Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → LEBENSRÄUME

JAGD/030: Wildtier-Management in NABU-Schutzgebieten (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 4/08
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Eingriff mit der Flinte
Wildtier-Management in NABU-Schutzgebieten

Von Gregor Beyer


Manche Jäger halten den NABU für jagdfeindlich. Richtig ist, dass aus Sicht des Naturschutzes die derzeitige Jagdausübung und die Jagdgesetzgebung in Deutschland erheblich zu kritisieren sind. Die Kritik des NABU ist jedoch weder grundsätzlich jagdfeindlich - was Jagdgegner bedauern -, noch praxisfern. Der NABU ist durch umfangreichen Flächenbesitz selbst Jagdrechtsinhaber und dokumentiert in seinem eigenen jagdlichen Management, wie es besser gemacht werden kann.

Vor allem die inzwischen rund 6.100 Hektar im Besitz der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe haben zum Entstehen mehrerer Eigenjagdbezirke geführt. Anders als bei Kleinflächen ist die NABU-Stiftung hier nicht zwangsweise Mitglied einer Jagdgenossenschaft, die für die Jagdorganisation und Verpachtung verantwortlich ist. In ihren Eigenjagden kann die NABU-Stiftung vielmehr die Ausübung der Jagd selbst organisieren. Sie richtet sich dabei streng nach den im Grundsatzpapier des NABU niedergelegten Vorgaben.


Schutzziele haben Vorrang

Die meisten Flächen der NABU-Stiftung liegen in Schutzgebieten. Daher steht nicht vorrangig eine nachhaltige Ressourcennutzung, also die des Wildbrets, im Vordergrund. Vielmehr ordnet sich die Jagd den Naturschutzzielen des jeweiligen Gebietes unter.

So soll die Jagd in den monotonen Kiefernforsten am brandenburgischen Stechlinsee zu einer Verringerung der stark künstlich überhöhten Schalenwildbestände - also der Rehe und Hirsche - beitragen. Erst dadurch wird Naturverjüngung und damit die Entwicklung artenreicher Laubmischwälder möglich.

Umgekehrt ist das Ziel im fast 2.000 Hektar großen Naturparadies Grünhaus, die Wiederbelebung des vom Braunkohletagebau hinterlassenen Gebietes in der Niederlausitz nach Abschluss der Sanierungsarbeiten allein dem Kräftespiel der Natur zu überlassen. Hier ist die Ausübung der Jagd bereits auf weiten Flächen ganz eingestellt, denn sie würde nichts zum Erreichen des Schutzzieles beitragen.


Waldverjüngung ermöglichen

Der Einfluss des Wildes auf die Entwicklung der Gebiete wird dabei durch sogenannte Weisergatter dokumentiert. Das sind kleine eingezäunte Flächen, in denen Bäume und andere Pflanzen ganz ohne Verbiss durch das Wild wachsen können. Der Vergleich der Situation innerhalb und außerhalb des Gatters zeigt, wie stark der Wildbestand die Waldverjüngung beeinflusst. Bejagt wird nur, wenn die Entwicklungsziele des jeweiligen Gebietes durch das Wild beeinträchtigt werden.

Selbstverständlich dabei ist, dass in keinem der NABU-Gebiete Tierarten bejagt werden, für die es nicht eine zweifelsfrei nachgewiesene Notwendigkeit gibt. So werden generell keine Wasservögel, Elstern oder Krähen gejagt, denn deren Bejagung ist weder notwendig noch sinnvoll.

Für die Durchsetzung der jagdpolitischen Ziele auf den Flächen der NABU-Stiftung muss die Jagd in der eigenen Hand behalten werden. Deshalb wird diese in der Regel nicht verpachtet, sondern in Eigenregie ausgeübt. Eigenregie bedeutet, dass Steuerung und Überwachung durch die NABU-Stiftung selbst erfolgt. Die Flächen werden dabei in verschiedene Pirschbezirke aufgeteilt, für die jeweils ein Einjahresvertrag mit einem vorzugsweise regionalen Jäger abgeschlossen wird. In diesen Pirschbezirken können die Jäger nach detaillierten Vorgaben und den dafür zulässigen Zeiten insbesondere Schalenwild erlegen.


Nur wenige Jagdtage

Die für die Reduktion dieser Tierarten wichtigen Intervall- und Drückjagden werden zentral gesteuert und organisiert. Die sogenannten Intervalle finden im September statt, wenn das Erlegen aller Schalenwildarten möglich ist. Die Intervalle dauern in der Regel drei bis vier Tage und werden in Morgen- und Abendansitzen mit einer großen Anzahl von Jägern durchgeführt.

Bei den Drückjagden wird eine Zusammenarbeit mit umliegenden Jagdbezirken angestrebt, da so eine großflächige und effiziente Bejagung möglich ist. Im Eigenjagdgebiet am Stechlinsee hat sich schon seit vielen Jahren eine intensive Zusammenarbeit mit dem Staatsforst bewährt, bei der auf großer Fläche zweimal im Jahr Drückjagden stattfinden, die zu einer sehr effizienten Reduzierung des Schalenwilds beitragen.

Das Ziel ist, die Störung der Natur durch die Jagd auf wenige Tage im Jahr zu reduzieren, die außerhalb der Brutsaison, also in der Zeit von September bis Dezember, liegen. Bei diesen Jagden soll durch den Einsatz vieler Jäger dann aber ein maximaler Erfolg bei der Reduzierung des Schalenwilds erreicht werden. So verwundert es nicht, dass in den Eigenjagden der NABU-Stiftung in der Regel rund 90 Prozent des jährlichen Abschusses an lediglich zehn Tagen im Jahr erfolgt.


Konsequent bleifrei

Darüber hinaus speist der Verband mit seinem Wildmanagement wichtige Impulse in die jagdpolitischen Debatten ein. Ein aktuelles Beispiel hierfür sind die Diskussionen der vergangenen Jahre um die sogenannte bleifreie Jagdmunition. Für den NABU ist es selbstverständlich, dass er als eine der ersten Organisationen überhaupt die gesamte Bejagung konsequent auf bleifreie Jagdmunition umgestellt hat.

Flankiert wurden diese Bemühungen mit dem Zurverfügungstellen der NABU-Flächen für wissenschaftliche Untersuchungen, so beispielsweise die röntgentechnische Auswertung der erlegten Tiere durch das Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. Ohne diese Dokumentation wäre die intensive Diskussion um die Problematik bleihaltiger Munition wohl nicht zustande gekommen.

Der NABU mit seiner NABU-Stiftung ist daher weiterhin daran interessiert, für den wachsenden Flächenbesitz hochmotivierte und den NABU-Grundsätzen nahe stehende Jagdscheininhaber zu finden, die bereit sind, im Rahmen von Drückjagden und Begehungsscheinen den naturschutzpolitischen Anspruch auch in der praktischen Tätigkeit vorzuleben.

Kontakt und Rückfragen:
gregor.beyer@nabu.de, Tel. 0 33 31-26 04 31.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Rothirsch
Das Naturparadies Grünhaus wird sich auch ohne Bejagung entwickeln.
Die Bejagung von Wasservögeln, Elstern oder Rabenkrähen ist in den NABU-Eigenjagdbezirken tabu.
Damhirsch


*


Quelle:
Naturschutz heute - Heft 4/08
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-1500, Fax: 030/284984-2500
Hausanschrift: Charitéstraße 3, 10117 Berlin
E-Mail: naturschutz.heute@nabu.de
Internet: www.naturschutz-heute.de
Herausgeber: NABU, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-0, Fax: 030/284984-2000
E-Mail: nabu@nabu.de
Internet: www.NABU.de

"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
und erscheint vierteljährlich. Für Mitglieder
ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2009