Ohe im Bayerischen Wald sowohl die Zahl der Fischarten als auch deren Bestände an. Huchen, Rotauge, Rutte und sogar der Steinkrebs fanden rasch neuen Lebensraum.

Europa muss und will handeln

Weil Flüsse über Grenzen fließen, ist der notwendige Rückbau von Flussbarrieren auch gesamteuropäisch ein Thema. So fordert die EU-Kommission in ihrer Biodiversitätsstrategie, bis 2030 europaweit mindestens 25.000 Flusskilometer in freie Fließstrecken umzuwandeln.

Auch die Bewegung "Dam Removal Europe" will Flüssen wieder mehr barrierefreien Lauf lassen. Zu deren Initiatoren und Unterstützern zählt auch der WWF. Im Mai dieses Jahres lud der WWF Deutschland zusammen mit Partnern unter dem Motto "Dam Removal goes Alps" mehr als 900 Interessierte aus rund 60 Nationen zu einem viertägigen Seminar ein, um internationale Erfahrungen auszutauschen und in der Öffentlichkeit verstärkt für frei fließende Flüsse zu werben.

Befreiungsaktion des WWF

Nach der Theorie ging es bereits kurz darauf an die Praxis. Im Juli 2021 startete der WWF eine Aktion, um in Nordbayern zusammen mit dem Wasserwirtschaftsamt Kronach und mit breiter Unterstützung der Gemeinde sowie der Fischerei das schon lange ungenutzte Leucherhofwehr an der Baunach bei Bamberg entfernen zu können. Die Stauanlage diente früher der Wiesenbewässerung, danach blockierte sie grundlos den Weg der Fische und anderer Wassertiere.

Der ursprüngliche Besitzer, eine Genossenschaft, existierte nur noch auf dem Papier und fühlte sich nicht mehr zuständig, das Wehr zu entfernen. Mithilfe des WWF konnten bereits im September die Bagger anrollen. Nun darf die Baunach, ein potenzielles Aalgewässer, nach mehr als 100 Jahren auf sechs Kilometer Länge wieder frei fließen. Bisher getrennte Gewässerlebensräume sind aufs Neue verbunden.

Nicht immer sind Erfolge so schnell zu erzielen. An der Oberen Ammer erstellte der WWF Deutschland in einem aufwendigen Prozess die Pläne für eine Deichverlegung an einem besonderen Flussabschnitt. Dort wurde die Ammer nach einem Bergrutsch mit Abraummaterial aus dem Kohlebergbau in den 1960er-Jahren verlegt und begradigt. Nun soll die Abraumhalde gesichert und der Deich zurückversetzt werden, sodass sich die Ammer dort auf etwa zehn Hektar wieder in ihre ursprüngliche Aue ausbreiten kann. Zugleich, so die Vorgabe, soll die Halde einem 1000-jährigen Hochwasser standhalten - also einer Flut, die statistisch nur einmal alle 1000 Jahre passieren wird. Die Renaturierungsplanung ist komplex, doch für eine lebendige Ammer ziehen alle an einem Strang: das Wasserwirtschaftsamt Weilheim, die Bayerischen Staatsforsten, die Fischerei- und Tourismusverbände sowie die Bürgermeister der Anliegergemeinden. Der Deichrückbau soll nach Prüfung durch die Behörden im Winter 2022/23 beginnen. Sobald der Fluss aus seinem Korsett befreit ist und sich wieder ausbreiten kann, wird das bestehende Stützwehr, das Schnalzwehr, überflüssig und kann entfernt werden. Damit würde die Ammer in diesem Flussabschnitt wieder über 26 Kilometer frei fließen - ein großer Erfolg für einen der wenigen noch überwiegend ursprünglich fließenden Flüsse Deutschlands, der sogar mit einer canyonartigen Schluchtstrecke aufwarten kann.

Kleine und große Wasserabzweiger

Gerade in Süddeutschland, wo es viel Gefälle gibt, dienen Wehre oftmals der Wasserkraftnutzung. Wasser wird abgezweigt und über einen Kanal den Turbinen zugeleitet. In Bayern gibt es rund 4200 Wasserkraftwerke, mehr als 80 Prozent davon sind Kleinstanlagen mit weniger als 100 Kilowatt installierter Leistung. Sie produzieren zusammen beinahe vernachlässigbare 0,4 Prozent des bayerischen Stroms, richten aber unverhältnismäßig hohen ökologischen Schaden an.

Zum einen geraten Fische trotz Schutzvorrichtungen in die Turbinen und sterben oder werden schwer verletzt. Zum anderen zerteilen die kleinen Kraftwerke den Fluss in viele kaum miteinander verbundene Lebensräume. Denn ein Großteil dieser Wehre ist für Fische - trotz Fischtreppe - nicht passierbar. Zum Beispiel, weil in den Teilen des Flussbetts, aus denen Wasser abgeleitet wird, gerade in Trockenzeiten zu wenig Wasser verbleibt. Manche Strecken fallen sogar komplett trocken, von anderen bleiben nur veralgte Pfützen. Oft erwärmt sich das Flusswasser durch den reduzierten Abfluss so stark, dass der Sauerstoffgehalt sinkt. Kälteliebende Arten haben das Nachsehen. Der WWF setzt sich deshalb mit anderen Naturschutzverbänden dafür ein, dass die Bayerische Staatsregierung, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, ökologisch begründete Mindestwassermengen an kleinen Kraftwerksanlagen festschreibt.

Spezialistenparadies in Gefahr

An der Oberen Isar wiederum droht eine andere Gefahr. Eine bereits seit rund 100 Jahren erfolgende Wasserableitung am Krüner Wehr Richtung Walchenseekraftwerk lässt Deutschlands letzte alpine Wildflussstrecke mit offenen Kiesflächen und einem verzweigten Flussverlauf nach und nach verschwinden. Noch erstreckt sich dort auf 17 Kilometern eine Bilderbuchlandschaft - und ein Paradies für seltene Spezialisten: Auf den Kiesbänken brütet der Flussuferläufer. Die Gefleckte Schnarrschrecke hat hier ein letztes Refugium, nachdem sie ihre Lebensräume in den Heidegebieten Norddeutschlands verloren hat. Und die Pionierpflanze Deutsche Tamariske trotzt mit ihren kräftigen Pfahlwurzeln den natürlichen Überschwemmungen.

Doch die jahrzehntelange Ableitung für das Kraftwerk hat längst fatale Folgen: Es fehlen Wasser und Dynamik, um das Geröll in Fluss und Aue immer mal wieder umzuschichten. Aus der "weißen" wird so die "grüne" Isar: Weidenbüsche breiten sich aus und zwängen den Fluss immer mehr in eine einzige Rinne. Die offenen Kiesflächen mit ihren spezialisierten Tier- und Pflanzenarten schwinden.

Historische Chance nutzen

Nun gibt es die historische Chance, den schleichenden Tod für Deutschlands einzigartige Wildflusslandschaft aufzuhalten. Denn die Nutzungsrechte für das Walchenseekraftwerk laufen 2030 aus und müssen mit dem künftigen Betreiber neu verhandelt werden. Bei deren Neuvergabe setzt sich der WWF nun dafür ein, dass dem Erhalt und der Wiederherstellung des natürlichen Isarlaufs oberste Priorität eingeräumt wird. Denn die Obere Isar ist nicht nur ein wichtiger Lebensraum für mehr als 200 Rote-Liste-Arten, sondern auch ein besonderes Stück Heimat für die Menschen. Nach vielen Jahren der Diskussion brauchen wir jetzt endlich Klarheit: Ist eine Ableitung des Isarwassers in Krün mit dem Erhalt der Wildflusslandschaft vereinbar? Wenn ja, wie müsste die Bewirtschaftung des Krüner Wehrs künftig gestaltet werden? Mit Unterstützung eines internationalen Expertenteams fordert der WWF die Bayerische Staatsregierung dazu auf, bestehende Wissenslücken mittels Modellierungen und Naturversuchen zeitnah zu schließen und die Ergebnisse transparent zu machen. Sollte kein Nachweis erbracht werden können, dass eine Regenerierung trotz Ableitung möglich ist, muss der gesellschaftliche Wert dieser letzten großen Wildflusslandschaft in Deutschland höher bewertet werden als die Erzeugung von Strom - und demzufolge auf das Krüner Wehr verzichtet werden.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

  • Die Stauwehr am Rißbach wurde in den 1950er Jahren gegen breiten Widerstand gebaut. Es gilt bis heute als starker Eingriff in die wilde Natur des Karwendels. Das Flussbett unterhalb des Wehrs führt die meiste Zeit kein Wasser.
  • Ein bayerisches Idyll? Dieser Eindruck trügt. Denn die Isar wird hier abrupt in ihrem Verlauf gestoppt und in den Sylvensteinstausee geleitet. Der WWF setzt sich dafür ein, den natürlichen Charakter der Oberen Isar wiederherzustellen. Die Chancen stehen gut.
  • Die Ammer gilt als einer der ökologisch reichsten Wildflüsse Deutschlands. Der WWF arbeitet zusammen mit Partnern daran, dass der Fluss bald wieder auf weiteren 26 Kilometern frei fließen kann.
  • Frei fließende Flüsse bieten zahlreichen Arten ein Zuhause. Allein die Überflutungsflächen und Auenwälder sind Kinderstuben für eine Vielzahl seltener Spezies wie für den Flussuferläufer (oben), den Großen Eisvogel (oben rechts), den Steinkrebs (rechts) oder den Moorfrosch (Bild rechte Seite). Seit 1970 sind die Populationen der im Süßwasser lebenden Arten weltweit durchschnittlich um 84 Prozent zurückgegangen.
  • Der Moorfrosch ist ein seltenes blaues Wunder. Immer mehr Amphibien und Reptilien sind akut in ihrem Bestand gefährdet, weil die Auen vielerorts von den Flüssen abgetrennt werden und trockenfallen.
  • Die Deutsche Tamariske hält mit ihren Pfahlwurzeln auch Hochwasser locker stand. Sie kann auf Schotterflächen bis zu zwei Meter groß werden.
  • Die Gefleckte Schnarrschrecke hat an der Isar ein letztes Refugium, nachdem sie ihre ursprünglichen Lebensräume in den Heidegebieten Norddeutschlands verloren hat.
  • Die Bestände des Huchen gingen aufgrund von Gewässerverbau, fehlenden Laichplätzen und mangelnden Beutefischen stark zurück. In der Ammer gibt es noch einen stabilen Bestand.
  • Die Isar, wie sie lebt und fließt - noch. Denn eine Wasserableitung am Krüner Wehr lässt die alpine Wildflussstrecke nach und nach verschwinden. Es mangelt an Wasser und Dynamik, um Geröll umzuschichten und Baumstämme zu transportieren.
  • Der Loisach-Isar-Kanal wurde gebaut, um der Gefahr von Hochwasser, verursacht durch das Walchenseekraftwerk, vorzubeugen. Er verläuft zum Teil parallel zum ehemaligen Wildfluss Loisach, der über weite Strecken ebenfalls kanalisiert ist.
  • Ein Fluss im Korsett: Der Mittlere-Isar-Kanal zieht sich auf 64 Kilometern durch das Voralpenland. Eine "Autobahn" für Wasser, das dem eigentlichen Fluss fehlt.

wwf.de/alpenfluesse

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"Mehr Platz für Flüsse ist notwendiger denn je

Gewässerökologe und Senckenberg-Generaldirektor Prof. Dr. Klement Tockner über die Bedeutung naturnaher Flusslandschaften

Interview: Sigrun Lange

Warum muss die Gesellschaft naturnahe Flusslandschaften erhalten?

Flüsse sind die Arterien der Landschaft, sie verbinden Gebirge mit Meer, Land mit Wasser und Menschen mit der Natur. Entlang der Flüsse sind unsere Kulturen entstanden und gediehen. Sie haben uns geprägt. Zugleich sind naturnahe Flusslandschaften Orte besonders hoher biologischer Vielfalt, sie speisen das Grundwasser, sichern sauberes Trinkwasser und schaffen ein angenehmes Mikroklima.

Die meisten Flüsse sind begradigt, aufgestaut und durch viele Hindernisse unterbrochen. Welche Folgen hat das?

Unsere Bäche und Flüsse, sind geschunden wie kaum ein anderer Lebensraum. Dadurch verlieren sie die eben genannten auch für uns Menschen so wichtigen Funktionen und Leistungen. Wir sehen nur den engen ökonomischen Nutzen, nicht aber den immensen Wert - ökologisch, kulturell und ideell - dieser Gewässer. Den Tagliamento, den Oberen Lech oder auch die Peene zu erleben, kann zum Umdenken führen. Uns ist gar nicht mehr bewusst, was wir bereits verloren haben.

Der Klimawandel lässt Flüsse zeitweise trockenfallen. Welchen Rat geben Sie der Bayerischen Staatsregierung, die sogar Kleinwasserkraftwerke mit minimaler Stromerzeugung weiter fördern und ausbauen will?

Kleinwasserkraftwerke tragen fast nichts zur Energiesicherheit bei, verbrauchen aber überproportional viel natürliche Ressourcen in Form ökologisch wertvoller Gewässerabschnitte. Es ist für mich völlig unverständlich, dass Kraftwerke in schutzwürdigen Regionen wie Natura-2000-Gebieten gebaut werden dürfen und zugleich noch subventioniert werden. Erneuerbare Energie bedeutet nicht klimaneutrale oder gar umweltfreundliche Energie. So werden die Gewässer die größten Verlierer des Pariser Klimaabkommens sein.

Deutschland ist verpflichtet, Gewässer ökologisch aufzuwerten. Was muss in der gerade begonnenen "UN-Dekade für die Wiederherstellung von Ökosystemen" passieren?

Höchste Priorität hat die langfristige Erhaltung jener Gewässer, die einen guten oder sehr guten ökologischen Zustand aufweisen - das sind bundesweit knapp acht Prozent aller Bäche und Flüsse. Trotz Europäischer Wasserrahmenrichtlinie nimmt dieser Anteil nicht zu. Eigentlich ist es einfach: nicht nur ambitionierte Ziele formulieren, sondern ebenso handeln! Mehr Platz für die Flüsse ist notwendiger denn je. Flussauen sind nicht nur besonders wertvolle Lebensräume, sie sind für den natürlichen Hochwasserschutz unverzichtbar, aber auch für die Trinkwasserversorgung, den Nährstoffrückhalt und unsere Erholung.

Wie können wir besser auf die Krise der Süßwasserarten aufmerksam machen? Muss die Wissenschaft mutiger und unbequemer werden?

Die Wissenschaft muss auf die Folgen unseres Handelns unmissverständlich aufmerksam machen, sie muss aber auch dazu beitragen, Lösungen zu finden. Für das Umsetzen sind dann die Menschen, allen voran die Entscheidungsträger, verantwortlich. Wir benötigen unbequeme Wissenschaftler, aber noch mehr mutige und verantwortungsvolle Bürgermeister, Landräte, Bundestagsabgeordnete und Minister. Nur reagieren reicht nicht aus. Und wir benötigen mehr denn je Wissenschaftsjournalisten, die helfen, Wissen verständlich und vor allem den Tatsachen entsprechend weiterzugeben. Eine ganz große Rolle kommt den Nichtregierungsorganisationen wie dem WWF und den vielen Ehrenamtlichen zu, die sich engagieren - dafür bietet zum Beispiel Senckenberg viele Möglichkeiten.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
- Klement Tockner hat unter anderem den Tagliamento erforscht, den letzten auf langer Strecke frei fließenden Alpenfluss.

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Quelle:
WWF Magazin 4/2021, Seite 8-17
Herausgeber:
WWF Deutschland
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Internet: www.wwf.de
 
Die Zeitschrift für Fördermitglieder und Freunde der
Umweltstiftung WWF Deutschland erscheint vierteljährlich

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 7. Dezember 2021

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