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EUROPA/034: Ein Großteil der empfindlichsten Arten und Lebensräume in Europa ist gefährdet (KEG)


Europäische Kommission - Brüssel, den 13. Juli 2009

Umwelt: Ein Großteil der empfindlichsten Arten und Lebensräume in Europa ist gefährdet


Heute hat die Kommission einen Bericht über den Erhaltungszustand von über 1150 Arten und 200 Lebensraumtypen, die durch EU-Recht geschützt sind, veröffentlicht. Nur bei einem kleinen Teil dieser empfindlichen Lebensräume und Arten wurde ein guter Erhaltungszustand erreicht; die Mitgliedstaaten müssen ihre Anstrengungen verstärken, wenn sich diese Situation verbessern soll. Der Bericht, der sich auf den Zeitraum 2001-2006 erstreckt und die bislang umfassendste Übersicht über die biologische Vielfalt in der EU bietet, ist ein wichtiger Maßstab zur Abschätzung zukünftiger Trends. Grasland, Feuchtgebiete und Küstenräume sind am stärksten gefährdet, insbesondere wegen des Rückgangs der traditionell geprägten Landwirtschaft, wegen der Förderung des Fremdenverkehrs und wegen des Klimawandels. Es gibt aber auch einzelne Lichtblicke: So beginnen einige größere, bedeutsame Arten wie der Wolf, der eurasische Luchs, der Biber und der Otter bereits wieder, Teile ihrer früheren Lebensräume zu bevölkern. Viele Mitgliedstaaten haben erhebliche Mittel investiert, um eine genaue Überwachung vornehmen zu können, und die Berichterstattung war trotz einiger Lücken ein großer Erfolg.

Hierzu erklärte EU-Umweltkommissar Stavros Dimas: "Wir haben uns dazu verpflichtet, den Verlust der biologischen Vielfalt in Europa einzudämmen, und der heutige Bericht macht deutlich, dass wir uns noch nicht auf unseren Erfolgen ausruhen können. Die Wiederherstellung eines guten Zustands der Lebensräume und der Tier- und Pflanzenarten kostet Zeit und verursacht erheblichen Aufwand. Die EU-Naturschutzvorschriften und das Netz Natura 2000 sind die entscheidenden Mittel zur Erreichung unserer Ziele für den Schutz der biologischen Vielfalt in der EU. Nachdem der Aufbau des terrestrischen Teils des Netzes beinahe abgeschlossen ist, können wir für die nächsten 10-20 Jahre mit wesentlichen Verbesserungen rechnen."

Professorin Jacqueline McGlade, Exekutivdirektorin der Europäischen Umweltagentur, erklärte: "Die biologische Vielfalt in Europa ist weiterhin erheblichem Druck ausgesetzt und stark gefährdet. Wenngleich wir unser Ziel, den Verlust der biologischen Vielfalt in Europa bis 2010 einzudämmen, nicht mehr erreichen können, gibt es doch einige Fortschritte. Wie der Kommissar in Athen kürzlich erklärte, muss die Zielvorgabe für die Zeit nach 2010 ehrgeizig, messbar und eindeutig sein. Dabei sollte der Schwerpunkt weiter auf dem Wert, den die biologische Vielfalt an sich darstellt, liegen und zugleich der Wert gesunder und widerstandsfähiger Ökosysteme sowie der von ihnen erbrachten Leistungen anerkannt werden."


Einige wichtige, wenn auch begrenzte Erfolge

Der Bericht behandelt 216 Lebensraumtypen und enthält Informationen über 1182 Tier- und Pflanzenarten. Obwohl insgesamt deutlich wurde, dass viele Tier- und Pflanzenarten und Lebensraumtypen keinen guten Erhaltungszustand erreicht haben, gibt es doch Anzeichen dafür, dass die Schutzmaßnahmen Wirkung zeigen und einige Lebensraumtypen und Arten anfangen, sich zu regenerieren. Tierarten wie der Braunbär, der Wolf oder der Biber erholen sich und lassen sich in vielen Gebieten wieder von neuem nieder. Dies bedeutet, dass die richtigen Lebensräume zur Verfügung stehen und dass Belastungen wie Jagd oder Umweltverschmutzung reduziert wurden.


Grasflächen, Feuchtgebiete und Küsten sind besonders gefährdet

Besonders schlecht ist der allgemeine Zustand der Lebensraumtypen Grasland, Feuchtgebiete und Küsten. Grasflächen hängen insbesondere mit den traditionellen Bewirtschaftungsformen in der Landwirtschaft zusammen, die EU-weit im Rückgang begriffen sind, und der Erhaltungszustand aller Lebensraumtypen, die mit der Landwirtschaft im Zusammenhang stehen, ist deutlich schlechter als der anderer Lebensraumtypen: Nur 7% der entsprechenden Bewertungen fielen positiv aus, verglichen mit 21% der "nicht landwirtschaftlichen" Lebensraumtypen. Ursachen hierfür sind die Umstellung auf eine intensivere Landwirtschaft, die Aufgabe landwirtschaftlicher Flächen und schlechte Bodenbewirtschaftung. Feuchtgebiete werden für andere Nutzungszwecke umgewidmet und leiden außerdem an den Folgen des Klimawandels, ebenso wie etwa die Lebensräume der Gletscherzonen im Hochgebirge. Die Lebensräume an Küsten leiden unter der zunehmenden Belastung durch den Fremdenverkehr.


Informationslücken

Insgesamt wurde bei etwa 13% der Bewertungen der regionalen Lebensräume und etwa 27% der Bewertungen der regionalen Arten der Erhaltungszustand als "unbekannt" gemeldet. Besonders hoch war die Zahl der Einstufungen als "unbekannt" bei Arten, die in Südeuropa vorkommen, wobei Zypern, Griechenland, Spanien und Portugal bei mehr als 50% der in ihren Gebieten erfassten Arten das Ergebnis "unbekannt" übermitteln.

Besonders problematisch ist hier die Meeresumwelt: bei 57% der Bewertungen von Meerestieren oder -pflanzen und etwa 40% der Bewertungen von marinen Lebensräumen musste der Erhaltungszustand als "unbekannt" gemeldet werden.


Hintergrund: Der Artikel-17-Bericht

Mit Artikel 17 der Habitatrichtlinie werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle sechs Jahre über die Durchführung der in der Richtlinie festgelegten Maßnahmen Bericht zu erstatten. In den Berichten für den Zeitraum 2001-2006 wurde erstmals der Zustand der unter die Richtlinie fallenden Arten und Lebensräume, die im Hoheitsgebiet der jeweiligen Mitgliedstaaten zu finden sind, bewertet. Die Europäische Umweltagentur hat anhand dieser Berichte eine integrierte Bewertung nach geografischen Regionen, Lebensraumtypen sowie Tier- und Pflanzenarten vorgenommen. Anschließend hat die Kommission, wie in der Richtlinie vorgesehen, anhand dieser Bewertungen einen zusammenfassenden Bericht erarbeitet.


Die Habitatrichtlinie

Für das europäische Naturschutzrecht sind insbesondere zwei Rechtstexte von Bedeutung: die Vogelschutzrichtlinie und die Fauna-Flora-Habitatrichtlinie. Letztere FFH-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, eine Reihe bestimmter Lebensraumtypen sowie Tier- und Pflanzenarten in einvernehmlich mit der Kommission ausgewiesenen Gebieten in einem günstigen Erhaltungszustand zu bewahren. Zusammen mit den Gebieten der Vogelschutzrichtlinie bilden sie das Netz Natura 2000, das größte ökologische Netzwerk der Welt. Im Rahmen der Habitatrichtlinie wurden beinahe 22 000 Schutzgebiete ausgewiesen; dies macht etwa 13,3% der EU-Fläche aus. Insgesamt (d. h. zusammen mit den Gebieten der Vogelschutzrichtlinie) umfasst das Natura-2000-Netz mehr als 25 000 Schutzgebiete und erstreckt sich über etwa 17% der EU-Fläche.

Weitere Einzelheiten unter:
http://ec.europa.eu/environment/nature/knowledge/rep_habitats/index_en.htm
http://biodiversity.eionet.europa.eu/article17

© Europäische Gemeinschaften, 1995-2008


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Quelle:
Pressemitteilung IP/09/1118, 13.07.2009
Europäische Kommission (KEG), Brüssel
Internet: www.ec.europa.eu, www.europa.eu/rapid/


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2009